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EStG 1988: § 103, § 108c Abs 1
Abstract
Beim Zuzug nach Österreich (Ö) wollte ein Wissenschaftler die Zuzugsbegünstigung nach § 103 Abs 1a EStG in Anspruch nehmen, wonach für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren ab Zuzug ein Freibetrag iHv 30 % der Einkünfte aus der wissenschaftlichen Tätigkeit zustünden. Die Forschungstätigkeit muss allerdings dem öffentlichen Interesse dienen, wobei eine gesetzliche Vermutung dafür in § 2 Zuzugsbegünstigungsverordnung (ZBV) 2016 verankert ist. Eine der alternativen Möglichkeiten dafür setzt voraus, dass Vergütungen iSd § 108c Abs 1 EStG vorliegen und diese den in § 12c AuslBG statuierten Wert für die Blaue Karte EU erreichen. Strittig war im gegenständlichen Fall, ob sich dieses erforderliche Jahresbruttogehalt nur auf laufende Einkünfte bezieht oder auch andere Entgeltbestandteile – etwa Erfolgs- oder Leistungsprämien – umfasst.
VwGH 27. 3. 2024, Ra 2022/13/0044
Sachverhalt
Der Mitbeteiligte, ein promovierter Elektronik- und IT-Techniker, verlegte Anfang 2019 seinen Hauptwohnsitz von Kanada nach Österreich (Ö) und ist seitdem in Ö beruflich tätig. Im selben Jahr beantragte er die Zuerkennung des Zuzugsfreibetrags nach § 103 Abs 1a EStG iVm § 2 Abs 2 ZBV. Mittels Bescheid wies der BMF den Antrag ab, da keiner der in § 2 Abs 2 ZBV normierten Fälle einschlägig war; Z 1 und 2 (iW für Lehrtätigkeiten an Hochschulen) waren offenkundig nicht einschlägig und für die Anwendbarkeit der Z 3 lag zwar eine Bestätigung für Einkünfte nach § 108c Abs 1 EStG vor, die zweite Voraussetzung des für die Blaue Karte EU erforderlichen Mindestjahresgehalts wurde durch das Bruttoentgelt allerdings nicht erreicht. Dagegen erhob der Mitbeteiligte Beschwerde beim BFG. Das Gericht gab dem Rechtsmittel mit der Begründung Folge, dass auch andere Entgeltteile als das laufende Bruttojahresgehalt in die Berechnung miteinbezogen werden müssen, weil der Grenzwert des § 2 Abs 2 Z 3 ZBV iVm § 12c AuslBG erreicht worden sei. Dagegen erhob der BMF außerordentliche Revision.
Entscheidung des VwGH
Der VwGH hält zunächst fest, dass Z 1 und 2 des § 2 Abs 2 ZBV unstrittig nicht erfüllt sind. Lediglich die Anwendbarkeit der Z 3 war im vorliegenden Fall zu klären. Z 3 statuiert hierbei zwei Voraussetzungen, nämlich, dass die Vergütungen Aufwendungen oder Ausgaben iSd § 108c Abs 1 EStG darstellen und das für die Blaue Karte EU erforderliche Bruttojahresgehalt erreichen. Die erste Voraussetzung ist unstrittig erfüllt.
Hinsichtlich der Höhe des Bruttogehalts verweist § 2 Abs 2 Z 3 ZBV im Ergebnis implizit auf § 12c AuslBG, der das für die Blaue Karte EU erforderliche Bruttojahresgehalt festlegt. Anteilig auf die in Österreich (vollständig) verbrachten Monate betrug dieses im gegenständlichen Fall 53.906 €. Dieser Wert wird allein durch die Grundbezüge inkl Sonderzahlungen nicht erreicht. Der VwGH nimmt bezüglich der miteinzubeziehenden Zahlungen eine andere Ansicht als das BFG ein: Es muss dieselbe Berechnungsweise wie für den Erhalt der blauen Karte EU zur Anwendung kommen. Der Verordnungsgeber hat sich bewusst dieses Verweises bedient, um eine Verknüpfung zwischen dem Bruttoentgelt der Blauen Karte EU und dem Zuzugsfreibetrag herzustellen. Das Mindestentgelt hat den Zweck, ausschließlich hochqualifizierte Arbeitskräfte – für die Zuzugsbegünstigung hochqualifizierte Wissenschaftler – zu begünstigen. Bei einer Bereitschaft des Arbeitgebers, derartig überdurchschnittliche Gehälter zu zahlen, kann davon ausgegangen werden, dass der Wissenschaftler oder Forscher hochqualifiziert ist. Dies entspricht den ErlRV zum Begutachtungsentwurf zur ZBV (vgl auch Kirchmayr/Aumayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), EStG20 § 103 Tz 13).
Es handelt sich bei der Anknüpfung um das anderthalbfache durchschnittliche Bruttojahresgehalt eines Vollzeitbeschäftigten. Daraus kann geschlossen werden, dass es sich um unbedingt zustehendes Gehalt (inkl laufende Sachbezüge und laufend gebührende Zulagen) handeln muss. Pauschale Kostenersätze zählen jedenfalls nicht zum laufenden Entgelt. Vergütungen für die Erreichung von Leistungszielen dürfen deshalb nicht einfließen, weil für die Gewährung des Zuzugsfreibetrags für die gesamte Dauer nach § 1 Abs 4 ZBV feststehen muss, dass das Mindestentgelt erzielt wird. Bedingte Zahlungen dürfen hier nicht miteinbezogen werden; der Dienstgeber muss bereit sein, ohne weitere Bedingungen das überdurchschnittliche Bruttogehalt für den hochqualifizierten Wissenschaftler zu zahlen.
Daher war das Erkenntnis des BFG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Conclusio
Der VwGH kam – anders als das BFG – zum Ergebnis, dass bei der Berechnung der Erwerbsschwelle für die Blaue Karte EU nach § 2 Abs 2 Z 3 ZBV nur laufende Einkünfte (inkl laufende Sachbezüge und laufend gebührende Zulagen) miteinbezogen werden dürfen. Dem Höchstgericht ist insoweit jedenfalls zuzustimmen, als es im Gegensatz zum BFG eine implizite Referenz innerhalb des § 2 Abs 2 Z 3 ZBV auf § 12c AuslBG erkennt und entsprechend dessen Berechnungsgrundsätze heranzieht.
Die Anknüpfung an rein laufende Bezüge ist hingegen nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Weder der Wortlaut der Bestimmung noch die Gesetzesmaterialien scheinen dieses Ergebnis zweifelsfrei zu bestätigen. § 12c AuslBG idF BGBl I 2011/25 stellte auf das „Eineinhalbfache des von der Bundesanstalt Statistik Österreich zuletzt veröffentlichten durchschnittlichen österreichischen Bruttojahresgehalts von Vollzeitbeschäftigten“ ab; die Statistik Austria berechnet(e) die Daten auf Grundlage des EStG und bei ganzjährig Vollzeitbeschäftigen nach § 25 EStG (vgl für das Jahr 2022: Statistik Austria, Jährliche Personeneinkommen, <https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/einkommen-und-soziale-lage/jaehrliche-personeneinkommen> [abgefragt 5. 6. 2024]; vgl die Definition „Gesamteinkommen“ in der Einkommensteuerstatistik 2019: Statistik Austria, Integrierte Statistik der Lohn- und Einkommensteuer 2019 [2022] 20 ff). Warum bei der Berechnung des durchschnittlichen Bruttojahresgehalts sämtliche Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit miteinberechnet werden sollten, bei der Schwelle für die Inanspruchnahme der Zuzugsbegünstigung nach § 2 Abs 2 Z 3 ZBV hingegen nur laufende Einkünfte, leuchtet nicht ein. Darüber hinaus sprechen weder die ursprüngliche RL 2009/50/EG noch die Erläuterungen (ErlRV 1077 BlgNR 24. GP 14) von einer Eingrenzung auf laufende Bezüge. Damit kann die Entscheidung des VwGH zumindest in Zweifel gezogen werden. Dem BFG ist hierbei in dem Punkt beizupflichten, dass die Beschränkung auf laufende Gehälter – im Gegensatz zu einer Durchschnittsbetrachtung – möglicherweise auch eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung darstellen könnte.
Abschließend ist die Rechtslage damit vorerst geklärt. Es scheint unwahrscheinlich, dass die Bestimmung in naher Zukunft erneut beim Höchstgericht landen wird – insb angesichts des Umstandes, dass die Bestimmung in den vergangenen Jahren nie vor dem VwGH näher untersucht werden musste. Da mit BGBl I 2022/106 die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 12c AuslBG erleichtert wurden (grds ist jetzt nur mehr das Einfache des durchschnittlichen österr Bruttojahresgehalts erforderlich), kann auch die Zuzugsbegünstigung nach § 103 Abs 1a EStG mittlerweile leichter in Anspruch genommen werden.