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VwGH & BFG: Der nächste Akt zur horizontalen Unternehmensgruppe

Bearbeiter: Christian Knotzer

KStG 1988: § 9 Abs 3, Abs 6 und Abs 8

BAO: § 281

VwGG: § 42

Abstract

Unter Verweis auf unionsrechtliche Bedenken ließ das BFG in einem Erkenntnis vom März 2022 einen horizontalen Ergebnisausgleich von inländischen Gesellschaften mit gemeinsamer ausländischer Muttergesellschaft (ohne Zweigniederlassung im Inland) zu. Die Muttergesellschaft sollte als Referenzobjekt zur Teilnahme an der Gruppe fungieren, an der Ergebnisverrechnung selbst aber nicht partizipieren. Nach ordentlicher Amtsrevision hob der VwGH das BFG-Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf: Das BFG stellte das Erkenntnis nämlich nur der ausländischen Muttergesellschaft, nicht jedoch den inländischen Tochtergesellschaften zu. Im fortgesetzten Verfahren fasste das BFG nun ein nahezu wortgleiches Erkenntnis und stellte es diesmal auch allen betroffenen Gesellschaften zu.

VwGH 1. 3. 2023, Ro 2022/13/0015

BFG 31. 3. 2023, RV/7100758/2023

Sachverhalt

Die BB GmbH ist eine in Deutschland ansässige Gesellschaft, für die in Österreich keine unbeschränkte Steuerpflicht besteht. Sie verfügt auch über keine Zweigniederlassung in Österreich und hält Beteiligungen an zwei in Österreich unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften: Zum einen hält sie 99,80 % des Stammkapitals und der Stimmrechte an der B GmbH. Zum anderen hält sie 100 % des Stammkapitals und der Stimmrechte an der BE GmbH. Im Dezember 2017 beantragte die BB GmbH die Feststellung einer Unternehmensgruppe gem § 9 Abs 8 KStG. Sie selbst sollte als Gruppenträger und die B GmbH sowie die BE GmbH als Gruppenmitglieder fungieren. Das Finanzamt wies den Antrag im Juni 2019 ab, da die BB GmbH über keine inländische Zweigniederlassung iSd § 9 Abs 3 TS 4 KStG verfüge und daher nicht als Gruppenträger fungieren könne. Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl die BB GmbH als auch die B GmbH sowie die BE GmbH gleichlautende Beschwerden, mit denen sich – nach abweisender Beschwerdevorentscheidung im Juli 2020 und nach Vorlageantrag – das BFG auseinanderzusetzen hatte. In einer mündlichen Verhandlung vor dem BFG wurde erörtert, dass (nun) eine horizontale Verlustverrechnung zwischen den beiden inländischen Gesellschaften angestrebt werde.

Das BFG gab der Beschwerde der BB GmbH – unter Verweis auf unionsrechtliche Bedenken gegen die geltende Rechtslage – Folge (BFG 31. 3. 2022, RV/7104573/2020; s bereits Elbl, ÖStZ Rechtsnews 32631 und ausf Knotzer/Lawson, Die horizontale Unternehmensgruppe im Spannungsverhältnis zwischen nationaler Rechtsgrundlage und Niederlassungsfreiheit, ecolex 2022, 650 ff). Das BFG ließ den beabsichtigten Ausgleich der Ergebnisse der B GmbH und BE GmbH zu, wobei der B GmbH antragsgemäß die steuerliche Funktion des Gruppenträgers zukommen sollte. Die Funktion der BB GmbH sollte sich auf jene eines Referenzobjekts für die inländische horizontale Ergebniszurechnung beschränken. Das BFG ließ die ordentliche Revision zu, die das Finanzamt auch erhob.

Entscheidung des VwGH und (anschließend) Erkenntnis des BFG

Der VwGH hob das BFG-Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf.

Nach § 281 Abs 1 BAO können im Beschwerdeverfahren nur einheitliche Entscheidungen getroffen werden. Sie wirken für und gegen die gleichen Personen wie der angefochtene Bescheid. Der Gruppenfeststellungsbescheid gem § 9 Abs 8 KStG ist ein Grundlagenbescheid für die folgenden Körperschaftsteuerverfahren. Dieser entfaltet Bindungswirkung für die Fragen, ob eine Gruppe besteht und welche Gesellschaften in welchem Zeitraum Gruppenmitglieder sind (Verweis auf VwGH 3. 3. 2022, Ro 2020/15/0014). Voraussetzung für die Bindungswirkung ist jedoch, dass der Bescheid auch an die betroffenen Gesellschaften ergangen ist (Verweis auf VwGH 26. 11. 2015, 2012/15/0097).

Der den Gruppenantrag abweisende Bescheid des Finanzamts vom Juni 2019 sowie die Beschwerdevorentscheidung vom Juli 2020 waren jeweils an die BB GmbH, die B GmbH und die BE GmbH ergangen. Das Erkenntnis des BFG erging in der Beschwerdesache hingegen nur an die BB GmbH. Es erwies sich somit als rechtswidrig, da es nicht einheitlich an alle betroffenen Gesellschaften (Gruppenträger und Gruppenmitglieder) ergangen war (Verweis auf VwGH 24. 6. 2010, 2007/15/0284).

Durch die Aufhebung des BFG-Erkenntnisses trat die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des BFG-Erkenntnisses befand (§ 42 Abs 2 iVm Abs 3 VwGG). Daher hatte das BFG erneut über die Beschwerden zu entscheiden.

Im fortgesetzten Verfahren stellte das BFG ein – zum größten Teil wortgleiches – Erkenntnis zu, diesmal sowohl der BB GmbH als auch den beiden inländischen Gesellschaften (B GmbH und BE GmbH). Zusätzlich wies das BFG lediglich „klarstellend“ darauf hin, dass die B GmbH, (die nach Ansicht des BFG die steuerliche Funktion des Gruppenträgers übernimmt) über keine Vor- und Außergruppenverluste gem § 9 Abs 6 Z 4 KStG verfüge und eine Befassung mit diesem Aspekt daher gegenständlich unterbleiben könne.

Conclusio

Der VwGH hob das erste Erkenntnis des BFG auf, da dieses nur der BB GmbH, nicht jedoch den beiden inländischen Gesellschaften zugestellt worden war. Zwar hatten alle drei Gesellschaften denselben (inländischen) steuerlichen Vertreter, doch wurde das Erkenntnis neben dem Finanzamt nur der (deutschen) BB GmbH zugestellt (s Ehgartner, Gruppenbesteuerung, BFGjournal 2023, 5). Im fortgesetzten Verfahren erließ das BFG nun ein größtenteils identes Erkenntnis und stellte dieses auch allen drei Gesellschaften zu. Zusätzlich wies das BFG „klarstellend“ darauf hin, dass der intendierte „Schwestern-Gruppenträger“ (B GmbH) über keine Vor- und Außergruppenverluste iSd § 9 Abs 6 Z 4 KStG verfüge. Daher befasste sich das Gericht auch nicht mit der Frage der Verrechenbarkeit solcher Verluste im Rahmen eines horizontalen Verlustausgleichs, die nur auf der Ebene des Gruppenträgers (und nicht auf der Ebene von Gruppenmitgliedern) möglich ist. Im Ergebnis bleibt damit auch die Frage offen, nach welchen Vorschriften das Ergebnis des „Schwestern-Gruppenträgers“ zu ermitteln ist (s Knotzer/Lawson, ecolex 2022, 650 [654 f]). Das Finanzamt erhob auch gegen das nunmehrige BFG-Erkenntnis (ordentliche) Revision. Es bleibt also mit Spannung abzuwarten, wie der VwGH die Frage der Zulässigkeit des beantragten horizontalen Ergebnisausgleiches bewerten wird.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34160 vom 20.06.2023