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Abstract
Im vorliegenden Beschluss hatte sich der VwGH mit der steuerlichen Anerkennung mehrerer zwischengeschalteter zypriotischer Limiteds (Ltd) auseinanderzusetzen. In seinem Beschluss bestätigte der Gerichtshof seine bereits in früheren Entscheidungen vertretene Ansicht, wonach eine zwischengeschaltete Gesellschaft nur anerkannt wird, wenn diese eine eigene Wirtschaftstätigkeit ausführt und für die Zwischenschaltung außersteuerliche Gründe vorliegen. Ebenso bestätigte der VwGH die Rechtsansicht des BFG. Demnach ist Voraussetzung für die Annahme eines Missbrauchs iZm der Mutter-Tochter-Richtlinie (MTR), dass es durch die Ausschüttung von Dividenden zu einer ungerechtfertigten Steuerersparnis kommt, weil der Empfänger der Dividenden bei direkter Beteiligung die KESt-Befreiung nicht in Anspruch nehmen könnte.
VwGH 23. 3. 2023, Ra 2022/15/0050
Sachverhalt
Die Revisionswerberin (Rw) ist Gesamtrechtsnachfolgerin der Ltd 1 mit Sitz in Zypern. Einzige Gesellschafterin der Ltd 1 war die Ltd 2, die ebenfalls in Zypern ansässig ist. Gesellschafter der Ltd 2 sind zwei Gesellschaften auf den Channel Islands bzw den British Virgin Islands, drei weitere Gesellschaften in Zypern sowie ein russischer Großinvestor (Herr A), wobei Herr A die Ltd 1 mittelbar beherrschte. Die Ltd 1 erwarb im Jahr 2007 Aktien einer SE mit Sitz in Österreich um 1.275.000.000 EUR. Strittig war, ob für die Ausschüttungen der SE an die Ltd 1 in den Jahren 2012 bis 2017 die einbehaltene Kapitalertragsteuer rückzuerstatten ist.
Das FA verwehrte der Rw die Rückerstattung der KESt und führte begründend aus, dass nicht dargelegt werden konnte, dass die Ltd 1 irgendwelche Tätigkeiten ausgeführt hatte und wirtschaftliche Gründe für deren Zwischenschaltung vorlagen. Zum selben Ergebnis kam das FA auch für die Ltd 2. Daraufhin erhob die Rw Beschwerde, in der sie vorbrachte, die Ltd 2 halte und verwalte Beteiligungen. Die damit verbundenen Aufgaben lagerte die Ltd 2 an die ebenfalls in Zypern ansässige, konzernmäßig verbundene Service-Gesellschaft, die Ltd 3, aus. Diese verfügte nach Ansicht der Rw über die erforderliche Substanz.
Das BFG schloss sich in seinem Erkenntnis der Meinung des FA an. Nach Ansicht des BFG übt weder die Ltd 1 noch die Ltd 2 die Aufgaben des Haltens und Verwaltens der Beteiligungen selbst aus. Die wesentlichen Leistungen wurden nach Ansicht der Rw von der Ltd 3 erbracht, wobei jedoch keine Nachweise für eine (fremdüblich vereinbarte und abgewickelte) Auslagerung vorlagen. Für eine Steuerentlastung nach der (grundsätzlich anwendbaren) MTR müssen für die Anerkennung einer zwischengeschalteten EU-Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe vorliegen und es müsse von der zwischengeschalteten Gesellschaft eine eigene Wirtschaftstätigkeit entfaltet werden. Daneben müsse auch geprüft werden, ob die Gesellschaft durch eine Person beherrscht wird, der eine KESt-Rückerstattung nach der MTR nicht zustünde. Da keine außersteuerlichen Gründe für die Zwischenschaltung vorlagen, die Ltd 1, 2 und nach Ansicht des BFG auch die Ltd 3 keine eigenständigen Wirtschaftstätigkeiten entfalteten und weil Herrn A ohne Zwischenschaltung keine KESt-Rückerstattung zugestanden wäre, versagte das BFG die Rückerstattung. Gegen das Erkenntnis des BFG erhob die Rw außerordentliche Revision, in der sie vorbrachte, die Rsp des VwGH sei uneinheitlich, weil im Erkenntnis vom 27. 3. 2019, Ro 2018/13/0004 und im Beschluss vom 3. 4. 2019, Ra 2017/15/0070 nahezu gleichgelagerte Sachverhalte unterschiedlich beurteilt worden seien. Des Weiteren führte die Rw aus, das BFG sei von der Rsp des VwGH abgewichen, weil ein gleichgelagerter Sachverhalt wie der im Erkenntnis vom 27. 3. 2019, Ro 2018/13/0004 vorliege und dieser anders beurteilt worden sei.
Entscheidung des VwGH
Gem § 94 Z 2 EStG in der im Revisionszeitraum geltenden Fassung hat der zum Abzug Verpflichtete keine KESt abzuziehen, wenn es sich bei der Ausschüttung um Gewinnanteile (Dividenden) und sonstige Bezüge aus Aktien oder aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften handelt und wenn die Körperschaft mindestens zu 10 % mittel- oder unmittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligt ist. Dies gilt auch für ausländische Körperschaften, die in der Anlage 2 zu § 94 Z 2 EStG genannt sind, sofern die Beteiligung während mindestens einem Jahr bestanden hat. Einzubehalten hat der Abzugsverpflichtete die KESt jedoch ua dann, wenn Gründe vorliegen, die für die Annahme eines Missbrauchs iSd § 22 BAO sprechen. Ein Missbrauch wäre in einem solchen Fall nur dann nicht zu vertreten, wenn der Abzugsverpflichtete gem § 2 VO, BGBl 1995/56, über eine schriftliche Erklärung der die Kapitalerträge empfangenden Gesellschaft verfügt, aus der hervorgeht, dass die Gesellschaft eine Betätigung entfaltet, die über die bloße Vermögensverwaltung hinausgeht, die Gesellschaft eigene Arbeitskräfte beschäftigt und über eigene Betriebsräumlichkeiten verfügt. Sinn und Zweck der Einschränkung nach § 94 Z 2 EStG ist dem VwGH zufolge die Verhinderung des „Directive Shopping“.
Voraussetzung für die Annahme eines Missbrauchs iZm der MTR durch Zwischenschaltung einer Gesellschaft ist nach Ansicht des VwGH, dass der Empfänger der Dividende bei direkter Beteiligung die KESt-Befreiung nicht in Anspruch nehmen könnte. Dies ist hier der Fall, weil die Ltd 1 von Herrn A beherrscht wurde, der ohne die Zwischenschaltung nicht in den Anwendungsbereich der MTR gefallen wäre. Daneben entfalteten weder die Ltd 1 noch die Ltd 2 eine wirtschaftlich sinnvolle Funktion mit einer ausreichenden Substanz. Auch die Erbringung der wirtschaftlichen Tätigkeit durch die Ltd 3 konnte nach Ansicht des VwGH nicht nachgewiesen werden, weil keine tauglichen Unterlagen dazu vorgelegt wurden.
Zum ersten Revisionsvorbringen, die Rsp des VwGH sei uneinheitlich, führt der VwGH aus, dass er sich in den beiden Entscheidungen mit unterschiedlichen Rechtsfragen zu beschäftigen hatte, weshalb keine uneinheitliche Rsp vorliegt. Im Zulässigkeitsvorbringen des Beschlusses vom 3. 4. 2019, Ra 2017/15/0070 wurde als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung allein geltend gemacht, es fehle Rsp zur Frage, wie der Missbrauchsvorbehalt des Art 1 Abs 2 MTR zu verstehen sei und ob eine nationale Regelung wie jene des § 22 BAO auf Art 1 Abs 2 MTR gestützt werden könne. Im Zulässigkeitsvorbringen zum Erkenntnis vom 27. 3. 2019, Ro 2018/13/0004 wurden hingegen eine Abweichung von der Rsp des VwGH sowie des EuGH und ein Begründungsmangel geltend gemacht.
Auch dem zweiten Revisionsvorbringen, wonach das BFG von der Rsp des VwGH (27. 3. 2019, 2018/13/0004) abgewichen sei, folgte der VwGH nicht. Begründend führt der Gerichtshof aus, dass die Gesellschaft im zitierten Erkenntnis Beteiligungen professionell verwaltete und die Gesellschaft eben zu diesem Zweck gegründet wurde, wohingegen die vorliegende Konstruktion nur aus steuerlichen Gründen gewählt wurde. Da in der Revision somit keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen wurden, wies der VwGH die Revision zurück.
Conclusio
Mit seinem Beschluss bestätigt der VwGH seine bisherige Rsp zur missbräuchlichen Zwischenschaltung einer Gesellschaft. Demnach ist die Zwischenschaltung einer Gesellschaft steuerlich nur dann anzuerkennen, wenn außersteuerliche Gründe für die Zwischenschaltung vorliegen und die Gesellschaft eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt (VwGH 26. 6 .2014, 2011/15/0080; zur Kritik hinsichtlich des Abstellens auf außersteuerliche Gründe siehe bspw Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 22 Tz 6 ff). Außersteuerliche Gründe sind nach der Rsp des VwGH bspw sozialversicherungsrechtliche Vorteile (VwGH 21. 10. 1986, 86/14/0107), Überlegungen der Altersvorsorge (VwGH 22. 10. 1991, 91/14/0147) oder auch das Ziel der Verminderung der zivilrechtlichen Haftung (VwGH 23. 5. 1990, 89/13/0272-0275; weitere Beispiele für außersteuerliche Gründe siehe Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 22 Tz 4). Teilweise verlangt der VwGH aber auch, dass außersteuerliche Gründe beachtlich, vernünftig, stichhaltig und einsichtig sind (siehe Ritz/Koran, BAO7 [2021] § Tz 4 mit Nachweisen zur Judikatur des VwGH). Daneben bestätigt der VwGH die Ansicht des BFG, wonach im Rahmen der MTR zu prüfen ist, ob die die Beherrschung ausübende Person auch ohne Zwischenschaltung eine KESt-Befreiung in Anspruch nehmen könnte.
Bemerkenswert ist, dass sich der VwGH betreffend die KESt-Befreiung bereits zwei Mal mit genau diesem Sachverhalt, jedoch für das Jahr 2008, auseinanderzusetzen hatte (VwGH 26. 6. 2014, 2011/15/0080 und 3. 4. 2019, Ra 2017/15/0070). Es bleibt abzuwarten, ob sich der VwGH noch ein weiteres Mal mit demselben Sachverhalt auseinandersetzen muss.