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VwGH: Einkommensteuerliche Realteilung von Grundstücken

Bearbeiter: Martin Klokar

EStG 1988: § 6 Z 14 lit a, § 30 Abs 1

ABGB: § 843

Abstract

Der VwGH hatte über einen Fall zu entscheiden, in welchem Grundstücke zwischen Schwestern durch Realteilung ohne Ausgleichszahlung getauscht wurden. Das FA beurteilte diesen Tausch (durch Realteilung) als einen entgeltlichen Erwerb, die Steuerpflichtige als einen unentgeltlichen Erwerb. Der VwGH stellte in seinem Erkenntnis auf idente Eigentumsverhältnisse an den Grundstücken ab, um eine wirtschaftliche Einheit zu bilden, die eine Realteilung nach § 843 ABGB ermöglichen.

VwGH 8. 9. 2022, Ro 2022/15/0007

Sachverhalt

Durch diverse Schenkungen innerhalb der Familie (vom Vater und von der Mutter) waren zwei Schwestern A (Revisionswerberin) und B folgendermaßen an den bebauten Grundstücken X und Y beteiligt: A zu einem Viertel am Grundstück X (bebaut mit einem Wohnhaus) und zur Hälfte am Grundstück Y (bebaut mit einem Schuppen). B zu drei Vierteln am Grundstück X und zur Hälfte am Grundstück Y. Zwischen der Rw A und ihrer Schwester B wurde am 2. 6. 2005 ein Tauschvertrag betreffend die „Realteilung“ der Grundstücke X und Y ohne Ausgleichszahlung abgeschlossen. Aufgrund dieser Vereinbarung wurde B Alleineigentümerin des Grundstücks X (Verkehrswert für ihren Viertelanteil laut Tauschvertrag: 85.000 €) und A Alleineigentümerin des Grundstücks Y (Verkehrswert für ihren Hälfteanteil laut Tauschvertrag: 125.000 €). A verkaufte dann das in ihrem Alleineigentum stehende Grundstück Y um 720.000 €. Der Notar berechnete die Immobilienertragsteuer (ImmoESt) nach § 30 Abs 3 EStG („Neuvermögen“).

A stellte in der Einkommensteuererklärung 2014 den Antrag auf Veranlagung des Grundstücksgeschäfts (Veranlagungsantrag nach § 30b Abs 3 EStG), weil sie gem § 30 Abs 4 EStG von pauschal ermittelten Einkünften aus Grundstücksveräußerungen ausging („Altvermögensprivileg“). Das FA ging – abweichend von der Erklärung – nur insoweit von Altvermögen iSd § 30 Abs 4 EStG aus, als die Rw A Eigentum am Grundstück unmittelbar als Rechtsnachfolgerin ihres Vaters (ca die Hälfte), also nicht durch die oben genannten Tauschverträge erworben hatte. Der auf den Tausch mit der Schwester durch Realteilung zurückzuführende Teil sei nämlich keine steuerneutrale Realteilung, sondern ein steuerpflichtiger Anschaffungsvorgang (Tausch). Das FA ging daher von Neuvermögen aus.

A ordnete den Realteilungsvertrag als unentgeltlichen Erwerb ein und erhob Beschwerde gegen ihren Einkommensteuerbescheid. Das BFG wertete analog zum FA den Realteilungsvorgang als entgeltlich, was die steuerliche Beurteilung als „Neuvermögen“ zur Folge hatte. A erhob Revision an den VwGH. Strittig war, ob im Jahr 2005 eine steuerlich neutrale Realteilung oder ein steuerlich beachtlicher Grundstückstausch stattgefunden hatte.

Entscheidung des VwGH

Der VwGH wies die Revision mit folgender Begründung als unbegründet ab:

Der VwGH hat im Erkenntnis vom 22. 6. 1976, 529/74 ausgesprochen, die Realteilung (Naturalteilung) eines im Miteigentum stehenden Wirtschaftsgutes sei einkommensteuerrechtlich nicht als Tausch anzusehen; es liege – von Fällen eines Spitzenausgleiches und damit des Erwerbes zusätzlicher Grundstücksteile abgesehen – keine Anschaffung bzw Veräußerung vor. Das Erkenntnis stützt sich laut VwGH auf einen Beitrag von Priester in FR 1974, 257 ff; in diesem Beitrag wird ausgeführt (Seite 260), der Miteigentümer könne gem § 752 dBGB jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen, dies mit der Folge, dass gem § 752 dBGB eine Teilung in Natur vorzunehmen sei. Somit stelle aus wirtschaftlicher Sicht die Realteilung eines Grundstücks lediglich die Erfüllung des von vornherein bestehenden zivilrechtlichen Anspruchs auf Konkretisierung einer „realen Teilfläche“ dar. Bereits ab der Anschaffung des Gesamtgrundstücks durch Miteigentümer bestehe dieser gesetzliche Anspruch der Miteigentümer auf Teilung und Zuweisung von Alleineigentum. Für Grundstücke des Privatvermögens stelle die Erfüllung dieses von vornherein bestehenden zivilrechtlichen Anspruchs des Miteigentümers auf Konkretisierung eines „realen“ Teilgrundstücks (im Alleineigentum) keinen Anschaffungs- oder Veräußerungsvorgang dar (vgl ebenso Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG § 23 Rz 95 „Aufhebung von Miteigentum“; Wernsmann in Kirchhof/Söhn, EStG § 23 Rn B 201 „Realteilung“).

Der von vornherein bestehende (primäre) Anspruch der Miteigentümer auf reale Teilung des im Miteigentum stehenden Grundstücks besteht laut VwGH auch im österreichischen Recht gem § 843 ABGB (vgl OGH 14. 6. 2021, 5 Ob 109/21x; RS0013236; RS0004261). Dabei kann es sich ergeben, dass sich der Anspruch auf die Realteilung nicht nur auf eine einzelne im Miteigentum stehende Parzelle bezieht, sondern auch auf mehrere die gleichen Eigentumsverhältnisse aufweisende Parzellen, die eine wirtschaftliche Einheit bilden (OGH 16. 6. 1982, 3 Ob 538/82, RS0013858; OGH 21. 12. 1999, 5 Ob 89/99w, RS0013231).

Wirtschaftliche Einheit iSd § 2 Abs 1 BewG ist bei bebauten und unbebauten Grundstücken in der Regel jedes Grundstück (VwGH 18. 12. 2013, 2010/13/0191). Es können aber auch mehrere, insbesondere nebeneinanderliegende Grundstücke mit identen Eigentumsverhältnissen eine wirtschaftliche Einheit bilden. Vermögensgegenstände können grundsätzlich nur dann eine wirtschaftliche Einheit bilden, wenn sie demselben Eigentümer gehören (VwGH 8. 4. 1991, 89/15/0134).

Im Revisionsfall bezieht sich der Teilungsvorgang nicht auf ein einziges Grundstück des Privatvermögens, sondern auf die nebeneinanderliegenden Grundstücke X und Y. Nach den unbestrittenen Feststellungen des BFG befand sich das Grundstück X im Jahr 2005 zum Zeitpunkt der Teilung zu 25 % im Eigentum der Rw A und zu 75 % im Eigentum ihrer Schwester B, wohingegen damals am Grundstück Y die Rw A und ihre Schwester B mit je 50 % beteiligt waren. Für die Grundstücke X und Y bestanden daher nicht idente Eigentumsverhältnisse. Schon aus diesem Grund können die beiden Grundstücke keine wirtschaftliche Einheit bilden, sodass ein entsprechender Naturalteilungsanspruch iSd § 843 ABGB nicht gegeben war. Es entspricht daher dem Gesetz, dass das BFG diesen Teilungsvorgang nicht als steuerneutrale Realteilung (Naturalteilung), sondern als Tausch iSd § 6 Z 14 EStG beurteilt hat. Daher ist es laut VwGH nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn das BFG die Einkünfte aus der privaten Grundstücksveräußerung nur hinsichtlich jenes Anteils am verkauften Grundstück Y pauschal nach § 30 Abs 4 Z 2 EStG ermittelt hat, den die Rw A im Jahr 2003 unentgeltlich (unmittelbar) von ihrem Vater erworben hatte.

Conclusio

Eine einkommensteuerliche Realteilung liegt vor, wenn zwei Personen je zur Hälfte Eigentümer einer bebauten oder unbebauten Liegenschaft des Privatvermögens sind und sich darauf einigen, die Liegenschaft räumlich zu teilen und sowohl dem einen wie auch dem anderen bisherigen Hälfteeigentümer das Alleineigentum an jeweils einer räumlichen Hälfte des Grundstücks zuzuweisen. Der VwGH liefert mit diesem Erkenntnis die dogmatische Grundlage dafür, die Realteilung einkommensteuerlich nicht als entgeltlichen Vorgang (Veräußerung und Anschaffung) zu werten (so Zorn, VwGH zur Dogmatik der einkommensteuerlichen Realteilung, RdW 2022, 792 f). Nach dem VwGH ist die Realteilung eines unbebauten oder bebauten Grundstücks unter den Miteigentümern einkommensteuerlich dann steuerneutral (unentgeltlich), wenn die Miteigentümer lediglich die Durchsetzung des bereits vom Gesetz eingeräumten, von vornherein den Miteigentümern zustehenden zivilrechtlichen Teilungsanspruches darstellt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33543 vom 17.01.2023