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VwGH: Besteuerung von Abfindungszahlungen eines in Österreich ansässigen Dienstnehmers aus deutschen Arbeitsverhältnissen

Bearbeiter: Matthias Zaman

DBA Deutschland 2002 (idF DBA-D): Art 15 Abs 1

EStG 1988: § 1 Abs 2, § 25

Abstract

Anlässlich von Abfindungszahlungen, die einem österreichischen Arbeitnehmer aus deutschen Arbeitsverhältnissen zugeflossen sind, hatte sich der VwGH mit der Rückfallklausel des Art 15 Abs 4 DBA-D auseinanderzusetzen. Nach den Ausführungen des VwGH sind für die Beurteilung der Anwendbarkeit der Rückfallklausel Feststellungen erforderlich, ob die Abfindungszahlungen in Deutschland erklärt und von der deutschen Abgabenbehörde dennoch nicht besteuert worden sind. Mangels dahin gehender Feststellungen hat der VwGH das Erkenntnis aufgehoben.

VwGH 23. 10. 2024, Ra 2022/15/0076

Sachverhalt

Der Mitbeteiligte war bei einem international tätigen Konzern beschäftigt. Bis Jänner 2019 war der Mitbeteiligte in Deutschland ansässig, bevor er Anfang Februar 2019 seinen Wohnsitz nach Österreich verlegte. Im Jahr 2019 unterhielt der Mitbeteiligte parallel Dienstverhältnisse zu zwei deutschen Unternehmen des Konzerns. Die Dienstverhältnisse wurden von beiden Arbeitgebern im Juni 2019 aufgekündigt. Die Aufkündigungen wurden vom Mitbeteiligten gerichtlich bekämpft, wobei das Klagebegehren auf Fortsetzung der Arbeitsverhältnisse gerichtet war. Das vor einem Arbeitsgericht in Deutschland geführte Verfahren wurde im August 2019 durch einen gerichtlichen Vergleich beendet. Der Vergleich verpflichtete die Arbeitgeber, eine Abfindung gem §§ 9 und 10 dKSchG (deutsches Kündigungsschutzgesetz) iHv 500.000 € und eine Kündigungsentschädigung iHv 69.371,25 € an den Mitbeteiligten zu leisten.

Der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 legte der Mitbeteiligte eine Lohnbescheinigung bei, nach der er von den deutschen Arbeitgebern im Zeitraum bis November 2019 laufende Monatslöhne iHv insgesamt 138.742,60 €, eine Kündigungsentschädigung iHv 69.371,25 €, eine Abfindung nach den Bestimmungen des §§ 9 und 10 dKSchG iHv 500.000 € und Mitarbeiterboni iHv 3.812,02 € erhalten habe. In einer weiteren Beilage zur Erklärung legte der Mitbeteiligte dar, der in der Lohnbescheinigung ausgewiesene Abfindungsbetrag iHv 500.000 € resultiere teilweise aus einer gesetzlichen Verpflichtung und gehe teilweise über diese hinaus. Für den § 10 dKSchG unterliegenden Teil von 208.113,75 € begehrte der Mitbeteiligte in Analogie zum Abfertigungsanspruch nach dem österreichischen Angestelltengesetz eine Versteuerung mit dem festen Steuersatz von 6 % gem § 67 Abs 3 EStG.

Das Finanzamt (FA) erließ zunächst einen Einkommenssteuerbescheid, in dem es die gesetzliche Abfindung iHv 208.113,75 € nicht erfasste. Dagegen erhob der Mitbeteiligte Beschwerde und beantragte die antragsgemäße Besteuerung der Abfindung nach § 67 Abs 3 EStG. Das FA setzte daraufhin zwar Einkommenssteuer für den gesetzlichen Teil der Abfindung fest, verweigerte jedoch die Anwendung der begünstigten Besteuerung nach § 67 Abs 3 EStG. Daraufhin stellte der Mitbeteiligte einen Antrag auf Vorlage vor dem BFG.

Das BFG gab der Beschwerde hinsichtlich der begünstigten Besteuerung der Abfindung zur Gänze statt und ließ – trotz der Höchstbeträge des § 23 AnG – die begünstigte Besteuerung für die gesamten 15 Monatsgehälter zu. Auch im Ausland tätige Arbeitnehmer hätten Anspruch auf die Begünstigungen des § 67 EStG, wenn Österreich das Besteuerungsrecht zustehe. Der Vergleich bescheinige, dass die Abfindungszahlungen die Voraussetzungen für eine begünstigte Abfertigung erfüllten. Dies ergebe sich nach dem BFG bereits aus dem Verweis auf die Bestimmungen der §§ 9 und 10 dKSchG.

Gegen dieses Erkenntnis erhob das FA Amtsrevision. Das FA machte zur Zulässigkeit dieser insb geltend, dass das BFG die aufgrund der §§ 9 und 10 dKSchG ausbezahlte Abfindung zu Unrecht einer gesetzlichen Abfertigung iSd § 67 Abs 3 EStG gleichgestellt habe. Zudem ist das BFG nicht auf die Festlegung der (maximalen) Höhe der Abfertigung gem § 23 AngG, den Status der deutschen Abfindung als gerichtliche Vergleichssumme und das Erfordernis einer Klage auf Wiedereinstellung zur Erlangung dieser Abfindung eingegangen. Zur Entsprechung der Bestimmungen des § 67 Abs 3 EStG mit jenen der §§ 9 und 10 dKSchG liege auch keine Rsp des VwGH vor. Der VwGH ließ die Revision zu.

Entscheidung des VwGH

Gem § 1 Abs 2 EStG war der Mitbeteiligte im Streitjahr aufgrund seines inländischen Wohnsitzes in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Daher sind die zugeflossenen Zahlungen in Österreich gem § 25 Abs 1 Z 1 lit a EStG als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit steuerpflichtig.

Die Steuerpflicht nach dem innerstaatlichen Recht unterliegt der Beschränkung durch Doppelbesteuerungsabkommen. Nach Art 15 Abs 1 DBA-D dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbstständiger Arbeit bezieht, nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Für Zahlungen aus einem Dienstverhältnis ist nach der Rsp des VwGH das Kausalitätsprinzip anzuwenden (siehe VwGH 23. 2. 2017, Ro 2014/15/0050). Aufgrund des besonderen Veranlassungszusammenhangs zwischen der Abfindungszahlung und der in Deutschland ausgeübten Tätigkeit steht das Besteuerungsrecht Deutschland zu. Jedoch gilt nach Art 15 Abs 4 DBA-D, dass die Arbeit nur dann als im anderen Vertragsstaat ausgeübt gilt, wenn die Vergütungen in Übereinstimmung mit diesem Abkommen im anderen Vertragsstaat besteuert worden sind („Rückfallklausel“).

Im angefochtenen Erkenntnis geht das BFG von einem Besteuerungsrecht Österreichs an den Abfindungszahlungen aus. Jedoch fehlen dem VwGH zufolge im BFG-Erkenntnis auch Feststellungen dazu, ob die Abfindungszahlungen in Deutschland erklärt und von der deutschen Abgabenbehörde dennoch nicht besteuert worden sind. Der VwGH kann daher nicht beurteilen, ob ein Anwendungsfall des Art 15 Abs 4 DBA-D vorliegt oder nicht. Mangels Feststellungen zum Besteuerungsrecht Österreichs ist das Erkenntnis des BFG inhaltlich rechtswidrig.

Zudem belastet das BFG seine Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, indem es für die Abfindung nach den §§ 9 und 10 dKSchG die begünstigte Besteuerung von 15 Monatsgehältern zuerkannt hat. Nach dem VwGH stünde – unabhängig davon, ob die deutsche Abfindung mit einer Abfertigung nach dem AngG vergleichbar wäre – dem Revisionswerber nach 22 Dienstjahren gem § 23 AnG nur das Neunfache des monatlichen Entgelts zu. Der VwGH hat daher das Erkenntnis des BFG aufgrund inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

Conclusio

In der vorliegenden Entscheidung setzt sich der VwGH nur punktuell mit dem inhaltlichen Vorbringen der Amtsrevision des FA auseinander. Der VwGH stellt fest, dass auch die Höhe der begünstigten Besteuerung ausländischer Abfindungen gem § 67 Abs 3 EStG von § 23 AnG beschränkt werden. Allerdings lässt dieser offen, ob die Abfindung nach dem dKSchG tatsächlich mit einer Abfertigung gem § 23 AnG vergleichbar ist und damit der ermäßigte Steuersatz erst anwendbar wäre (weiterführend auch zu den Erfordernissen des Unionsrechts Zorn, VwGH: Besteuerung der Abfindungszahlung aus einem deutschen Dienstverhältnis, RdW 2024, 852 [853]).

Näher behandelt der VwGH die Vorfrage zur begünstigten Besteuerung nach § 67 Abs 3 EStG, nämlich das Bestehen eines Besteuerungsrechts Österreichs an der Abfindungszahlung. Der VwGH führt aus, dass mangels Feststellungen des BFG nicht abschließend beurteilt werden kann, ob Österreich ein Besteuerungsrecht an den Abfertigungen zusteht. Das BFG hat nicht dargelegt, dass die Abfindungszahlungen in Deutschland erklärt und von der deutschen Abgabenbehörde dennoch nicht besteuert worden sind (siehe dazu VwGH 23. 2. 2017, Ro 2014/15/0050, Rz 35). Damit war das Erkenntnis des BFG aufgrund inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Vor dem Hintergrund dieser beiden Entscheidungen scheint der VwGH bei der Anwendung der Rückfallklausel des Art 15 Abs 4 DBA D darauf abzustellen, ob die deutschen Behörden Kenntnis von den Einkünften und dem Steueranspruch hatten. Nur wenn die deutschen Behörden sowohl Kenntnis von den Einkünften als auch vom Steueranspruch hatten und dennoch keine Besteuerung der Einkünfte vorgenommen wurde, kann das Besteuerungsrecht an Österreich zurückfallen (vgl zum älteren Erkenntnis des VwGH 23. 2. 2017, Ro 2014/15/0050, Miladinovic/Ramharter, VwGH zur Besteuerung einer Abfindungszahlung aus einem deutschen Dienstverhältnis nach dem Zuzug nach Österreich, ÖStZ 2017, 647 [650]; weiterführend zum hier besprochenen Erkenntnis erneut Zorn, RdW 2024, 852 [853]).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36404 vom 17.02.2025