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Abstract
Der VwGH hatte zu beurteilen, ob das Beantragen einer Direktvorlage einer Beschwerde an das BFG gem § 262 Abs 2 BAO einen Einfluss auf den Lauf der in § 284 Abs 1 BAO festgelegten sechsmonatigen Entscheidungsfrist entfaltet. Das BFG ging davon aus, dass die Verpflichtung zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung erst nach dem ungenützten Verstreichen der dreimonatigen Vorlagefrist des § 262 Abs 2 lit b BAO beginnt. Der VwGH verneinte das.
VwGH 3. 9. 2024, Ra 2024/13/0034
Sachverhalt
Die Revisionswerberin (Rw) beantragte in ihrer Beschwerde vom 28. 4. 2023 gem § 262 Abs 2 lit a BAO, dass keine Beschwerdevorentscheidung (BVE) erlassen und die Beschwerde dem BFG unmittelbar vorgelegt werden soll. Das Finanzamt (FA) legte die Beschwerde in der Folge aber nicht binnen der in § 262 Abs 2 lit b BAO vorgesehenen Frist von drei Monaten (und auch danach nicht) dem BFG vor. Am 22. 11. 2023 erhob die Rw daher eine Säumnisbeschwerde gem § 284 BAO. Das BFG wies die Säumnisbeschwerde als unzulässig zurück. Es führte aus, dass § 262 Abs 2 BAO eine Ausnahme von der grundsätzlichen Verpflichtung der Abgabenbehörde, über Bescheidbeschwerden mit BVE abzusprechen, normiert. Wird trotz Antrags nach § 262 Abs 2 lit a BAO die Bescheidbeschwerde nicht innerhalb der Dreimonatsfrist des § 262 Abs 2 lit b BAO vorgelegt, so bestehe die Pflicht zur Erlassung einer BVE, wobei der ungenützte Ablauf dieser Frist die Pflicht der Abgabenbehörde, eine BVE zu erlassen, auslöst. Die Beschwerde vom 28. 4. 2023 wurde per Fax eingebracht und ist an diesem Tag beim FA eingelangt. Die Verpflichtung des FA zur Erlassung einer BVE trat somit erst mit Ablauf des 28. 7. 2023, also drei Monate später ein. Somit war am 22. 11. 2023 die in § 284 BAO vorgesehene Frist von sechs Monaten nach dem Eintritt der Verpflichtung zur Erlassung einer BVE noch nicht verstrichen. Die zu früh gestellte Säumnisbeschwerde war daher zurückzuweisen. Die Revision wurde nicht zugelassen, weil sich aus der Rsp des VwGH ergebe, dass eine verfrüht gestellte Säumnisbeschwerde als unzulässig zurückzuweisen sei. Die ao Revision brachte vor, dass unklar sei, ob § 262 Abs 2 BAO einen Einfluss auf den Lauf der in § 284 Abs 1 BAO festgelegten Entscheidungsfrist entfaltet.
Entscheidung des VwGH
§ 284 Abs 1 BAO sieht vor, dass eine Säumnisbeschwerde erhoben werden kann, wenn einer Partei ein Bescheid der Abgabenbehörde nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen des Anbringens iSd § 97 BAO bekanntgegeben wird. Bei einer Beschwerde handelt es sich um ein solches Anbringen (§ 85 BAO). Eine BVE ist gem § 262 Abs 1 BAO ein Bescheid. Der klare Gesetzeswortlaut des § 284 Abs 1 BAO stellt auf das Einlangen des Anbringens beim FA ab. Mit diesem Einlangen beginnt die Sechsmonatsfrist zu laufen (vgl VwGH 24. 2. 2016, Ra 2015/13/0044). Das BFG ist davon ausgegangen, dass die Verpflichtung der Behörde, eine BVE zu erlassen, in Fällen des § 262 Abs 2 BAO erst mit Ablauf der Dreimonatsfrist für die Vorlage an das BFG zu laufen beginnt. Damit hat es aber die Rechtslage verkannt. Auch wenn es im Fall eines Antrages auf Unterbleiben einer BVE in der Beschwerde im Ermessen des FA liegt, ob es innerhalb dieses Zeitraums die Beschwerde an das BFG vorlegt oder es dennoch eine BVE erlässt, ändert dies nichts an der Säumnis des FA, wenn es die BVE nicht innerhalb der Sechsmonatsfrist ab Einlangen der Beschwerde erlässt. Das Gesetz sieht überdies nicht vor, dass die Frist des § 284 Abs 1 BAO in Fällen des § 262 Abs 2 BAO zu einem anderen Zeitpunkt zu laufen beginnt. Die Auffassung des BFG würde im Übrigen bedeuten, dass gerade in jenen Fällen, in denen der Abgabepflichtige zwecks Herbeiführens einer raschen Erledigung einen Antrag auf Unterbleiben der BVE stellt, dem FA ein längerer Zeitraum für die Erlassung der BVE zur Verfügung stehen und damit die gewünschte Verfahrensbeschleunigung sich ins Gegenteil verkehren würde. Der Zurückweisungsbeschluss des BFG war daher aufzuheben.
Conclusio
§ 262 Abs 2 BAO sieht eine Ausnahme von der grundsätzlichen Verpflichtung der Abgabenbehörde, über Bescheidbeschwerden mit BVE abzusprechen, vor. Wird eine Direktvorlage an das BFG beantragt, so besteht weder ein Rechtsanspruch des Antragstellers auf Unterbleiben der BVE noch auf rechtzeitige Vorlage der Beschwerde (vgl BFG 30. 10. 2017, RV/2101196/2017; Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 262 Rz 6; Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3 [2021], § 262 Rz 12). Es besteht aber jedenfalls weiterhin ein Recht auf Beschwerdeerledigung mittels BVE. Die Pflicht zur Erlassung einer solchen unterliegt zwar grundsätzlich keiner besonderen Frist, besteht nach § 85a aber ohne unnötigen Aufschub. Bei Verletzung der Entscheidungspflicht kommt – wie im vorliegenden Fall auch wahrgenommen – eine Säumnisbeschwerde nach § 284 BAO an das BFG in Betracht (vgl VwGH 18. 1. 2018, Fr 2017/16/0020; Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3, § 262 Rz 5). Wie der VwGH nun hervorhebt, müssen dafür sechs Monate seit dem Einlagen der Beschwerde verstrichen sein. Die Frist des § 262 Abs 2 lit b BAO hat hierauf keinen Einfluss; andernfalls würde der verfahrensbeschleunigende Effekt völlig zunichte gemacht werden. Durch die Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses des BFG ist über die Säumnisbeschwerde nun abermals zu entscheiden und das BFG wird dem FA wohl gem § 284 Abs 2 BAO auftragen binnen drei Monaten über die Beschwerde mittels BVE zu entscheiden.