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VwGH bestätigt: Hauptwohnsitzbefreiung nur für Grund und Boden bis 1.000 m2

Bearbeiter: Michael Gleiss

EStG 1988: § 30 Abs 2 Z 1

Abstract

Der VwGH hatte über eine ordentliche Revision zu entscheiden. Fraglich war, ob – wie vom BFG angenommen – die Hauptwohnsitzbefreiung nach § 30 Abs 2 Z 1 EStG 1988 Grundstücke nur bis zu einer Größe von 1.000 m2 von der Einkommensteuer befreit. Der VwGH bestätigte die Rechtsansicht des BFG und berief sich dabei insb auf die Materialien zur Stammfassung des EStG 1988, wonach nur der „typischerweise“ erforderliche Bauplatz von der Befreiung mitumfasst ist. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer typisierenden Betrachtung. Gegen die Annahme, die Grenze bei einer Fläche von 1.000 m2 zu setzen, hegte der Gerichtshof keine Bedenken.

VwGH 24. 4. 2024, Ro 2022/15/0020

(in der am selben Tag ergangenen Entscheidung VwGH 24. 4. 2024, Ro 2022/15/0044 wird hinsichtlich der Rechtsfrage „Hauptwohnsitzbefreiung nur bis 1.000 m2?“ auf die erstgenannte Entscheidung verwiesen).

Sachverhalt

Der Revisionswerber (Rw) und seine Ehefrau verkauften im Jahr 2013 ein Grundstück. Auf der Liegenschaft befand sich ein als Hauptwohnsitz genutztes Gebäude, die Gesamtgrundstücksgröße betrug 3.637 m2. Gemeinsam mit dem genannten Grundstück wurde auch eine angrenzende Liegenschaft verkauft. Im Rahmen der Selbstberechnung und Abfuhr der Immo-ESt wurde der auf das Gebäude und den Grund und Boden des erstgenannten Grundstücks entfallende Kaufpreisanteil gem § 30 Abs 2 Z 1 lit a EStG 1988 (Hauptwohnsitzbefreiung) steuerfrei belassen.

Infolge einer Außenprüfung beim Rw folgte das Finanzamt (FA) der Beurteilung des Rw nicht und hob den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013 gem § 299 BAO auf. In weiterer Folge wurde der Grund und Boden lediglich im Ausmaß von 1.000 m2 im Rahmen der Steuerbefreiung berücksichtigt. Der dagegen erhobenen Beschwerde gab weder das FA im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung noch das BFG infolge des Vorlageantrags Folge. Das Abstellen auf eine Grundfläche von 1.000 m2 erachtete das BFG als praktikabel und ausreichend. Das BFG führte aus, der VwGH habe in der Entscheidung VwGH 29. 3. 2017, Ro 2015/15/0025 zwar ausgesprochen, dass die Befreiung nach § 30 Abs 2 Z 1 EStG 1988 Grund und Boden nur in dem Ausmaß dem begünstigten Eigenheim zuordnet, das üblicherweise für einen Bauplatz erforderlich ist. Die Revision ließ das BFG daher mit dem Hinweis zu, es fehle Rsp des VwGH zur Frage, ob die üblicherweise erforderliche Größe eines Bauplatzes im Rahmen einer typisierenden Betrachtung zu treffen sei oder die Verhältnisse vor Ort zu berücksichtigen sind. Der Rw erhob Revision.

Entscheidung des VwGH

Der VwGH befand die Revision für zulässig, jedoch nicht für begründet.

§ 30 Abs 2 EStG 1988 befreit Einkünfte aus der Veräußerung von Eigenheim und Eigentumswohnungen samt Grund und Boden unter bestimmten Voraussetzungen von der Besteuerung. Aus den Erläuterungen zur Stammfassung des § 30 EStG 1988 (ErläutRV 621 BlgNR 17. GP 82) geht hervor, dass die Steuerbefreiung auch für den „Grundanteil bzw. den Grund gelte, der üblicherweise als Bauplatz erforderlich ist“. Daraus leitete der Gerichtshof im Erkenntnis VwGH 29. 3. 2017, Ro 2015/15/0025 ab, dass der Hauptwohnsitzbefreiung in Bezug auf Grund und Boden eine größenmäßige Beschränkung zu entnehmen ist. Die Notwendigkeit der Limitierung ergibt sich auch aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip, wodurch ein Beitrag zur Gleichmäßigkeit der Besteuerung geleistet werden soll.

§ 30 Abs 2 Z 1 EStG 1988 ist so auszulegen, dass Grund und Boden im üblicherweise als Bauplatz erforderlichen Ausmaß begünstigt ist. Nicht entscheidend ist demnach die Lage und die Bebauung des konkreten Grundstücks. Vielmehr ist – wie vom BFG zutreffend erkannt – eine typisierende Betrachtung geboten, die sich unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung an Durchschnittswerten zu orientieren hat.

Im Geltungsbereich des EStG 1972 hat die frühere Verwaltungspraxis eine Bauplatzgröße von 500 m2 als angemessen angesehen. Dies erfolgte in Anlehnung an die Rsp des VwGH zur Arbeiterwohnstätte. Nachdem die Nutzflächenbegrenzung bei Eigenheimen und Eigentumswohnungen weggefallen war (ErläutRV 457 BlgNR 15. GP 20), wurde das Ausmaß einer „generell üblichen Bauparzelle“ mit 1.000 m2 angenommen. Nach Ansicht des VwGH ist ein Bauplatz in diesem Ausmaß typischerweise als ausreichend anzusehen, zumal Grund und Boden begrenzt sind und Bauplätze mit zunehmender Bebauung tendenziell kleiner werden.

FA und BFG gingen davon aus, dass dem Rw die Steuerbefreiung nach § 30 Abs 2 Z 1 EStG 1988 bis zu einer Grundstückfläche von 1.000 m2 zusteht. Dass der Rw dadurch in seinen Rechten verletzt wird, ist für den VwGH nicht erkennbar und wird in der Revision auch nicht nachvollziehbar dargetan. Die Revision ist daher unbegründet, weshalb sie gem § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.

Conclusio

Der VwGH präzisiert mit der vorliegenden Entscheidung seine Rsp, wonach die Hauptwohnsitzbefreiung nach § 30 Abs 2 Z 1 EStG 1988 nicht für beliebig große Grundstücke gilt, sondern nur, sofern die Grundstücksgröße „üblicherweise“ erforderlich ist. § 30 Abs 2 Z 1 EStG 1988 ist seit dem 1. StabG 2012 (BGBl I 2012/22) unverändert. Nach den zugehörigen Materialien soll der Veräußerungserlös ungeschmälert zur Schaffung eines neuen Wohnsitzes zur Verfügung stehen (ErläutRV 1680 BlgNR 24. GP 8, siehe dazu auch Hubmann, LexisNexis Rechtsnews 32775 vom 7. 7. 2022, lexis360.at). Mit diesem Ziel steht die vorliegende Entscheidung wohl in einem Widerspruch. Demgegenüber hat der VwGH die Materialien (ErläutRV 621 BlgNR 17. GP) zur Stammfassung des § 30 EStG 1988 (BGBl 1988/400) herangezogen, weil die Hauptwohnsitzbefreiung idF 1. StabG 2012 „wie bisher Eigenheime und Eigentumswohnungen samt Grund und Boden“ befreien soll. Da sich in den Materialien die ausdrückliche Aussage findet, nur der „üblicherweise“ erforderliche Grundanteil sei zu befreien, scheint eine typisierende Betrachtung dem Willen des Gesetzgebers zu entsprechen. Die „Luxustangente für Grundstücke“ bei 1.000 m2 zu ziehen, ist wohl als praktikable Lösung anzusehen. Gleichzeitig kann eine typisierende Betrachtung freilich auch zu Wertungswidersprüchen im Einzelfall führen: Dass bspw der Veräußerungserlös eines 1.200 m2 Grundstücks im Waldviertel nicht zur Gänze befreit ist, ein 900 m2 Grundstück in Döbling (mit einem erwartbar viel höheren Veräußerungserlös) jedoch schon, lässt sich mit dem vom VwGH ebenso thematisierten Leistungsfähigkeitsprinzip wohl nur schwer in Einklang bringen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35640 vom 09.07.2024