Dieser Inhalt ist frei verfügbar. Mit einem Abonnement der ÖStZ erhalten Sie die Zeitschrift in Print und vollen digitalen Zugriff im Web, am Smartphone und Tablet. Mehr erfahren…
Testen Sie
ALLE 13 Zeitschriftenportale
30 Tage lang kostenlos.
Der Zugriff endet nach 30 Tagen automatisch.
BAO: § 284
Abstract
Im vorliegenden Fall hatte der VwGH die in der bisherigen Rechtsprechung offengebliebene Frage zu beantworten, ob ein vom Finanzamt nach Zuständigkeitsübergang infolge einer Säumnisbeschwerde erlassener Bescheid zur Gegenstandslosigkeit des Säumnisbeschwerdeverfahrens führt, obwohl im Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Säumnisbeschwerdeverfahren bereits eine Revision beim VwGH erhoben wurde. Dem VwGH zufolge ist das Säumnisbeschwerdeverfahren in derartigen Fällen einzustellen, auch wenn die Abgabenbehörde zur Erlassung des Abgabenbescheids nicht mehr zuständig war.
VwGH 28. 6. 2023, Ra 2021/13/0037
Sachverhalt
Die Revisionswerberin (Rw) erhob 2018 eine Säumnisbeschwerde an das BFG, weil sie die Entscheidungspflicht des Finanzamts in Bezug auf die Umsatzsteuererklärungen von 2015 und 2016 als verletzt ansah. Nach Einhaltung des vorgesehenen Verfahrensablaufs gem § 284 Abs 2 BAO wies das BFG die Beschwerde nach § 284 Abs 4 mit Erkenntnis ab, da die Entscheidungsverspätung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Finanzamts zurückzuführen gewesen sei. Infolge der dagegen erhobenen Revision hob der VwGH das Erkenntnis des BFG am 4. 12. 2020 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf. Am 27. 9. 2018, als die Revision beim VwGH bereits anhängig war, hatte das Finanzamt die von der Rw eingeforderten Umsatzsteuererklärungen erlassen, weshalb das BFG nach der stattgegebenen Revision die Säumnisbeschwerde für gegenstandslos erklärte und das fortgesetzte Verfahren einstellte. Gegen dieses Erkenntnis des BFG zur Einstellung des Säumnisverfahrens richtet sich nun die gegenständliche Revision.
Entscheidung des BFG
Gemäß der Rsp des VwGH entfaltet die Aufhebung des Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichts durch den VwGH gem § 42 VwGG ex tunc-Wirkung, welche auch allen Rechtsakten die Rechtsgrundlage entzieht, die sich auf das aufgehobene Erkenntnis stützen. Solche Rechtsakte gelten kraft Gestaltungswirkung des VwGH-Erkenntnisses dann als aus dem Rechtsbestand gelöscht, wenn sie mit der aufgehobenen Entscheidung in einem unlösbaren rechtlichen Zusammenhang stehen (vgl VwGH 6. 4. 2022, Ra 2021/13/0139, mwN). Fraglich war nun insb, ob der Bescheid des Finanzamts mit dem aufgehobenen, die Säumnisbeschwerde abweisenden BFG-Erkenntnis in einem solchem unlösbaren, rechtlichen Zusammenhang stand und diesem durch die stattgegebene Revision somit die Rechtsgrundlage entzogen wurde.
Der VwGH verweist auf seine bisherige Rsp, wonach eine Säumnisbeschwerde als gegenstandslos zu erklären ist, wenn der Bescheid, dessen Säumnis bekämpft wurde, erlassen und somit dem Rechtschutzbedürfnis des Bf entsprochen wurde. Dabei ist nicht auf die Rechtmäßigkeit des Bescheids abzustellen, weshalb auch auf die Zuständigkeit der Abgabenbehörde bei der Erlassung des Bescheids nicht näher einzugehen ist (vgl VwGH 16. 12. 2014, Ra 2014/16/0022). Bei einer teleologischen Betrachtung des Säumnisbeschwerdeverfahrens hat dies nicht nur zu gelten, wenn die formelle Zuständigkeit auf das BFG übergegangen ist, sondern auch für jene Fälle, in denen der infrage stehende Bescheid nach Erhebung der Revision bis zur Entscheidung des VwGH erlassen wurde. Der Bescheid des Finanzamts entfaltet demnach auch ohne das die Säumnisbeschwerde abweisende Erkenntnis des BFG Wirkung und steht mit diesem somit in keinem unlösbaren, rechtlichen Zusammenhang, weshalb die gegenständliche Revision als unbegründet abzuweisen war.
Conclusio
Der vorliegende Fall ist als Erweiterung der bisherigen Rsp im Lichte einer teleologischen Auslegung des Säumnisverfahrens zu sehen. Wie bereits dem VwGH-Erk vom 16. 12. 2014, Ra 2014/16/0022, zu entnehmen ist, sieht der Gerichtshof den Zweck der Säumnisbeschwerde als erfüllt an, wenn die Durchsetzung der Entscheidungspflicht gem § 291 BAO dadurch erfüllt wird, dass der Bescheid – trotz Zuständigkeitsübergangs – von der Behörde erlassen wird. Auch der Umstand, dass im vorliegenden Fall der Bescheid erst nach Erhebung einer Revision erlassen wurde, vermag daran nichts zu ändern. Gegen den die Säumnis beseitigenden Bescheid der Abgabenbehörde kann in weiterer Folge mit eigener Bescheidbeschwerde gem §§ 243 ff BAO vorgegangen werden, wenn eine Rechtswidrigkeit geltend gemacht werden soll. Dass das Säumigkeitsbeschwerdeverfahren trotz Zuständigkeitsübergang auf das BFG im Falle eines „nachträglichen“ Bescheides der Behörde einzustellen ist, stößt in der Literatur aus systematischen Überlegungen auch auf Kritik (vgl Rzeszut in Rzeszut/Tanzer/Unger (Hrsg), BAO2.06 § 284 BAO Rz 19), wurde jedoch durch das 2. AbgÄG 2014 gesetzlich klargestellt (vgl § 284 Abs 2 letzter Satz BAO). Wiewohl das Übergehen der Zuständigkeitssystematik nicht von der Hand zu weisen ist, bietet die Rsp des VwGH eine dem Telos der Säumnisbeschwerde angemessene Lösung, welche auch verfahrensökonomischen Erwägungen gerecht wird.