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VwGH: Keine Steuerbefreiung für Reiseaufwandsentschädigungen bei ständigem Einsatz am Auftragsort

Bearbeiter: Lukas Schuster

EStG 1988 § 3 Abs 1 Z 16b

EStG 1988 § 68 Abs 5

EStG 1988 § 26 Z 4

Abstract

Der VwGH hatte zu beurteilen, ob eine an Arbeitnehmer ausbezahlte Reiseaufwandsentschädigung von der Steuerbefreiung nach § 3 Abs 1 Z 16b EStG 1988 erfasst ist, wenn der Arbeitnehmer durchgehend seit seinem ersten Arbeitstag bei einem Auftraggeber des Arbeitgebers eingesetzt wurde. Im Zentrum stand hierbei die Frage, ob die ständige Beschäftigung beim Auftraggeber noch als „Baustellen- und Montagetätigkeit […]“ im Sinne der genannten Bestimmung anzusehen ist. Das Höchstgericht kam hierbei dem BFG folgend zu dem Entschluss, dass die Reiseaufwandsentschädigung aufgrund des festen Arbeitsplatzes am Einsatzort nicht von der Steuer befreit ist.

VwGH 29. 5. 2024, Ro2022/15/0019

Sachverhalt

Der Rw ist Masseverwalter der X GmbH, die im Industriegewerbe tätig war und Montage-, Installations-, Reparatur- und Wartungsarbeiten an Industrieanlagen verrichtete. Die Dienstnehmer der X GmbH wurden hierfür teilweise direkt im Betrieb eines Auftraggebers eingesetzt, wobei die Einsatzdauer mehrere Monate oder Jahre betrug. Manche dieser Dienstnehmer wurden bereits seit dem Beginn ihres Arbeitsverhältnisses im Betrieb eines Auftraggebers beschäftigt. Weiters unterlag die X GmbH dem Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe. Hierdurch bestand die Verpflichtung, den Dienstnehmern, die direkt im Betrieb eines Auftraggebers eingesetzt wurden, eine Reiseaufwandsentschädigung auszuzahlen. Laut Rw waren die Zahlungen daher nach § 3 Abs 1 Z 16b TS 3 EStG 1988 steuerfrei. Dementsprechend bestand nach dieser Ansicht auch keine Haftung der X GmbH zur Einbehaltung und Abfuhr von Lohnsteuer für die Reiseaufwandsentschädigungen (vgl § 82 EStG 1988). Die Abgabenbehörde vertrat hingegen die Ansicht, dass solchen Dienstnehmern, die ständig beim Auftraggeber beschäftigt waren, keine Steuerbefreiung für die Aufwandsentschädigungen zustand. Die Abgabenbehörde stellte der X GmbH Haftungsbescheide zu, in denen sie zur Zahlung der Lohnsteuer für die Reiseaufwandsentschädigungen aufgefordert wurde. Nach erfolgloser Bescheidbeschwerde (BFG 16.03.2022, RV/5100132/2020) erhob die X GmbH Revision an den VwGH.

Entscheidung des VwGH

Reiseaufwandsentschädigungen des Arbeitgebers, die nicht schon durch § 26 Z 4 EStG 1988 von der Einkommenssteuer ausgenommen sind, sind nach § 3 Abs 1 Z 16b TS 3 EStG 1988 von der Steuer befreit, wenn sie für Baustellen- oder Montagetätigkeiten außerhalb des Werksgeländes des Arbeitgebers erbracht werden. Die Befreiung ist nur dann einschlägig, wenn die Entschädigung aufgrund einer Verpflichtung aus einer lohngestaltenden Vorschrift nach § 68 Abs 5 Z 1 bis 6 EStG 1988 geleistet wird. Im gegenständlichen Fall war unstrittig, dass es sich bei der Zahlung der X GmbH um eine Leistung aus einer lohngestaltenden Vorschrift handelte, weil sie auf Basis einer kollektivvertraglichen Regelung erfolgte (§ 68 Abs 5 Z 5 EStG 1988). Weiters wurden die Arbeiten bei Auftraggebern vor Ort verrichtet, somit nicht auf dem Werksgelände der X GmbH.

Strittig war hingegen, ob es sich bei dauerhaften Arbeiten am Betriebsstandort der Auftraggeber noch um Baustellen- und Montagetätigkeiten handelte. Im angefochtenen Erkenntnis stellte das BFG nämlich fest, dass es der Zweck des Befreiungstatbestandes des § 3 Abs 1 Z 16b EStG 1988 erfordert, nur jene Sachverhalte zu erfassen, in denen der Dienstnehmer befristete, wechselnde und unregelmäßige Tätigkeiten ausübt. Eine dauerhafte Beschäftigung am Betriebsstandort eines Auftraggebers würde diesem Zweck nicht entsprechen, weshalb keine Baustellen- und Montagetätigkeit vorliegt.

Der VwGH verweist hinsichtlich des Zwecks auf die gesetzgeberische Konzeption des § 3 Abs 1 Z 16b EStG. Die Bestimmung erging im Rahmen der Reisekosten-Novelle (BGBl 2007/45) anlässlich eines Erkenntnisses des VfGH, mit dem die unbeschränkte Ausweitung des Begriffs „Dienstreise“ durch lohngestaltende Vorschriften beseitigt wurde (VfGH 22. 6. 2006, G147/05). Lohngestaltende Vorschriften bezüglich Dienstreisen, die nicht schon unter § 26 Z 4 EStG 1988 fallen, sollten durch diese Novelle unter den nunmehr verfassungskonformen Voraussetzungen des § 3 Abs 1 Z 16b EStG 1988 dennoch von der Steuer befreit werden. Hintergrund war, Reiseerschwernisse und Mobilitätsanreize auch bei Dienstreisen im weiteren Sinne zu berücksichtigen (220/A BlgNR 23. GP 5). Wechselt der Dienstnehmer seinen Arbeitsplatz nicht, sondern ist beim Auftraggeber stationär beschäftigt, fallen diese mit der Reise verbundenen Erschwernisse nicht an, weshalb keine Steuerbefreiung gewährt wird. Ein ständiges Tätigwerden am Betriebsgelände des Arbeitgebers soll laut Gesetzgeber nicht unter den Tatbestand fallen (220/A BlgNR 23. GP 6). Auch bei ständigen Arbeiten am Betriebsgelände eines Aufraggebers kommt es zu keinen mit einer Reise verbundenen Beeinträchtigungen. Der VwGH sprach sich daher gegen eine Anwendung der Steuerbefreiung des § 3 Abs 1 Z 16b EStG 1988 aus und wies die Revision als unbegründet ab.

Conclusio

Der VwGH folgt der Auffassung des BFG. Beide Gerichte legen hierbei den Tatbestand des § 3 Abs 1 Z 16b EStG 1988 im Lichte der Rechtsprechung des VfGH zu § 24 Z 4 EStg 1988 aF aus. Bei bloßem Abstellen auf die Erfüllung der geschriebenen Tatbestandsmerkmale des § 3 Abs 1 Z 16b EStG bestünden nämlich die gleichen Bedenken hinsichtlich der Verfassungskonformität der Bestimmung, wie sie der VfGH in G147/05 schildert. Würde man nicht an einen Wechsel des gewöhnlichen Arbeitsplatzes und an die damit verbundenen Erschwernisse anknüpfen, könnte die Möglichkeit der Ausbezahlung steuerbefreiter Reiseaufwandsentschädigungen in nahezu unbeschränktem Ausmaß genutzt werden. Den Entscheidungen liegt daher eine verfassungskonforme Interpretation des § 3 Abs 1 Z 16b EStG 1988 zugrunde. Dieses Vorgehen ist insbesondere vor dem Hintergrund interessant, dass in der Literatur auch gegen § 3 Abs 1 Z 16b EStG 1988 bereits verfassungsrechtliche Bedenken geäußert wurden (Doralt, Tagesgeld neu: wieder verfassungswidrig, RdW 2007, 365; Resch, Beitragsfreie Reisediäten nach der Reisekostennovelle 2007 als verfassungsrechtliches Problem, taxlex 2007, 389).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35861 vom 16.09.2024