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VwGH: Hauptwohnsitzbefreiung, wenn Hauptwohnsitz erst drei Jahre nach Verkauf der Immobilie aufgegeben wurde?

Bearbeiter: Thomas Frenkenberger

EStG 1988: § 30 Abs 2 Z 1

Abstract

Der VwGH hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wann ein Hauptwohnsitz für Zwecke der Befreiung nach § 30 Abs 2 Z 1 EStG rechtzeitig aufgegeben wurde. Der Veräußerer hatte sich ein mehr als dreijähriges Nutzungsrecht an einer verkauften Liegenschaft vertraglich zusichern lassen, um ein geeignetes Grundstück für die Errichtung eines neuen Hauptwohnsitzes samt zugehörigem landwirtschaftlichen Betrieb zu finden. Nach Ansicht des Veräußerers und des BFG erfolgte die Hauptwohnsitzaufgabe aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles noch rechtzeitig, um die Hauptwohnsitzbefreiung anzuwenden. Die Abgabenbehörde und in der Folge auch der VwGH stellten dies jedoch in Abrede.

VwGH 22. 2. 2024, Ra 2022/13/0091

Sachverhalt

Der Mitbeteiligte (M) veräußerte am 3. 6. 2014 mehrere zum Teil landwirtschaftlich genutzte Liegenschaften um rund 12.000.000 €. Auf einem dieser Grundstücke hatte er seit mehreren Jahrzehnten seinen Hauptwohnsitz. M gab diesen Hauptwohnsitz im Zuge der Veräußerung allerdings nicht sofort auf, sondern ließ sich durch den Käufer ein etwa dreieinhalb Jahre andauerndes Nutzungsrecht in Form eines Prekariums zusichern. In dieser Zeit kaufte M eine neue Liegenschaft, auf der er mit einigem zeitlichen Abstand ua ein Haus errichtete, in das er 2017 auch einzog. Da M der Auffassung war, dass er seinen Hauptwohnsitz – wenn auch mit etwas zeitlichem Abstand – im Zuge der Veräußerung aufgab, machte er eine (anteilige) Hauptwohnsitzbefreiung geltend.

Im Zuge einer 2016 durchgeführten Außenprüfung wurde von der Abgabenbehörde die Höhe der abgeführten ImmoESt als zu niedrig beanstandet. Neben einigen im Verfahren vor dem VwGH nicht mehr entscheidungsrelevanten Fragen wurde von der Außenprüfung das Vorliegen der Hauptwohnsitzbefreiung bestritten, weil der Hauptwohnsitz nicht rechtzeitig aufgegeben worden war. Gegen den neu erlassenen Steuerbescheid wurde Beschwerde erhoben, der im Zug einer Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich der Hauptwohnsitzbefreiung nicht stattgegeben wurde, worauf M einen Vorlageantrag stellte.

Das BFG (15. 7. 2022, RV/7102709/2018) gab der Beschwerde tw Folge. Zur Steuerbefreiung dem Grunde nach stellte es fest, dass der Hauptwohnsitz durch M am 30. 5. 2017 tatsächlich aufgegeben worden war. M erwarb nur drei Monate nach dem Verkauf der alten Liegenschaft eine neue, unbebaute Liegenschaft, auf der er in der Folge seinen neuen Hauptwohnsitz errichtete. Außerdem handelte es sich nach Auffassung des BFG angesichts der Größe, Lage und geplanten Bebauung der Liegenschaften weder beim Grundstücksverkauf noch beim nachfolgenden Grundstücksankauf um gewöhnliche Grundstückstransaktionen, sodass dem Veräußerer auch eine längere Dauer für das Finden eines passenden Grundstücks und die Errichtung des neuen Eigenheims samt dazugehörigem landwirtschaftlichem Betrieb zu gewähren sei. Aufgrund dieser besonderen Umstände sei die Frist zwischen der Veräußerung und der Aufgabe des alten Hauptwohnsitzes für angemessen zu erachten. Allerdings sei der Anteil für die Hauptwohnsitzbefreiung zu hoch angesetzt worden, weswegen der Anteil von rund 700.000 € auf 270.000 € zu reduzieren sei. Gegen die Entscheidung des BFG wurde Amtsrevision erhoben, weswegen sich in Folge der VwGH mit der Reichweite der Hauptwohnsitzbefreiung auseinanderzusetzen hatte.

Entscheidung des VwGH

Der VwGH ruft zunächst in Erinnerung, dass die Aufgabe des Hauptwohnsitzes Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Hauptwohnsitzbefreiung nach § 30 Abs 2 Z 1 lit a und b EStG ist. Der Gerichtshof verweist auch auf die Gesetzesmaterialien, wonach der Sinn und Zweck der Hauptwohnsitzbefreiung darin besteht, dass der Veräußerungserlös ungeschmälert zur Schaffung eines neuen Hauptwohnsitzes zur Verfügung steht (ErlRV 1680 BlgNR 24. GP 8). Dem Veräußerer ist für die Errichtung eines neuen Hauptwohnsitzes eine angemessene Frist einzuräumen, um dem Ziel der Hauptwohnsitzbefreiung gerecht zu werden. Steht bei Veräußerung die Absicht den Hauptwohnsitz zu wechseln fest, kann diese Frist unter Umständen auch über ein Jahr hinausgehen (VwGH 1. 6. 2017, Ro 2015/15/0006). In der zitierten Rs hatte der Veräußerer das neue Grundstück allerdings bereits vor der Veräußerung angeschafft und die Errichtung des neuen Hauptwohnsitzes war nachdrücklich betrieben worden. Nur aufgrund von Verzögerungen außerhalb der Einflusssphäre des Veräußerers hatte der neue Hauptwohnsitz nicht innerhalb eines Jahres ab Abschluss des Kaufvertrages errichtet werden können.

Im Revisionsfall sicherte sich M die Nutzung des alten Hauptwohnsitzes hingegen bereits über das dreieinhalb Jahre andauernde Prekarium ab. Die neue Liegenschaft wurde erst einige Monate nach Abschluss des Kaufvertrages erworben und die Bauanzeige erfolgte erst rund ein Jahr nach Veräußerung der alten Liegenschaft. Es gibt auch keine Anhaltspunkte, dass diese Verzögerungen nicht von M zu vertreten wären, sodass der Fall mit der bereits angesprochenen VwGH-Entscheidung (1. 6. 2017, Ro 2015/15/0006) nicht vergleichbar ist. Das BFG begründete auch nicht näher, warum die Lage und Größe des Grundstücks besondere Umstände begründen würden, die zu einer mehr als drei Jahre dauernden Frist für die Aufgabe des Hauptwohnsitzes führen würden. Im Ergebnis spricht laut VwGH auch das dreieinhalb Jahre andauernde Prekarium dafür, dass M bereites bei der Veräußerung die Absicht hatte, den Hauptwohnsitz für einen längeren Zeitraum nicht aufzugeben. Mangels rechtzeitiger Aufgabe des Hauptwohnsitzes war die Hauptwohnsitzbefreiung nicht anwendbar, weshalb das angefochtene Erkenntnis wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben war.

Conclusio

Die Entscheidung des VwGH verschafft der Hauptwohnsitzbefreiung neue Konturen. Sowohl § 30 Abs 2 Z 1 lit a als auch lit b setzen voraus, dass der (alte) Hauptwohnsitz aufgegeben wird (Jakom/Kanduth-Kristen, EStG17 [2024] § 30 Rz 34 mVa BFG 30. 7. 2014, RV/5101120/2014). Dem Gesetzeswortlaut ist hingegen nicht zu entnehmen bis wann eine solche Aufgabe zu erfolgen hat. Die FinVw hatte lange Zeit vertreten, dass der Hauptwohnsitz spätestens innerhalb eines Jahres nach der Veräußerung aufgegeben werden muss (siehe EStR Rz 6643 idF vor EStR Wartungserlass 2018), was im Schrifttum zT als großzügig aufgefasst wurde (Bodis/Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG [17. Lfg 2014] § 30 Rz 153). Der VwGH stellte aber in seinem Erk vom 1. 6. 2017 (Ro 2015/15/0006) klar, dass dem Steuerpflichtigen eine den Umständen des Einzelfalls angemessene Frist zukommt, die „durchaus über ein Jahr hinausgehen“ kann (zust Renner, SWK 2017, 1195 [1198]). Dies wurde mittlerweile auch in Rz 6643 der EStR übernommen. Auch das BFG hatte in der Folge in einer Entscheidung im Jahr 2021 eine Frist von eineinhalb Jahren als angemessen angesehen, weil sich das Finden einer neuen Mietwohnung aufgrund unvorhersehbarerer Ereignisse verzögert hatte (BFG 1. 3. 2021, RV/6100391/2020). Im vorliegenden Fall wurde der Wohnsitz hingegen erst rund drei Jahre nach Veräußerung tatsächlich aufgegeben und die spätere Wohnsitzaufgabe war auch nicht Folge unvorhersehbarer Ereignisse. Der Veräußerer hatte zwar bereits im Zeitpunkt der Veräußerung die Absicht den Hauptwohnsitz (zu einem späteren Zeitpunkt) aufzugeben, was dann auch tatsächlich erfolgt ist. Da aber von Anfang an nicht mit einem zeitlichen Naheverhältnis zwischen der Veräußerung und der Aufgabe des Hauptwohnsitzes zu rechnen war, wäre ein Zugestehen der Hauptwohnsitzbefreiung angesichts der bisherigen Rsp (VwGH 1. 6. 2017, Ro 2015/15/0006), die eine angemessene Frist zur Aufgabe des Hauptwohnsitzes als Voraussetzung für die Gewährung der Steuerbefreiung vorsah, überraschend gewesen.

In der Praxis wird es für die Anwendung der Hauptwohnsitzbefreiung bei Errichtung eines neuen Wohnsitzes daher ratsam sein, ein neues Grundstück bereits vor Verkauf des alten zu erwerben und den Neu- oder Umbau des neuen Hauptwohnsitzes zumindest schon geplant zu haben, damit zeitnah mit den Bauarbeiten begonnen werden kann. Sich die Nutzung des alten Wohnsitzes über einen längeren Zeitraum vertraglich zusichern zu lassen, ist aus zivilrechtlicher Sicht zwar verständlich, ist aber – wie im vorliegenden Fall – ein Indiz dafür, dass eine zeitnahe Aufgabe des Hauptwohnsitzes nicht geplant und für die Hauptwohnsitzbefreiung daher potenziell hinderlich ist.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35535 vom 13.06.2024