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VwGH: Bilanzberichtigung mit allfälligen Gewinnabschlägen bei Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt

Bearbeiter: Martin Klokar

EStG 1988: § 4 Abs 2 Z 2

Abstract

Der VwGH hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem der Anwendungsbereich der Bilanzberichtigung gem § 4 Abs 2 Z 2 EStG iZm einer unterlassenen jährlichen AfA strittig war. Der Steuerpflichtige hatte vergessen, die Herstellungskosten zweier Häuser in das Anlageverzeichnis aufzunehmen und die AfA davon anzusetzen. Nach Bekanntwerden dieses Fehlers holte der Steuerpflichtige den AfA-Abzug gesammelt nach. Nach dem VwGH liegt die iZm einer Bilanzberichtigung erfolgende Vornahme von Zu- oder Abschlägen zur Erreichung des richtigen Totalgewinns im Ermessen der Behörde oder des Verwaltungsgerichts. Ist jedoch eine Bilanzberichtigung für verjährte Jahre auf besondere Sorglosigkeit bei der Bilanzierung zurückzuführen, wird dies den Abschlägen nach § 4 Abs 2 Z 2 EStG entgegenstehen.

VwGH 29. 9. 2022, Ro 2022/15/0011

Sachverhalt

Die Revisionswerberin (Rw) war gemeinsam mit einer weiteren Person zu jeweils 50 % an einer Vermietungsgemeinschaft beteiligt, die aus der Vermietung von mehreren Häusern Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung erzielte. Die Vermietungsgemeinschaft hatte 1998 zwei Wohngebäude um rund € 500.000,– errichtet. Diese Herstellungskosten waren jedoch von der damaligen steuerlichen Vertretung sowie einer selbständigen Buchhalterin versehentlich nicht in das „Anlageverzeichnis“ aufgenommen worden. Es wurde ab Beginn der Vermietung dieser Gebäude im Jahr 1999 daher keine AfA iSd § 16 Abs 1 Z 8 EStG, die rund € 7.600,– pa betragen hat (1,5 % der Herstellungskosten), in den Feststellungserklärungen ab 1999 betreffend die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung geltend gemacht.

Nachdem dem nunmehrigen steuerlichen Vertreter dieser Fehler im Jahr 2016 aufgefallen war, stellte dieser für das Jahr 2011 den Antrag gem § 28 Abs 7 EStG iVm § 4 Abs 2 Z 2 EStG, die bisher versehentlich unterlassene AfA der Jahre 2003 bis 2010 im Jahr 2011 gesammelt vom Einkommen der Miteigentümer abzuziehen. Das Finanzamt entsprach nicht dem Antrag. Das BFG wies die daraufhin eingelegte Beschwerde ab, worauf Revision erhoben wurde. Strittig war, ob auch eine unterlassene jährliche AfA einen vom Anwendungsbereich der Bilanzberichtigung (§ 4 Abs 2 Z 2 EStG) umfassten Fehler darstelle.

Entscheidung des VwGH

Der VwGH hob die Entscheidung des BFG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts mit der folgenden Begründung auf:

Der Zu- und Abschlagsmechanismus nach § 4 Abs 2 Z 2 EStG setzt voraus, dass „ein Fehler nur auf Grund der bereits eingetretenen Verjährung nicht mehr steuerwirksam berichtigt werden“ darf. Dies erfordert laut VwGH – bei grundsätzlicher Bejahung einer Berichtigungsfähigkeit eines Fehlers im Rechenwerk – daher weitere Überlegungen des BFG dahingehend, ob unter Ausblendung der Verjährungsfrage überhaupt ein Verfahrenstitel für die Fehlerkorrektur zur Verfügung gestanden wäre. Dem VwGH zufolge wäre im gegenständlichen Fall die auf die Rw entfallende AfA bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Jahre 2005 bis 2010 für die Vermietungsgemeinschaft anzusetzen und sodann in den Feststellungsbescheiden nach § 188 BAO für die Jahre 2005 bis 2010 zu berücksichtigen gewesen. Die Höhe der im Feststellungsbescheid ausgewiesenen Einkünfte ist gem § 192 BAO für das Einkommensteuerverfahren verbindlich. Von allfälligen Zu- und Abschlägen nach § 4 Abs 2 Z 2 EStG abgesehen, dürfen im Einkommensteuerbescheid die Einkünfte nicht in einer vom für die betreffende Einkunftsquelle ergangenen Feststellungsbescheid abweichenden Höhe angesetzt werden.

Geht es also bei Anwendung des § 4 Abs 2 Z 2 EStG um den Verfahrenstitel, der es grundsätzlich ermöglichen würde, den fehlerhaften Bescheid in Durchbrechung der Rechtskraft zu korrigieren, der aber nur wegen der eingetretenen Bemessungsverjährung nicht zur Berichtigung der ursprünglichen Steuervorschreibung führen kann, so ist laut VwGH für den gegenständlichen Fall zu beachten, dass die Verjährung zwar in Bezug auf die Einkommensteuer(verfahren) der Rw – jeweils für die Jahre 2005 bis 2010 – zu prüfen ist, der in Rede stehende Verfahrenstitel aber in Bezug auf das Verfahren betreffend die Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach § 188 BAO. Für den revisionsgegenständlichen Fall eines aus mangelnder Sorgfalt unterlassenen Ansatzes eines Anlagegutes im Anlageverzeichnisses und der damit einhergehenden unterlassenen Geltendmachung der AfA ist allerdings zu beachten, dass dieser Umstand für die Rw grundsätzlich keinen Wiederaufnahmeanspruch bedeutet. Tatsachen, die der Rw schon immer bekannt gewesen sind (wie hier das Vorhandensein weiterer Gebäude), deren steuerliche Berücksichtigung sie aber unterlassen hat, eröffnen ihr daher keinen Antrag auf Wiederaufnahme. Die Kenntnis eines Rechtsvertreters ist dabei der antragstellenden Person zuzurechnen. Geht es um den Wiederaufnahmeantrag einer Personenvereinigung (Vermietungsgemeinschaft) betreffend das Feststellungsverfahren ist auch der Kenntnisstand des Vertreters der Personenvereinigung einzubeziehen.

Nach der Rechtsprechung des VwGH liegt die iZm einer Bilanzberichtigung erfolgende Vornahme von Zu- oder Abschlägen zur Erreichung des richtigen Totalgewinnes im Ermessen der Behörde bzw des Verwaltungsgerichts (vgl § 4 Abs 2 Z 2 EStG TS 1: „Zur Erreichung des richtigen Totalgewinnes kann [...]“; siehe bereits VwGH 24. 10. 2019, Ra 2018/15/0072). Dabei fällt dem VwGH im Revisionsfall auf, dass schon nach dem eigenen Vorbringen der Rw das Unterlassen der jährlichen AfA auf ein besonderes Maß an mangelnder Sorgfalt bei überschaubarem Rechenwerk zurückzuführen sei. Es sei zu bedenken, dass in diesem Fall die AfA von zwei der sechs Gebäude, sohin ca 1/3 der jährlichen Gebäude-AfA, nicht angesetzt worden sei. Die Rw bringt dazu weiters vor, im Rahmen der Erstellung der jährlichen Überschussrechnung könne keine ausreichende Sorgfalt attestiert werden, weil außer den sechs Gebäuden samt Grund und Boden, von denen zwei nicht erfasst worden seien, das Anlagenverzeichnis der Vermietungsgemeinschaft nur, und das in sehr untergeordnetem Ausmaß, aus Betriebs-/Geschäftsausstattung bestehe.

Es ist aber laut VwGH nicht Aufgabe des Zu- und Abschlagsmechanismus nach § 4 Abs 2 EStG, für jedwede Form der Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt bei Erstellung des Rechenwerks Abhilfe zu schaffen. Bei der Ermessensübung sind auch Sorgfaltsverletzungen der Vertreter der Rw zu berücksichtigen. Zudem kann auch darauf Bedacht genommen werden, ob im Jahr 1998 die nicht „aktivierten“ Herstellungskosten unmittelbar einkünftemindernd berücksichtigt worden sind.

Conclusio

Das Einkommensteuerrecht sieht gem § 4 Abs 2 Z 2 EStG eine Berichtigung von Bilanzierungsfehlern an der Wurzel vor, wenn die Vermögensübersicht nicht den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung oder den zwingenden Vorschriften des EStG entspricht (Bilanzberichtigung). Nur dann, wenn die Anpassung der Steuervorschreibung aufgrund der bereits eingetretenen Bemessungsverjährung nicht möglich ist, kommen Zu- und Abschläge zur Erreichung des richtigen Totalgewinns in Betracht (vgl auch dazu Zorn, VwGH zur Bilanzberichtigung mit allfälligen Gewinnabschlägen, RdW 2022, 789 f). Der VwGH präzisiert in dieser Entscheidung einerseits den notwendigen Verfahrenstitel für die verjährten Jahre und andererseits die Ermessensübung beim Zu- und Abschlagssystem im Rahmen der Bilanzberichtigung. Dabei betont der VwGH deutlich, dass die Bestimmung nicht dazu dienen soll, bei besonderer Sorglosigkeit der Bilanzierung „Abhilfe zu schaffen“, was durchaus als Interpretationshilfe des Zu- und Abschlagssystems verstanden werden könnte. Das BFG hat nun zu prüfen, ob es einen Verfahrenstitel für die bereits verjährten Jahre gibt, und – gegebenenfalls – eine entsprechende Ermessensentscheidung zu treffen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33531 vom 16.01.2023