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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
Abstract
Der VwGH hatte zu entscheiden, ob eine Zustellvollmacht dem Finanzamt auch dann wirksam bekannt gegeben wurde, wenn sie nicht in FinanzOnline eingetragen ist. Die Rw hatte eine Säumnisbeschwerde eingebracht, da sie der Ansicht war, über mehrere ihrer Beschwerden sei nicht entschieden worden. Das BFG stellte das Verfahren jedoch ein, weil es von einer wirksamen Zustellung an die Rw selbst ausging. Denn in FinanzOnline war keine Zustellvollmacht der steuerlichen Vertreterin hinterlegt. Der VwGH hob den Beschluss des BFG auf und stellte klar, dass eine Zustellvollmacht nicht zwingend in FinanzOnline ersichtlich sein muss, sondern sich auch – wie in diesem Fall – aus dem Gesamtverhalten der Steuerpflichtigen oder ihrer steuerlichen Vertreterin ergeben kann.
VwGH 30. 1. 2025, Ra 2024/15/0031
Sachverhalt
Im Mai 2022 erhob die Rw mehrere Beschwerden gegen abgabenrechtliche Bescheide des Finanzamtes (FA) betreffend Umsatz- und Körperschaftssteuer 2015 bis 2019, Wiederaufnahmebescheide zur Umsatzsteuer, Anspruchszinsenbescheide sowie dem Körperschaftsteuervorauszahlungsbescheid 2021. Die Rw vertrat die Ansicht, dass über diese Beschwerden nicht entschieden worden sei und brachte daher im Oktober 2023 eine Säumnisbeschwerde gem § 284 Abs 1 BAO ein, mit der sie eine Verletzung der Entscheidungspflicht durch das FA geltend machte.
Das BFG forderte daraufhin das FA auf, innerhalb von drei Monaten entweder die ausständigen Entscheidungen zu erlassen oder darzulegen, weshalb keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliege. Das FA teilte daraufhin mit, dass bereits zwei Beschwerdevorentscheidungen ergangen seien: eine im Oktober 2022, die postalisch an die Rw zugestellt worden sei, und eine weitere im September 2023, die elektronisch an die Rw zugestellt worden sei. Das BFG stellte in der Folge das Verfahren mit Beschluss ein. Es vertrat die Auffassung, dass zum jeweiligen Zeitpunkt keine wirksame Zustellvollmacht gegenüber der Abgabenbehörde bestanden habe, da im System von FinanzOnline keine entsprechende Eintragung erfolgt sei und somit die Zustellung an die Rw als rechtswirksam zu gelten hätte.
Die Rw hielt dem entgegen, dass sie im Rahmen der verfahrensgegenständlichen Beschwerde bereits durch die RTG, eine Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzlei, steuerlich vertreten gewesen sei und daher nur an diese rechtswirksam hätte zugestellt werden können. Daher erhob die Rw außerordentliche Revision an den VwGH. Zur Zulässigkeit brachte sie vor, das BFG sei von der Rsp des VwGH abgewichen. Es habe bei der Beurteilung, ob eine aufrechte und wirksam bekannt gegebene Zustellbevollmächtigung gegenüber der Abgabenbehörde vorliege, ausschließlich darauf abgestellt habe, ob im System von FinanzOnline im Feld „Zustellung“ eine Eintragung erfolgt sei.
Entscheidung des VwGH
Der VwGH erachtete die außerordentliche Revision für zulässig und führte zunächst aus, dass sich die Frage der Zustellung in Abgabensachen grundsätzlich nach § 97 Abs 1 BAO richtet. Gemäß dieser Bestimmung ist eine Erledigung der Abgabenbehörde gegenüber der Partei durch Zustellung wirksam, wobei bei bestehender Zustellvollmacht die Zustellung an den Bevollmächtigten zu erfolgen hat. Ob eine Zustellvollmacht vorliegt, beurteilt sich nach § 83 BAO, insb nach dessen Abs 1 und 2. Danach kann sich eine Partei durch handlungsfähige Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben, wobei sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach der erteilten Vollmacht richten. Im beruflichen Verkehr kann sich ein Berufsberechtigter iSd WTBG 2017 auf eine erteilte Vollmacht berufen und damit den in § 77 Abs 11 WTBG 2017 verlangten urkundlichen Nachweis ersetzen. Dies gilt auch im Anwendungsbereich der BAO (mit Verweis auf VwGH 7. 12. 2021, Ra 2021/13/0094). Der VwGH führte weiter aus, dass eine allgemeine Vertretungsbefugnis grundsätzlich eine Zustellbevollmächtigung miteinschließt (mit Verweis auf VwGH 5. 6. 2023, Ra 2023/13/0019; 26. 2. 2014, 2012/13/0051; jeweils mwN).
Der VwGH stellte daraufhin klar, dass aus dem Fehlen einer Markierung im Feld „Zustellung“ in FinanzOnline nicht zwingend auf das Nichtbestehen einer Zustellvollmacht geschlossen werden kann. Eine solche Annahme ist nur gerechtfertigt, wenn sich nicht aus weiteren Eingaben der Steuerpflichtigen oder ihrer Vertreterin eine Zustellbevollmächtigung ergibt. Die gegenteilige Annahme des BFG, wonach das Fehlen der Eintragung stets das Fehlen einer Zustellvollmacht bedeute, beruht daher auf einer Verkennung der Rechtslage.
Daher stellte der VwGH fest, dass die Rw der RTG eine allgemeine Vollmacht erteilt hatte, die auch eine Zustellvollmacht umfasste. Diese Bevollmächtigung zeigte sich sowohl durch die Anführung der RTG in der Niederschrift zur Schlussbesprechung der Betriebsprüfung als auch durch die wiederholte Verfahrensvertretung im Rahmen der Beschwerden, die jeweils im Namen und Auftrag der Rw eingebracht wurden. Aufgrund dieser Umstände lag eine wirksam bekannt gegebene Zustellvollmacht vor. Da das BFG diese nicht berücksichtigt hatte, war sein Beschluss inhaltlich rechtswidrig und gem § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Conclusio
Die Zustellung stellt im Abgabeverfahren einen grundlegenden Verfahrensschritt dar, da sie nicht nur die Wirksamkeit von behördlichen Erledigungen herbeiführt, sondern auch maßgeblich für den Fristenlauf ist. Erst durch eine ordnungsgemäße Zustellung wird die Abgabenbehörde ihrer Verpflichtung zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung gerecht (§ 97 Abs 1 lit a BAO). Besteht eine Zustellvollmacht, ist die Behörde verpflichtet, die Zustellung ausschließlich an den bevollmächtigten Vertreter vorzunehmen. Eine Zustellung an die Partei selbst ist in diesem Fall nicht wirksam, da der Zustellbevollmächtigte die alleinige Empfangszuständigkeit für behördliche Erledigungen besitzt (VwGH 24. 1. 2013, 2021/16/0011; OGH 10. 11. 1992, 10 ObS 221/92).
Nicht nur im vorliegenden Fall hatte sich das BFG mit der Frage auseinanderzusetzen, unter welchen Voraussetzungen eine Zustellvollmacht wirksam bekannt gegeben ist, wenn keine Hinterlegung in FinanzOnline erfolgt. Auch im Erkenntnis BFG 25. 11. 2024, RV/6100183/2024 war diese Problematik Gegenstand der Entscheidung. In jenem Fall ließ das BFG die ordentliche Revision zu, da nicht ausschließend geklärt ist, „inwieweit das Fa auch im Haftungsverfahren auf die im digitalen System gespeicherten Daten vertrauen darf“. Eine Revision wurde, soweit ersichtlich, in diesem Verfahren jedoch nicht erhoben. Grundsätzlich bezieht sich eine Bevollmächtigung lediglich auf das jeweilige Verfahren, wobei der Umfang des jeweiligen Verfahrens im Einzelfall vom engen sachlichen Zusammenhang der Verfahrensgegenstände abhängt; die Erteilung einer Generalvollmacht für alle Verfahren ist mangels gesetzlicher Grundlage unzulässig (Bumberger/Schmid, ZustG § 9 [2018] E3 ff). Im Steuerrecht sind wiederkehrende Erhebungen von Abgaben oder solche mit zusammengefasster Gebarung als einheitliche Verwaltungssache zu behandeln. Zustellregelungen beziehen sich daher nicht nur auf einzelne Abgabenzeiträume oder Abgabenarten, sondern auf das gesamte Verfahren (VwGH 4. 11. 2009, 2008/17/0094). Dieser enge Zusammenhang besteht jedoch zwischen Finanzstrafverfahren und administrativen Abgabenverfahren wie in Angelegenheiten der ESt nicht (VwGH 28. 2. 2008, 2007/18/0379; 8. 5. 1998, 97/19/1271).
Mit dieser Entscheidung hat der VwGH ausdrücklich ausgesprochen, dass sich eine Zustellvollmacht nicht ausschließlich aus einer Eintragung in FinanzOnline ergeben muss und das BFG die Rechtslage verkannt hat. Maßgeblich ist vielmehr, ob sich aus dem Verhalten des Vertreters im konkreten Verfahren eindeutig eine Vollmacht – auch zur Zustellung – ableiten lässt. Der VwGH erachtete im vorliegenden Fall insb das Zusammenwirken mehrerer Umstände als ausreichend für die Annahme einer wirksam bekannt gegebenen Zustellvollmacht: die Erteilung einer allgemeinen Vollmacht, die Anführung der steuerlichen Vertreterin in der Niederschrift zur Schlussbesprechung der Betriebsprüfung sowie die wiederholte Einbringung von Schriftsätzen im Namen und Auftrag der Rw.