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VwGH: Rückgängigmachung einer Lieferung und Vorsteuerberichtigung

Bearbeiter: Maximilian Pfluger

UStG 1994: §§ 3, 12, 16

MwStSyst-RL: Art 90, 168, 184, 185

Abstract

Der VwGH hatte über die umsatzsteuerliche Behandlung einer Auflösung eines Mietkaufvertrages sowie die Berichtigung des Vorsteuerabzuges zu entscheiden. Der VwGH entschied, dass die Vertragsaufhebung als Rückgängigmachung einer Lieferung iSd § 16 Abs 3 Z 3 UStG zu qualifizieren war. Auch das Fehlen einer Rechnung führte nicht zur Versagung des Vorsteuerabzuges.

VwGH 26. 11. 2024, Ro 2022/15/0030

Sachverhalt

Die Zweitrevisionswerberin (eine Kommanditgesellschaft) war im maßgebenden Zeitraum in der Vercharterung von Luftfahrzeugen tätig. Im Jahr 2006 schloss sie mit der X GmbH einen Ratenkaufvertrag (idF Mietkaufvertrag) über ein Flugzeug mit einem Gesamtkaufpreis von 4,89 Mio € ab. Es wurde ein Eigentumsvorbehalt zugunsten der X GmbH vereinbart. Im November 2006 stellte die X GmbH eine berichtigte Rechnung mit dem tatsächlichen Ankaufspreis iHv 4,51 Mio € (inkl 751.246,11 € USt) aus und die Zweitrevisionswerberin machte VSt-Abzug in gleicher Höhe geltend.

Im September 2011 gab die Zweitrevisionswerberin bekannt, dass sie nicht mehr zahlungsfähig sei und mit einer Insolvenz rechne. Daraufhin wurde im Februar 2012 der Mietkaufvertrag einvernehmlich beendet und die Zweitrevisionswerberin verpflichtete sich, das Flugzeug an die Y GmbH zu übergeben, die neue Mietkäuferin wurde. Im Februar 2012 stellte die X GmbH an die Zweitrevisionswerberin eine Gutschrift über den aushaftenden Saldo iHv 2,67 Mio € (inkl 445.752,53 € USt). Die Zweitrevisionswerberin stellte der X GmbH eine Rechnung iHv 2,23 Mio € mit dem Hinweis aus, dass der Lieferort im Ausland ist und somit keine steuerbare Leistung im Inland vorliege.

Strittig war, ob die Vereinbarung vom Februar 2012 über die Auflösung des Mietkaufvertrages vom Juni 2006 aus umsatzsteuerlicher Sicht als Rücklieferung oder Rückgängigmachung iSd § 16 Abs 3 Z 3 UStG galt und in eventu in welcher Höhe die Vorsteuer zu berichtigen wäre.

Das Finanzamt (FA) setzte mit Bescheid fest, dass die gesamte Vorsteuer zu berichtigen gewesen war. Dagegen erhob die Zweitrevisionswerberin Beschwerde beim BFG. Das BFG entschied, dass nur die auf die noch offenen Raten zu entfallende Vorsteuer zu berichtigen war. Gegen die Entscheidung des BFG erhob das FA als erstrevisionswerbende Partei und die Zweitrevisionswerberin jeweils ordentliche Revision.

Entscheidung des VwGH

Zur Revision der Zweitrevisionswerberin:

Gem § 16 Abs 3 Z 3 UStG ist ein Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn eine steuerpflichtige Leistung rückgängig gemacht wird. Diese Bestimmung korrespondiert mit Art 185 MwStSyst-RL, wonach eine Berichtigung zu erfolgen hat, wenn sich maßgebliche Faktoren nachträglich ändern.

Davon zu unterscheiden ist eine Rücklieferung, die als eigener Vorgang mit selbstständigem wirtschaftlichem Gehalt definiert wird. Der VwGH stellt fest, dass der Vertrag ex nunc aufgelöst wurde und dass ein Zusammenhang zwischen dem Mietkaufvertrag und der Auflösungsvereinbarung bestand. Daher ist von keiner Rücklieferung, sondern einer Rückgängigmachung der Leistung iSd § 16 Abs 3 Z 3 UStG auszugehen.

Die Zweitrevisionswerberin behauptete, dass es sich bei der Vereinbarung nicht um eine umsatzsteuerlich relevante „Aufhebung“ des Ratenkaufvertrages gehandelt hat, da die X GmbH nicht die Verfügungsmacht zurückerlangt hat. Der VwGH hielt dem entgegen, dass eine Übergabe, die zum zivilrechtlichen Erwerb des Eigentums oder Besitzes ausreicht, auch zur Verschaffung der Verfügungsmacht iSd § 3 Abs 1 UStG ausreicht (mVa VwGH 30. 6. 2015, 2012/15/0215). Es wurde weder die Wirksamkeit der Auflösungsvereinbarung noch der anschließende Kaufvertrag zwischen der X GmbH und der Y GmbH bestritten. Daher besteht kein Zweifel daran, dass der X GmbH die Verfügungsmacht über das Flugzeug eingeräumt wurde.

Der VwGH wies die Revision als unbegründet ab.

Zur Amtsrevision des FA:

Das FA argumentiert, dass die gesamte Vorsteuer zu berichtigen sei, weil eine vollständige Rückgängigmachung der Lieferung stattgefunden habe und eine Gebrauchsüberlassung anzunehmen sei, für die noch keine Rechnung ausgestellt wurde.

Der VwGH stellt klar, dass das Fehlen einer Rechnung nicht zum Verlust des Vorsteuerabzuges führt. Laut stRsp des VwGH ist der Vorsteuerabzug zu gewähren, wenn die materiellen Voraussetzungen vorliegen und das FA über alle notwendigen Informationen verfügt (mVa VwGH 27. 1. 2021, Ra 2020/13/0068; auch VwGH 19. 5. 2020, Ro 2019/13/0030; mwN).

Das FA hat über alle notwendigen Informationen verfügt und den Vorsteuerabzug allein wegen des Fehlens einer Rechnung über eine fingierte Gebrauchsüberlassung versagt, obwohl alle materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt waren. Der VwGH erachtete die Versagung als unverhältnismäßig, da die steuerliche Neutralität ihrer Umsätze verwehrt worden ist.

Daher wies der VwGH die Amtsrevision als unzulässig zurück.

Conclusio

Eine Rückgängigmachung erfolgt durch die Rückübertragung der Verfügungsmacht oder bei sonstigen Leistungen durch das Aufheben des wirtschaftlichen Effektes (Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz: Kommentar6 [2024] § 16 UStG Rz 91).

Wäre im Ausgangssachverhalt die Auflösung des Mietkaufvertrages nicht bereits vor der Eröffnung, sondern erst im Zuge eines Insolvenzverfahrens erfolgt, dann wäre die Ausübung des Rücktrittsrechts hinsichtlich eines unter Eigentumsvorbehalt erworbenen Gegenstandes als umsatzsteuerliche Rückgängigmachung zu qualifizieren. In diesem Fall hätte der Insolvenzschuldner die Vorsteuer berichtigen können (Gaedke/Huber-Wurzinger in Melhardt/Tumpel, UStG3 § 16 Rz 172).

Bei der Rücklieferung muss hingegen ein selbstständiger wirtschaftlicher Vorgang gegeben sein, der ohne Zusammenhang zum ursprünglichen Rechtsgeschäft steht (26. 11. 2024, Ro 2022/15/0030ÖStZB 2025/5 (Bleyer), auch Ruppe/Achatz, UStG6 § 1 Rz 42). Zur Beurteilung, ob eine Rücklieferung vorliegt, ist entscheidend, wie lange die ursprüngliche Lieferung her ist, ob ein höherer Rückkaufpreis gezahlt wurde oder ob ein Wiederkaufsrecht ausgeübt wurde (Windsteig in Melhardt/Tumpel, UStG3 § 1 Rz 65).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36634 vom 16.04.2025