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VwGH: Fehlerhafter Lohnsteuerabzug kann auch bei nichtselbständig Erwerbstätigen im Veranlagungsweg korrigiert werden

Bearbeiter: Severin Schragl

EStG: §§ 39, 41

BAO: § 303 Abs 1 lit b

Abstract

Nichtselbständig Erwerbstätige liefern die Einkommensteuer idR im Wege des Lohnsteuerabzugs nach §§ 47 f EStG indirekt über den Arbeitgeber ab. Nur in Sonderkonstellationen erfolgt die Festsetzung durch Einkommensteuerbescheid. Strittig war im vorliegenden Fall, ob eine nachträgliche Erfassung von Zahlungsrückflüssen durch die Arbeitgeberin im Wege der direkten Veranlagung des Arbeitnehmers möglich ist. Im Gegensatz zum BFG sprach sich der VwGH – unter Berufung auf die bisherige Rsp des VwGH – für die Möglichkeit einer Veranlagung aus.

VwGH 22. 2. 2024, Ra 2022/13/0094.

Sachverhalt

Der Mitbeteiligte war von 1999 bis 2007 Geschäftsführer einer GmbH. Aus dieser Tätigkeit bezog er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Für die streitgegenständlichen Jahre 2003 bis 2005 reichte er Einkommensteuererklärungen ein. Nach einer Außenprüfung wurden 2013 die Einkommensteuerverfahren wieder aufgenommen und neue Sachbescheide erlassen. Das FA hat festgestellt, dass auf Veranlassung des Mitbeteiligten Scheinrechnungen an die GmbH ausgestellt und die aufgrund dessen geleisteten Zahlungen dem Mitbeteiligten zu- oder rückgeflossen sind. Der Mitbeteiligte erhob dagegen Berufung an den UFS und wandte insb ein, dass allfällige steuerlichen Konsequenzen iRd Lohnsteuerprüfung zu ziehen gewesen wären, somit durch Haftungsinanspruchnahme der GmbH.

Das nunmehrige BFG gab der Beschwerde folge und führte aus, dass die Kenntnis der Umstände nicht zu einem anderslautenden Bescheid geführt hätte, weswegen eine Wiederaufnahme unzulässig war. Dies deshalb, weil nach Ansicht des Gerichts die Einkommensteuer nicht im Veranlagungsweg, sondern mit einem Haftungsbescheid beim Arbeitgeber einzufordern gewesen wäre – es lag nämlich kein Pflichtveranlagungstatbestand vor. Gegen diese Entscheidung erhob das Finanzamt eine (außerordentliche) Amtsrevision.

Entscheidung des VwGH

Nach § 303 Abs 1 lit b BAO kann ein Verfahren wieder aufgenommen werden, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände einen anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Hat der Stpfl lohnsteuerpflichtige Einkünfte bezogen, erfolgt gem § 39 Abs 1 EStG eine Veranlagung nur, wenn die Voraussetzungen des § 41 EStG vorliegen. Sind im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten, so ist der Steuerpflichtige nur in den in § 41 Abs 1 EStG genannten Fällen zu veranlagen. Liegen die Voraussetzungen des Abs 1 nicht vor, so erfolgt gem Abs 2 eine Veranlagung nur auf Antrag des Steuerpflichtigen. Der VwGH hat bereits mehrfach festgestellt, dass ein fehlerhafter Lohnsteuerabzug grds iRd Veranlagung korrigiert werden kann (vgl etwa jüngst VwGH 13. 12. 2023, Ra 2023/15/0107, mwN). Ist der Lohnsteuerabzug zu Unrecht unterblieben, kommt es zu einer sog „Nachholwirkung“ im Veranlagungsverfahren. Dabei ist irrelevant, ob der Arbeitgeber zur Haftung nach § 82 EStG herangezogen worden ist (VwGH 20. 11. 2012, 2008/13/0252, mwN). Darüber hinaus entspricht es auch der Verfahrensökonomie, einen fehlerhaften Lohnsteuerabzug nicht gegenüber dem Arbeitgeber, sondern direkt im Veranlagungsweg des Arbeitnehmers geltend zu machen (vgl VwGH 13. 10. 2020, Ra 2019/15/0134, mit Verweis auf VfGH 30. 9. 1997, B 2/96, VfSlg 14.919).

Im vorliegenden Fall wurden für die Jahre 2003 und 2004 – nach einer Beantragung der Veranlagung gem § 41 Abs 2 EStG – zweifellos Einkommensteuererklärungen eingereicht, im Jahr 2005 lag ein Pflichtveranlagungstatbestand nach § 41 Abs 1 EStG vor. Die Erfassung der Zahlungsrückflüsse iRd Veranlagung für die Jahre 2003-2005 ist somit zulässig (vgl VwGH 6. 4. 2022, Ra 2021/15/0050, mwN). Folglich war die Entscheidung des BFG aufgrund inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Conclusio

Die vorliegende Entscheidung des VwGH stellt fest, dass die Korrektur des Lohnsteuerabzugs eines nichtselbständig Erwerbstätigen auch direkt im Veranlagungsweg möglich ist. Alternativ hätte ein Haftungsbescheid an den Arbeitgeber – die GmbH – erfolgen können. Eine unmittelbare Inanspruchnahme des Arbeitnehmers nach § 83 Abs 2 EStG steht der Inanspruchnahme des Arbeitgebers nicht entgegen (§ 82 EStG). Die Geltendmachung liegt zwar im Ermessen der Behörde (Ebner in Jakom EStG16 (2023) § 82 Rz 3). Es entspricht aber grds der Verfahrensökonomie, die Korrektur im Veranlagungsweg vorzunehmen (VfGH 30. 9. 97, B2/96; VwGH 13. 10. 2020, Ra 2019/15/0134). Damit hat die Behörde im gegenständlichen die rechtmäßigen Schritte gesetzt. Aus welchen Gründen das BFG die höchstgerichtliche Rsp in diesem Bereich ignoriert hat, ist schwer nachzuvollziehen – nicht zuletzt, weil die Entscheidung des BFG gem § 23 Abs 3 BFGG nicht veröffentlicht worden ist.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35313 vom 16.04.2024