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VwGH: Cannabis-Blüten fallen unter die Tabaksteuerpflicht

Bearbeiter: Kilian Posch

TabStG 2022: § 3 Abs 3 Z 1, § 3 Abs 6

Abstract

Mit dem vorliegenden Fall hat der VwGH erstmals entschieden, dass Cannabis-Blüten, die einen Gehalt an THC (Tetrahydrocannabinol) von unter 0,3 % aufweisen und somit nicht unter das Suchtmittelgesetz fallen, der Tabaksteuer unterliegen. Gem § 3 Abs 6 Tabaksteuergesetz 2022 (TabStG 2022) sind auch Erzeugnisse, die ganz oder teilweise aus anderen Stoffen als Tabak bestehen und die sonstigen Voraussetzungen des Abs 2 oder Abs 3 leg cit erfüllen, tabaksteuerpflichtig. Das Erkenntnis zeigt die Uneinheitlichkeit in der Europäischen Union trotz einheitlicher Vorgaben in Art 2 Abs 2 Tabaksteuer-RL in Bezug auf die Steuerpflicht von Cannabis auf und hat auch außerhalb des Steuerrechts Konsequenzen.

VwGH 21. 11. 2024, Ro 2024/16/0006

Sachverhalt

Die Revisionswerberin (Rw) ist eine GmbH, die im Juni und im Oktober 2018 getrocknete Hanfblüten in das Zollgebiet verbracht hat. Die Blüten waren in kleinen durchsichtigen Kunststoffpäckchen verpackt und wurden zu einem Preis von 7–11 € pro Gramm verkauft. Aufgrund eines THC-Gehalts von unter 0,3 % qualifizierten sie sich unstrittig nicht als Suchtgift nach Anhang I.1.a Suchtgiftverordnung (BGBl II 1997/374). Per Bescheid schrieb das Zollamt im November 2019 ua Tabaksteuer von ca 30.000 € vor und begründete dies damit, dass es sich bei den Blüten um Erzeugnisse gem § 3 Abs 6 TabStG handle, die zur Gänze aus anderen Stoffen als Tabak bestehen und nicht ausschließlich medizinischen Zwecken dienen. Die Tabaksteuer betrage gem § 4 Abs 1 Z 5 TabStG 34 % des Kleinverkaufspreises. Da kein solcher festzustellen sei, wurde vom Zollamt gem § 5 Abs 2 TabStG der vom Fachhändler erzielbare Preis als Berechnungsgrundlage herangezogen. Nach abgewiesener Beschwerde gegen den Bescheid vor dem BFG reichte die Rw ordentliche Revision ein: Die Cannabis-Blüten seien vom Gegenstand des TabStG nicht umfasst, zumal auch der Wortlaut des § 3 Abs 6 TabStG und Art 2 Abs 2 der RL 2011/64/EU (Tabaksteuer-RL) teleologisch auf tabakähnliche Produkte zu reduzieren sei.

Entscheidung des VwGH

Der VwGH stellt zunächst fest, dass als Rauchtabak gem § 3 Abs 6 TabStG auch Erzeugnisse gelten, die ganz oder tw aus anderen Stoffen als Tabak bestehen und die sonstigen Voraussetzungen des Abs 2 oder 3 leg cit erfüllen, sofern sie nicht ausschließlich medizinischen Zwecken dienen. § 3 Abs 2 Z 1 TabStG definiert Rauchtabak ua als geschnittenen oder anders zerkleinerten, gesponnenen oder in Platten gepressten Tabak, der sich ohne weitere industrielle Bearbeitung zum Rauchen eignet. Laut EuGH sind die in der RL 2011/64/EU (Tabaksteuer-RL) nicht legaldefinierten Begriffe „geschnitten“ und „zerkleinert“ in ihrem allgemeinen, ihnen gemeinhin zuerkannten Sinn auszulegen. Die somit weit zu verstehenden Begriffe beinhalten insb das Ergebnis der Abtrennung eines Teils oder eines Stücks mit einem Schneidwerkzeug sowie die Zerkleinerung oder Aufteilung (vgl EuGH 6. 4. 2017, C-638/15Eko-Tabak, ECLI:EU:C:2017:277, Rn 28 f). Auch im gegenständlichen Fall mussten die Hanfblüten von der Pflanze entfernt und die Blüten von Blättern bereinigt werden. Schon im bereits erwähnten EuGH-Urteil wurde im Zusammenhang mit ähnlich bearbeiteten, teilweise entrippten Tabakblättern festgehalten, dass diese unter „anders zerkleinert“ zu subsumieren sind und in Folge auch ohne weitere industrielle Bearbeitung zum Rauchen geeignet sind. Auch bei den Hanfblüten der Rw reicht das Reiben der Blüten zwischen den Fingern oder in einem „Grinder“ aus, um sie in einen rauchbereiten Zustand zu versetzen. Somit erfüllen die getrockneten Hanfblüten alle Tatbestandsmerkmale des § 3 Abs 6 TabStG. Mit Verweis auf das Vorbringen der Rw, der weite Wortlaut des § 3 Abs 6 TabStG sei aus teleologischen Gründen restriktiv auszulegen, stellt der VwGH fest, dass die Besteuerung solcher Hanfprodukte genau den Sinn und Zweck des TabStG erfüllt, das Erzeugnisse der Steuer unterwirft, die zum Rauchen geeignet sind und üblicherweise auch geraucht werden. Aus diesem Grund sieht sich der VwGH auch nicht veranlasst, ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH zur Interpretation des Art 2 Abs 2 Tabaksteuer-RL einzuleiten. Die Revision war demgemäß abzuweisen.

Conclusio

Die Entscheidung des VwGH ist in Anbetracht des klaren Wortlauts von § 3 Abs 6 iVm Abs 3 Z 1 TabStG sowie Art 2 Abs 2 Tabaksteuer-RL und der bereits bestehenden EuGH-Rsp zur Auslegung der Begriffe „geschnitten“ und „zerkleinert“ nachvollziehbar. Trotz der unionsrechtlichen Vorgaben ist die verbrauchsteuerliche Handhabung solcher CBD(Cannabidiol)-haltigen Hanfblüten mit einem geringen THC-Anteil, die laut EuGH nicht unter den Begriff des schädlichen Suchtstoffes fallen, sofern die Erreichung des Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit dies nicht erfordert (vgl das Urteil EuGH 19. 11. 2020, C‑663/18, B S und C A, ECLI:EU:C:2020:938, Rn 72, in dem Hanf mit einem THC-Gehalt von unter 0,2 % als nicht schädlich für die menschliche Gesundheit eingestuft wurde), alles andere als einheitlich. Nach bisher vertretener Ansicht des deutschen Zollamts etwa unterlägen Erzeugnisse aus Cannabis mangels Verkehrsfähigkeit prinzipiell nicht der Tabaksteuer (vgl Tsyganov, THC-haltige Kräuterzigaretten aus Nutzhanfblüten können Tabaksteuer unterliegen, DStRK 2025, 32). In einem aktuellen Urteil, welches vom Zollamt noch vor dem BFH bekämpft wird (BFH VII B 140/24), hält das FG Düsseldorf jedoch fest, dass zumindest Cannabis mit einem THC-Gehalt von 0,05 % nicht zum Missbrauch zu Rauschzwecken verwendet werden kann und somit gem der Art 2 Abs 2 Tabaksteuer-RL nachempfundenen Regelung in § 1 Abs 8 dTabStG tabaksteuerpflichtig ist (FG Düsseldorf 27. 11. 2024, 4 K 584/24 VTa). Neben Österreich wendet auch Luxemburg schon seit 2020 das Tabaksteuergesetz auf Cannabis-Produkte an (siehe Scholtes, Katerstimmung in der Hanfbranche, 20. 5. 2021, https://www.reporter.lu/legales-cannabis-luxemburg-katerstimmung-in-der-hanfbranche/ [abgefragt 18. 3. 2025]). Zusammenfassend ergibt sich die uneinheitliche verbrauchsteuerliche Behandlung von Cannabis somit auch aus den Divergenzen in der Einordnung von Hanf als Suchtgift. Da die Tabaksteuer-RL aber zum Zweck des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes den Steuergegenstand sowie Mindestverbrauchsteuern für alle Kategorien von Tabakwaren verbindlich regelt (vgl auch Summersberger, VwGH: Zur Tabaksteuerpflicht von Cannabis, BFGjournal 2025, 30 [32]) und bereits EuGH-Rsp zur Gesundheitsgefährdung von Cannabis mit geringem THC-Anteil besteht (EuGH 19. 11. 2020, C‑663/18, B S und C A, ECLI:EU:C:2020:938), wäre ein Vorabentscheidungsverfahren durchaus im Interesse der Einheitlichkeit der Auslegung unionsrechtlicher Bestimmungen.

Das VwGH-Erkenntnis hat auch zur Folge, dass die anderen Vorschriften des TabStG, wie etwa die Verpackungspflicht gem § 11 oder die Anmeldung und Selbstberechnung gem § 12, auf Cannabis-Blüten ebenfalls zur Anwendung kommen (vgl auch Summersberger, VwGH: Zur Tabaksteuerpflicht von Cannabis, BFGjournal 2025, 30 [32]). Gem § 207 Abs 2 BAO gilt für Verbrauchsteuern eine Verjährungsfrist von drei Jahren ab Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Eine Festlegung der schon entstandenen Steuerschuld ist in diesem Rahmen also für vergangenen Jahre noch möglich. Darüber hinaus hat das vorliegende Erkenntnis gravierende Folgen außerhalb des Steuerrechts: Da der Anwendungsbereich des Tabakmonopolgesetzes auf den Gegenstand des TabStG abstellt (§ 1 Abs 2 Z 1 Tabakmonopolgesetz), können Hanfblüten nunmehr nur noch von Tabaktrafiken und unter bestimmten Voraussetzungen Gaststätten (siehe § 40 Tabakmonopolgesetz) vertrieben werden. Für CBD-Shops und CBD-Automaten entfällt daher diese Geschäftsmöglichkeit. Allerdings fallen nur zerkleinerte oder geschnittene, zum Rauchen geeignete CBD-Produkte unter die Tabaksteuer und somit auch unter das Tabakmonopol. Hanfpflanzen und nicht zum Rauchen geeignete CBD-Produkte bleiben von der Tabaksteuer und somit auch der Monopolregelung weiterhin unberührt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36622 vom 14.04.2025