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VwGH: Finanzierung von Forschungstätigkeiten gegen die Einräumung von Nutzungsrechten unterliegt nicht dem § 2 Abs 2a EStG

Bearbeiter: Mohamed Hemdan / Bearbeiter: Antonio Kovacevic

EStG: § 2 Abs 2a

Abstract

Der VwGH entschied im vorliegenden Fall, dass die operative Forschungs- und Entwicklungstätigkeit keine Verwaltung von unkörperlichen Wirtschaftsgütern darstellt. Daher sind Verluste aus der Finanzierung von Forschungstätigkeiten vom Verlustverwertungsverbot des § 2 Abs 2a EStG nicht erfasst.

VwGH vom 10. 9. 2020, Ro 2019/15/0181

Sachverhalt

Die Revisionswerberin, eine aus der I GmbH und natürlichen Personen bestehende atypische stille Gesellschaft, machte für das Jahr 2012 eine Forschungsprämie geltend. Im Zuge einer bei der Revisionswerberin durchgeführten Außenprüfung wurde festgestellt, dass die Revisionswerberin Teil einer Gruppe verbundener Unternehmen war, zu der auch die CL-Gruppe gehörte. Die CL-Gruppe, welche aus der CLE GmbH und CLT GmbH bestand, und die Revisionswerberin waren im Bereich der Forschung und Entwicklung von alternativen Energietechnologien tätig. In einer Kooperationsvereinbarung einigten sie sich, dass die I GmbH für die Finanzierung der Forschungsprojekte aufkommen werde und dafür – im Verhältnis des Werts des von der CL-Gruppe eingebrachten Know-how und der Summe der von der I GmbH finanzierten Entwicklungsaufträge zum Gesamtaufwand beider Unternehmen – Anteile am Endprodukt erwirbt. Nach Ansicht des Prüfers stellte die Finanzierung im Gegenzug für den Erwerb von Rechten die einzige erkennbare Tätigkeit der Revisionswerberin dar. Das FA kam daher zum Schluss, die Revisionswerberin unterliege mit ihren negativen Einkünften dem Verlustverwertungsverbot des § 2 Abs 2a TS 2 EStG. Diesbezüglich erließ das FA – nach vorangegangener Aufhebung des Bescheids für das Jahr 2009 sowie einer Wiederaufnahme des Verfahrens für das Jahr 2010 – Feststellungsbescheide gem § 188 BAO betreffend die Jahre 2009 bis 2014.Gegen sämtliche Bescheide erhob die Revisionswerberin Beschwerde an das BFG. Dieses wies die Beschwerde – dem Finanzamt folgend – als unbegründet ab. Dieses erklärte aber mangels Rechtsprechung seitens des VwGH, ob die Finanzierung von Forschungstätigkeiten zum Rechteerwerb, Verwaltung unkörperlicher Wirtschaftsgüter darstelle, die ordentliche Revision für zulässig. Gegen dieses Erkenntnis legte die Revisionswerberin folglich Revision ein.

Entscheidung des VwGH

§ 2 Abs 2a EStG besagt, dass negative Einkünfte aus Betrieben, deren Unternehmensschwerpunkt(e) im Verwalten unkörperlicher Wirtschaftsgüter oder in der gewerblichen Vermietung von Wirtschaftsgütern gelegen ist, mit anderen Einkünften weder ausgleichsfähig noch gemäß § 18 Abs 6 EStG vortragsfähig sind. Solche Verluste sollen mit positiven Einkünften aus derselben Tätigkeit oder demselben Betrieb frühestmöglich verrechnet werden. 

In der vorliegenden Entscheidung hält der VwGH mit Verweis auf das Erkenntnis Ra 2018/15/0085 vom 3. 9. 2019 einleitend folgendes fest: „Bei Erfindungen und gewerblichen Schutzrechten wie Patenten ebenso wie bei Prototypen [handelt es sich um unkörperliche Wirtschaftsgüter]. Die zielgerichtet auf die Entwicklung eines neuartigen Produkts gerichtete Tätigkeit stellt jedoch kein Verwalten von Wirtschaftsgütern dar. Sie zielt auf die Entwicklung eines neuen (materiellen) Produkts ab, das die gängigen Produkte ersetzen oder eine Ergänzung dazu darstellen soll. Der Schwerpunkt der Tätigkeit eines Erfinders besteht nicht in der Verwaltung von ‘Kenntnissen und Erfahrungen’, sondern im produktiven Einsatz seines Wissens. Der eigenschöpferisch tätige Erfinder verwaltet nicht Wissen, sondern erzeugt neues Wissen. Eine operative Forschungs- und Entwicklungstätigkeit ist daher nicht als Verwalten von unkörperlichen Wirtschaftsgütern iSd § 2 Abs 2a EStG 1988 zu beurteilen.“ Für Zwecke des § 2 Abs 2a EStG ist es zudem unerheblich, ob das Forschungsunternehmen durch eine Kooperationsvereinbarung mit anderen Unternehmen arbeitet, vorausgesetzt, dass auch in diesen Fällen das (Forschungs-)Unternehmen neben dem Forschungsrisiko den entscheidenden Einfluss auf die Forschungstätigkeit behält und solcherart dazu beiträgt, neues Wissen zu schaffen. Abschließend statuiert der VwGH, dass der bloße Erwerb von Forschungsergebnissen zur weiteren Fruchtziehung als Verwaltung unkörperlicher Wirtschaftsgüter betrachtet wird und somit nicht über das Verwalten iSd § 2 Abs 2a EStG hinausgeht.

Da das BFG verabsäumte, die vorgebrachten Argumenten der I GmbH in Bezug auf die tatsächliche Abwicklung der Kooperationsvereinbarung umfassend zu berücksichtigen und darüber abzusprechen, verkannte es die Rechtslage. Infolgedessen war die Entscheidung des BFG hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens für das Jahr 2010 sowie der Einkünftefeststellung für die Jahre 2009 bis 2014 aufgrund erheblicher Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Conclusio

Eine Forschungstätigkeit, die auf die Entwicklung von Produkten und der Erzeugung von Wissen gerichtet ist, stellt keine Verwaltung unkörperlicher Wirtschaftsgüter iSd § 2 Abs 2a TS 2 EStG dar. Für die Praxis dürfte diese Entscheidung erhebliche Bedeutung haben, da die Gesamtaufwendungen für Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten meistens beträchtlich sind und dadurch hohe Verluste resultieren können.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30016 vom 01.12.2020