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VwGH: Prozesskosten als Werbungskosten?

Bearbeiter: Thomas Frenkenberger

EStG 1988: § 16 Abs 1, § 20 Abs 1 Z 2 lit a, § 20 Abs 2 Z 1

Abstract

Der VwGH hatte über die Abzugsfähigkeit von Prozesskosten zu entscheiden. Die Steuerpflichtige befand sich in einem langjährigen Rechtsstreit mit ihrem Arbeitgeber, in dem es neben diversen Kündigungsanfechtungen, auch um die Verletzung von Fürsorgepflichten des Arbeitgebers und Eingriffe in die Datenschutzrechte der Mitarbeiterin ging. Strittig war, ob die Verfahrenskosten für Schadenersatzprozesse und die Datenschutzbeschwerden als Werbungskosten abzugsfähig waren. Das BFG hatte in beiden Fällen die Abzugsfähigkeit noch bejaht, damit aber die Rechtslage verkannt, wie der VwGH nun feststellte.

VwGH 24. 4. 2025, Ra 2023/15/0105

Sachverhalt

Die mitbeteiligte Partei war Arbeitnehmerin eines Krankenhauses, in dem sie sich im Jahr 2012 auch als Patientin behandeln ließ. Im Anschluss an ihre medizinische Behandlung wurden unbefugterweise die Patientendaten der Arbeitnehmerin abgefragt, woraufhin die Arbeitnehmerin mehrere Beschwerden an die zuständige Datenschutzbehörde richtete. Die Behörde stellte mehrere Datenschutzverletzungen fest, die zT auch zu Änderungen interner Abläufe führten. In weiterer Folge kam es allerdings zu Verwerfungen und mehreren gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen der Arbeitnehmerin und ihrem Arbeitgeber. Eine im Jahr 2016 ausgesprochene Entlassung fochte die Arbeitnehmerin ebenso erfolgreich an wie die darauffolgenden Eventualkündigungen. Die Mitarbeiterin klagte ihren Arbeitgeber im Gegenzug ua auf Schmerzengeld, Verdienstentgang und Kostenersatz für Behandlungen.

Im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2016–2018 machte die Arbeitnehmerin Prozess- und Beratungskosten iZm diversen Rechtsstreitigkeiten als Werbungskosten geltend, was von der Abgabenbehörde zum überwiegenden Teil nicht anerkannt wurde. Nach einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung wurde der Fall dem BFG vorgelegt, das den Beschwerden weitgehend Folge gab und die Bescheide zugunsten der Arbeitnehmerin abänderte (BFG 28. 7. 2023, RV/3100394/2019; Anm: Entscheidung nicht veröffentlicht). Die Kosten für das Datenschutzverfahren waren dem BFG zufolge abzugsfähig, weil die unberechtigten Datenabfragen aufgrund der Stellung der mitbeteiligten Partei als Arbeitnehmerin des Krankenhauses vorgenommen worden waren und sie sich als Arbeitnehmerin dagegen wehrte. Die Kosten für den Schadenersatzprozess konnten ebenfalls abgezogen werden, weil es um die Verletzung von Schutz- und Fürsorgepflichten im Arbeitsverhältnis ging. Es lag nach Auffassung des BFG ein Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften und keine rein privat veranlasste Klage vor. Gegen diese Entscheidung wurde Amtsrevision erhoben.

Entscheidung des VwGH

Der VwGH erinnert zunächst daran, dass Ausgaben, die einen Zusammenhang mit der persönlichen Lebensführung aufweisen, nur dann als Werbungskosten abgezogen werden dürfen, wenn eine beinahe ausschließliche berufliche Veranlassung gegeben ist. Unstrittig ist im vorliegenden Fall, dass die Prozesse zur Abwehr von Kündigungen und Entlassungen beruflich veranlasst sind und die damit in Zusammenhang stehenden Kosten als Werbungskosten geltend gemacht werden dürfen. Strittig waren hingegen der Werbungskostenabzug hinsichtlich der Kosten für die Schadenersatz- und Datenschutzprozesse.

Der VwGH hält fest, dass die Kosten für die Schadenersatzprozesse nur dann abgezogen werden können, wenn die Schadenersatzansprüche im Erfolgsfall auch tatsächlich steuerpflichtig sind. Das BFG hat aber in Verkennung der Rechtslage nicht geprüft, welcher Teil der eingeklagten Beträge einkommensteuerlich zu erfassen wäre und dementsprechend auch keine Aliquotierung der Kosten vorgenommen. Die Entscheidung des BFG erweist sich daher schon aus diesem Grund als rechtswidrig.

Die Verfahrenskosten iZm den Datenschutzbeschwerden sind dem VwGH zufolge zur Gänze nicht abzugsfähig. Die Rechtsverletzungen betreffen vorrangig den Bereich der persönlichen Lebensführung, weshalb die dadurch verursachten Kosten nicht zu den Werbungskosten zählen. Das BFG hatte zwar argumentiert, dass die unbefugten Patientendatenabfragen nur aufgrund der Stellung der Patientin als Arbeitnehmerin vorgenommen worden seien. Es lässt dabei allerdings außer Betracht, dass die in Rede stehenden Patientendaten nur aufgrund der Behandlung der Patientin im Krankenhaus an dieses gelangt sind. Die Gefahr, dass Patientendaten unbefugt abgefragt werden, besteht überdies nicht bloß dann, wenn Patienten im Krankenhaus beschäftigt sind. Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

Conclusio

Die Entscheidung des VwGH schärft die Konturen der bisherigen Rsp. Die Kosten eines Zivilprozesses sind Werbungskosten, wenn der Prozess objektiv mit der beruflichen Tätigkeit zusammenhängt (Ebner in Kanduth-Kristen/Marschner/Peyerl/Ebner/Ehgartner [Hrsg], Jakom-EStG18 [2025] § 16 Rz 56). Diesen objektiven Zusammenhang sah das BFG sowohl bei der Datenschutzverletzung als auch bei den Schadenersatzprozessen als gegeben an. Der VwGH folgte dem in beiden Fällen nicht, wenn auch mit unterschiedlicher Begründung.

Die Besonderheit bei der Datenschutzverletzung war, dass die Steuerpflichtige sowohl Mitarbeiterin als auch Patientin des Krankenhauses war. Das BFG sah das unbefugte Abfragen in erster Linie als eine Verletzung von Mitarbeiterrechten, die überdies Ausgangspunkt für alle weiteren gerichtlichen Auseinandersetzungen im arbeitsrechtlichen Kontext war. Dass die Abfrage von Patientendaten besonders heikel ist, wenn die Patienten zugleich im Krankenhaus beschäftigt sind, zeigt sich auch darin, dass die Arbeitgeberin zT die Möglichkeit der Sperre von Krankenunterlagen von Mitarbeitern vorsah. Den VwGH interessierte aber weniger der Anlass der unbefugten Abfrage als die Art der abgefragten Daten, weswegen ihm zufolge eine Rechtsverletzung betreffend die persönliche Lebensführung der Steuerpflichtigen vorlag, deren Bekämpfung dementsprechend auch nicht als Werbungskosten geltend gemacht werden konnte.

Bei den Schadenersatzansprüchen ist die Sache hingegen etwas anders gelagert. Soweit die Arbeitnehmerin Verdienstentgänge oä einklagt, sind damit zusammenhängende Prozesskosten als Werbungskosten anzusehen. Schmerzengelder sind hingegen niemals steuerbar, sodass auch die Prozesskosten zur Erlangung von Schmerzengeldern systematisch nicht als Werbungskosten abziehbar sein können.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36881 vom 01.07.2025