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Abstract
Die Aufhebung einer BFG-Entscheidung durch den VwGH kann Anlass für die Festsetzung von Anspruchszinsen sein (§ 205 Abs 1 BAO). Wird eine BFG-Entscheidung durch den VwGH aufgehoben, tritt die Rechtssache gem § 42 Abs 3 VwGG in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses befunden hat. Aus Anlass der VwGH-Aufhebung sind – bei Erfüllen aller Voraussetzungen – Anspruchszinsen festzusetzen. Die Bemessungsgrundlage ergibt sich dabei aus Gegenüberstellung der Abgabe des sich wieder in Geltung befindlichen Bescheids und der Abgabe, die sich aus der aufgehobenen BFG-Entscheidung ergeben hätte. Entscheidet sodann das BFG im fortgesetzten Verfahren und ändert den streitgegenständlichen Bescheid ab, kann auch dies wiederum ein Anlassfall zur Festsetzung von Anspruchszinsen sein. Die Bemessungsgrundlage ergibt sich dann aus der Gegenüberstellung der neu festgesetzten Abgabe mit jener Abgabe des Bescheids, der durch Aufhebung durch den VwGH wieder wirksam geworden ist. Die Höhe der Abgabe, die durch die aufgehobene BFG-Entscheidung festgesetzt wurde, spielt dann keine Rolle mehr.
VwGH 6. 4. 2022, Ra 2021/13/0139
Sachverhalt
Der vorliegende Fall behandelt die Ermittlung der Bemessungsgrundlage von Anspruchszinsen gem § 205 BAO aus Anlass der Aufhebung einer BFG-Entscheidung durch den VwGH. Zur Vorgeschichte:
Mit Bescheid vom 1. April 2014 wurde die Einkommensteuer (ESt) 2013 des Revisionswerbers (Rw) mit € 4.480 festgesetzt. Gegen den entsprechenden ESt-Bescheid erhob der Rw Beschwerde. Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom 7. 10. 2014 änderte das Finanzamt (FA) den Bescheid und setzte die ESt mit € -110 fest. Nach Vorlageantrag des Rw gab das BFG der Beschwerde mit Entscheidung vom 2. 11. 2017 (RV/7104175/2015) folge und setzte die ESt nunmehr mit € -1.031 fest. Gegen diese Entscheidung erhob das Finanzamt Revision. Mit Erkenntnis von 27. 3. 2019 (Ra 2018/13/0024) hob der VwGH die BFG-Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts auf. Im fortgesetzten Verfahren gab das BFG der Beschwerde mit Erk vom 22. 6. 2020 (RV/7102581/2019) folge und setzte die ESt nunmehr (endgültig) mit € 145,15 fest.
In der Folge setzte das FA die hier streitgegenständlichen Nachforderungszinsen betreffend ESt 2013 fest. Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Anspruchsverzinsung stellte das FA die im BFG-Erk vom 22. 6. 2020 festgesetzte ESt (€ 145,15) jener ESt gegenüber, die sich aus dem – vom VwGH aufgehobenen – BFG-Erk vom 2. 11. 2017 ergab (€ -1.031). Dies resultierte in einer Bemessungsgrundlage iHv € 1.176,15 und Nachforderungszinsen iHv € 74,06. Gegen diesen Bescheid erhob der Rw Beschwerde, welche zunächst mit BVE und in weiterer Folge vom BFG als unbegründet abgewiesen wurde. Der Revisionswerber erhob außerordentliche Revision.
Entscheidung des VwGH
Der VwGH schließt sich zunächst einer – bislang ausschließlich in der Literatur und von der Finanzverwaltung geäußerten - Ansicht an, wonach auch eine Aufhebung einer Entscheidung durch den VwGH zu einer Anspruchsverzinsung führen kann. Dies ergibt sich aus § 205 Abs 1 BAO, der eine Anspruchsverzinsung bei Aufhebung von Abgabenbescheiden vorsieht, ohne dabei eine bloß kassatorische Aufhebung auszuschließen.
In weiterer Folge widmet sich der VwGH dem Zusammenspiel des § 42 Abs 3 VwGG mit der Anspruchsverzinsung gem § 205 Abs 1 BAO. Gem § 42 Abs 3 VwGG tritt die Rechtssache durch Aufhebung des angefochtenen Erk (hier: BFG vom 2. 11. 2017) mit Erk des VwGH in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses befunden hat (hier folglich wieder wirksam: BVE vom 7. 10. 2014). Als Folgewirkung dieser Rückwirkungskraft wird allen Rechtsakten, die während der Geltung des sodann aufgehobenen Erkenntnisses auf dessen Basis gesetzt wurden, im Nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen. Solche Rechtsakte erweisen sich als rechtswidrig und gelten infolge der Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses mit diesem dann als beseitigt, wenn sie mit dem aufgehobenen Erkenntnis in einem unlösbaren rechtlichen Zusammenhang stehen. Diese aus § 42 Abs 3 VwGG abgeleiteten Folgewirkungen können jedoch dann nicht gelten, wenn die Normen, die das Verwaltungsverfahren regeln, spezielle Anordnungen treffen. § 205 Abs 1 BAO enthält eine derartige spezielle Anordnung, da eine Verzinsung auch für den Fall der Aufhebung von Abgabenbescheiden (zB auch durch kassatorische Aufhebung durch den VwGH) vorgesehen wird.
Somit konnte die Aufhebung der (ersten) BFG-Entscheidung (vom 2. 11. 2017) durch den VwGH mit Erk vom 27. 3. 2019 Anlass für die Festsetzung von Anspruchszinsen sein. Ein entsprechender Anspruchszinsenbescheid ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Vielmehr wurde der hier gegenständliche Anspruchszinsenbescheid aus Anlass der endgültigen (zweiten) Entscheidung des BFG vom 22. 6. 2020 erlassen. Dieser Bescheid wurde – nach Verweis auf die Möglichkeit des VwGH unter bestimmten Voraussetzungen in der Sache selbst zu entscheiden (§ 42 Abs 4 VwGG) – ersatzlos aufgehoben. Die Ermittlung der Bemessungsgrundlage durch das FA war nämlich fehlerhaft: Aus Anlass des zweiten BFG-Erk hätte die Bemessungsgrundlage nämlich aus Gegenüberstellung der durch die (zweite) BFG-Entscheidung festgesetzten ESt iHv € 145,15 und der ESt laut – durch Erkenntnis des VwGH vom 27. 3. 2019 wieder wirksamen – BVE (€ -110) ermittelt werden müssen. Bei Verzinsung dieser Bemessungsgrundlage (€ 255,15) hätten sich Nachforderungszinsen iHv ca € 16 ergeben. Da Anspruchszinsen, die den Betrag von € 50 nicht erreichen, nicht festzusetzen sind, war der Beschwerde des Rw Folge zu geben und der streitgegenständliche Bescheid des FA ersatzlos aufzuheben.
Conclusio
Liegen die Voraussetzungen des § 205 BAO vor, liegt die Festsetzung von Anspruchszinsen nicht im Ermessen der Behörde. Dabei ist die objektive Möglichkeit der Erzielung von Zinsvorteilen bzw Zinsnachteilen entscheidend (s Ritz/Koran, BAO7 (2021) § 205 Rz 2 ff mwN). § 205 Abs 1 lit a BAO erstreckt die Anspruchsverzinsung auch auf Differenzbeträge an Einkommen- und Körperschaftsteuer aus Aufhebungen von Abgabenbescheiden. Hiervon ist auch eine (kassatorische) Aufhebung einer BFG-Entscheidung durch den VwGH erfasst. Bei Folgeentscheidungen des BFG hat das FA auf die korrekte Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Anspruchsverzinsung Bedacht zu nehmen.