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VwGH: Die unendliche Geschichte der abgabenbehördlichen Konteneinschau

Bearbeiter: Michael Hubmann

KontRegG: §§ 8, 9

Abstract

Die Abgabenbehörde ist gem § 8 Abs 1 KontRegG berechtigt, in einem Ermittlungsverfahren über Tatsachen einer Geschäftsverbindung von Kreditinstituten Auskunft zu verlangen. Ein diesbezügliches Auskunftsverlangen muss durch das BFG bewilligt werden. Wie der vorliegende Verfahrensgang zeigt, kann dies ein durchaus langwieriges Unterfangen sein. Der VwGH – der im gegenständlichen Verfahren nun schon zum zweiten Mal behelligt wurde – hatte zu entscheiden, ob ein dem BFG vorgelegtes schriftliches Auskunftsverlangen iSd § 8 KontRegG nur vollumfänglich oder auch teilweise bewilligt werden kann.

VwGH 28. 6. 2023, Ra 2023/13/0036

Sachverhalt

Bereits im Dezember 2020 beantragte das FA die Bewilligung einer Konteneinschau für mehrere Konten des Abgabepflichtigen. Zunächst wurde diese Einschau mit Beschluss des BFG bewilligt (BFG 15. 12. 2020, KE/7100001/2020). Anschließend wurde aber einem vom Abgabepflichtigen dagegen eingelegten Rekurs Folge gegeben (BFG 9. 2. 2021, KR/2100003/2021). Die zwischenzeitlich vom Kreditinstitut bereits erteilten Auskünfte unterlagen hierdurch einem Verwertungsverbot und wurden vernichtet. Das FA beantragte im Dezember 2021 neuerlich die Bewilligung einer Konteneinschau. Diese wurde zunächst vom Einzelrichter bewilligt (BFG 18. 1. 2022, KE/7100001/2022) und anschließend im Rekursverfahren durch den Senat (erneut) mittels zweier Beschlüsse für unzulässig erklärt (BFG 20. 6. 2022, KR/2100001/2022; KR/2100002/2022), denn es könne von einem Kreditinstitut nicht noch einmal eine bereits erteilte Auskunft verlangt werden. Dies gelte auch dann, wenn die erteilte Auskunft wegen unrechtmäßiger Bewilligung zu vernichten war. Der VwGH hob diese Beschlüsse in der Folge auf, denn die tatsächliche Erfüllung des (ersten) Auskunftsverlangens kann aufgrund des Verwertungsverbots der gewonnenen Beweise der Bewilligung eines weiteren Auskunftsverlangens nicht entgegenstehen (VwGH 15. 12. 2022, Ro 2022/13/0031). Das BFG hatte über den – durch die Aufhebung wieder unerledigten – Rekurs erneut abzusprechen und versagte die Konteneinschau abermals (BFG 14. 2. 2023, KR/2100001/2023; KR/2100002/2023). Nach Ansicht des BFG kann ein Auskunftsverlangen nur in vollem Umfang bewilligt werden. Die Auskunftsverlangen waren – aufgrund von Begründungsmängeln in Hinblick auf einen Teil der Konten – aber nicht in vollem Umfang bewilligungsfähig und daher zu Gänze abzulehnen. Dagegen wendete sich die Amtsrevision.

Entscheidung des VwGH

„Sache“ der Entscheidung des Einzelrichters des BFG ist das Begehren auf Bewilligung des Auskunftsverlangens (Konteneinschau) auf Basis ausschließlich der von der Abgabenbehörde vorzulegenden Unterlagen. Auch die Rekursentscheidung des BFG-Senats ist auf diese „Sache“ eingeschränkt (vgl VwGH 15. 12. 2022, Ro 2022/13/003). Das BFG darf daher die Konteneinschau weder in einem größeren Umfang, als von der Abgabenbehörde begehrt, bewilligen, noch darf es anderes als das von der Abgabenbehörde Beantragte bewilligen. Es ergibt sich nach Ansicht des VwGH aus dem Wortlaut des Gesetzes aber nicht, dass das Auskunftsverlangen nur zur Gänze bewilligt werden darf oder zur Gänze die Bewilligung verweigert werden muss. Der VwGH verweist hierbei auf seine Rsp zur vergleichbaren Fragestellung der Beschlagnahme von Unterlagen in Durchbrechung des Bankgeheimnisses in einem Finanzstrafverfahren (vgl VwGH 29. 1. 1991, 90/14/0112). Auch ist nicht erkennbar, dass ein Verbot einer Einschränkung des Auskunftsverlangens durch das BFG der historischen Absicht des Gesetzgebers entsprechen würde; in den Gesetzesmaterialien finden sich dazu keine Hinweise. Eine Einschränkung kann nach Ansicht des VwGH auch nicht als die „Sache des Verfahrens“ überschreitende inhaltliche Änderung des Auskunftsverlangens beurteilt werden, weil die Entscheidung in einem derartigen Fall nicht über den Antrag hinausgeht – es wird damit nämlich nicht mehr oder anderes, sondern weniger als beantragt bewilligt.

Dem Kreditinstitut ist – im Falle einer Bewilligung des Auskunftsverlangens – lediglich der auf das Auskunftsverlangen der Abgabenbehörde bezogene Spruch des Bewilligungsbeschlusses des BFG (des Einzelrichters und allenfalls des Senats) zu übermitteln. Daraus ist für das Kreditinstitut ohne Weiteres erkennbar, ob das Auskunftsverlangen zur Gänze oder nur eingeschränkt bewilligt wurde. Sollte das Kreditinstitut allenfalls irrtümlich über die eingeschränkte Bewilligung hinausgehend Auskunft erteilen, unterliegt diese überschießende Auskunft im Abgabenverfahren gem § 9 Abs 5 KontRegG einem Verwertungsverbot.

Nach der Empfehlung des BFG hat die Abgabenbehörde – sofern sie vermeiden will, dass ein Auskunftsverlangen nicht bewilligt wird, weil es nicht vollumfänglich bewilligungsfähig ist – für jedes Konto ein eigenes Auskunftsverlangen zur Bewilligung zu übermitteln. Dabei wird aber übersehen, dass sich eine gebotene Einschränkung nicht nur auf eines von mehreren Konten beziehen kann, sondern etwa auch auf den Zeitraum, für den eine Konteneinschau beantragt wird. Es wäre aber zweifellos untunlich, von der Abgabenbehörde zu verlangen, für jeden Monat (oder für noch kürzere Zeiträume) gesonderte Auskunftsverlangen zu übermitteln, um eine vollumfängliche Abweisung zu vermeiden. Auch dies spricht dagegen, dass lediglich eine vollumfängliche Bewilligung oder eine gänzliche Abweisung erfolgen dürfe. Die angefochtenen Beschlüsse waren daher im angefochtenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Conclusio

Dieses langwierige Konteneinschau-Bewilligungsverfahren geht mit der vorliegenden Entscheidung in die nächste Runde (vgl zum bisherigen Verfahren Hubmann/Wallig, SWK 2023, 506). Entgegen der Ansicht des BFG wird ein Auskunftsverlangen nicht gänzlich bewilligungsunfähig, nur weil die Begründung teilweise (in Bezug auf einzelne Konten) mangelhaft ist. Es ist dem BFG vielmehr gestattet, ein Auskunftsverlangen auch einzuschränken und nur teilweise zu bewilligen. Das vom BFG befürchtete Szenario, wonach es bei bloß teilweiser Bewilligung dem Kreditinstitut überantwortet werden würde, das Ausmaß der Bewilligung festzustellen (vgl BFG 14. 2. 2023, KR/2100001/2023; KR/2100002/2023), stellt sich nicht: Wie der VwGH überzeugend darlegt, ist das Bewilligungsausmaß nämlich klar im Spruch erkennbar. Das BFG wird nun neuerlich über den – zumindest im Umfang der Aufhebung wieder unerledigten – Rekurs abzusprechen haben. Es bleibt mit Spannung zu erwarten, ob die Rekursentscheidung die Konteneinschau dann endlich bewilligen oder aus einem anderen Grund wiederum ablehnen wird.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34595 vom 06.10.2023