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VwGH: Bekämpfung der Gegenstandsloserklärung des Sachbescheides bei Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides

Bearbeiter: Stefan Pregesbauer

VwGG: § 42 Abs 3

Abstract

In einem Verfahren zur Wiederaufnahme der Einkommensteuerveranlagung 2004 hob das BFG die Wiederaufnahmebescheide als rechtswidrig auf und erklärte den neuen Sachbescheid für gegenstandslos. Das Finanzamt erhob Amtsrevision, wobei der VwGH entschied, dass die Aufhebung des Wiederaufnahmebescheids ex lege auch die Grundlage für die Gegenstandsloserklärung beseitigt. Ein unlösbarer rechtlicher Zusammenhang zwischen diesen Entscheidungen bedingt, dass die Gegenstandsloserklärung nicht gesondert bekämpft werden muss. Gleichzeitig entschied der VwGH, dass eine zeitlich gestaffelte Zustellung für die Entscheidungen des VwGH relevant ist und bei gleichzeitiger Entscheidung durch den VwGH beide Entscheidungen des BFG wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben sind.

VwGH 3. 9. 2024, Ra 2023/13/0162

Sachverhalt

Am 7. 2. 2008 erfolgte die Wiederaufnahme und Neufestsetzung der Einkommensteuer des Einkommensteuerpflichtigen für das Jahr 2004 durch das Finanzamt (FA). Gegen den Wiederaufnahmebescheid und den neuen Sachbescheid brachte der Einkommensteuerpflichtige eine Beschwerde ein, da der Betrag des Wiederaufnahmegrundes absolut und relativ geringfügig sei. Dieser Ansicht stimmte das BFG auch zu. Am 31. 3. 2015 hob das BFG daher den Wiederaufnahmebescheid mit Erkenntnis ersatzlos auf (BFG 31. 3. 2015, RV/7101859/2009) und erklärte den neuen Sachbescheid mit Beschluss für gegenstandslos (BFG 31. 3. 2015, RV/7101860/2009). Gegen diese beiden Entscheidungen des BFG erhob das FA anschließend Amtsrevision. Neben der Frage, ob die Wiederaufnahme im konkreten Fall rechtmäßig war, behandelte die Revision auch die Frage, ob § 42 Abs 3 VwGG derart auszulegen ist, dass, wenn der VwGH der Revision betreffend Wiederaufnahme Folge gibt, die Gegenstandsloserklärung betreffend Einkommensteuer ex lege aus dem Rechtsbestand tritt oder diese Gegenstandsloserklärung mittels Revision bekämpft werden muss.

Entscheidung des VwGH

Die Entscheidung des BFG zur Wiederaufnahme war rechtswidrig und daher aufzuheben. Gem § 42 Abs 3 VwGG tritt durch die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses die Rs in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses bzw Beschlusses befunden hat. Die mit rückwirkender Kraft ausgestattete Gestaltungswirkung eines aufhebenden Erkenntnisses des VwGH hat damit auch zur Folge, dass allen Rechtsakten, die während der Geltung des sodann aufgehobenen Erkenntnisses auf dessen Basis gesetzt wurden, im Nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen wurde. Solche Rechtsakte gelten infolge der Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses des VwGH mit diesem dann als beseitigt, wenn sie mit dem aufgehobenen Erkenntnis des VwGH in einem unlösbaren rechtlichen Zusammenhang stehen (VwGH 17. 2. 2021, Ra 2020/13/0088). Auch zwischen den Entscheidungen des BFG, mit denen zum einen der Wiederaufnahmebescheid der Abgabenbehörde aufgehoben wird und zum anderen die Beschwerde gegen den neuen Sachbescheid als gegenstandslos erklärt wird, besteht ein unlösbarer rechtlicher Zusammenhang. Es ist daher in einer derartigen Konstellation nicht erforderlich, neben der vom BFG ausgesprochenen Aufhebung der Entscheidung über die Wiederaufnahme auch die Gegenstandsloserklärung des BFG betreffend die Beschwerde zum neuen Sachbescheid zu bekämpfen (VwGH 2. 2. 2023, Ra 2021/13/0133).

Wird dennoch auch die Entscheidung über den neuen Sachbescheid bekämpft, so führt diese rückwirkende Beseitigung des neuen Sachbescheides zur Klaglosstellung des Revisionswerbers, sodass die Revision gem § 33 Abs 1 VwGG als gegenstandslos zu erklären ist. Diese rückwirkende Beseitigung tritt aber erst mit Zustellung der Entscheidung des VwGH über den Wiederaufnahmebescheid an die Parteien ein (VwGH 8. 4. 1975, 0839/74). Wird hingegen die Entscheidung betreffend Wiederaufnahme und neuen Sachbescheid vom VwGH nicht zeitlich gestaffelt getroffen, ist anzumerken, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des VwGH über den zweitangefochtenen Beschluss die Entscheidung des VwGH über das erstangefochtene Erkenntnis noch nicht zugestellt und damit noch nicht wirksam ist. Zu diesem für die Prüfung der Sachlage maßgebenden Zeitpunkt ist demnach der zweitangefochtene Beschluss noch als wirksam anzusehen. Daher ist bei der hier vorliegenden gleichzeitigen Beschlussfassung des VwGH auch der zweitangefochtene Beschluss gem § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (VwGH 19. 12. 2012, 2012/15/0047).

Conclusio

Die Entscheidung des VwGH betont die Bedeutung des unlösbaren rechtlichen Zusammenhangs zwischen dem Wiederaufnahmebescheid und dem neuen Sachbescheid. Durch die rückwirkende Gestaltungswirkung der Aufhebung nach § 42 Abs 3 VwGG entfällt daher ex lege die Grundlage für den neuen Sachbescheid, weshalb eine gesonderte Revision gegen dessen Gegenstandsloserklärung nicht erforderlich ist. Dies schafft Klarheit und reduziert die Notwendigkeit paralleler Rechtsmittelverfahren, da ohnehin sichergestellt ist, dass der rechtskonforme Zustand in kohärenter Weise hergestellt wird.

Darüber hinaus unterstreicht der VwGH, dass falls auch gegen den neuen Sachbescheid Revision eingebracht wurde, der Revisionswerber klaglos gestellt werden kann. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn der VwGH bereits in der Revision bezüglich des Wiederaufnahmebescheides entschieden hat und diese Entscheidung zugestellt wurde. Eine gleichzeitige Beschlussfassung bezüglich des Wiederaufnahmebescheides und des neuen Sachbescheides – wie auch im konkreten Fall – führt hingegen dazu, dass auch der Beschluss bezüglich des neuen Sachbescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben ist. Die gegenteilige Rechtsansicht (VwGH 21. 12. 2012, 2010/17/0122) verwirft der VwGH zum seither novellierten Verfahrensrecht explizit.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36379 vom 10.02.2025