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VwGH: Stabilitätsabgabe bei Verschmelzung von Kreditinstituten

Bearbeiter: Eric Coenen

StabAbgG 2011: § 2 Abs 5

UmgrStG 1991: § 2 Abs 3, § 3 Abs 1 Z 4

Abstract

Kreditinstitute mit einer Konzession nach dem BWG müssen eine Stabilitätsabgabe abführen. Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für diese Abgabe wird grds auf die durchschnittliche unkonsolidierte Bilanzsumme des Kreditinstituts aus dem Vorjahr abgestellt, vermindert um bestimmte Abzugsposten gem § 2 Abs 2 Stabilitätsabgabegesetz (StabAbgG). Bei Verschmelzung von Kreditinstituten stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Vermögensübergang für Zwecke der Berechnung der Stabilitätsabgabe stattfindet. Nach Ansicht des VwGH erfolgt der Übergang – entgegen der Ansicht des BFG – mit dem Folgetag des Verschmelzungsstichtags.

VwGH 22. 11. 2023, Ro 2023/13/0016

Sachverhalt

Die mitbeteiligte Partei ist ein Kreditinstitut mit einer Konzession nach dem BWG in der Rechtsform einer Genossenschaft mit dem Abschlussstichtag 31.12. Im Rahmen einer Außenprüfung wurde festgestellt, dass in den Jahren 2015–2017 rückwirkend zum Verschmelzungsstichtag 31.12. des jeweiligen Vorjahres mehrere Bankbetriebe auf die mitbeteiligte Partei verschmolzen wurden. Die Bemessungsgrundlage der Rechtsnachfolgerin für die Abfuhr der Stabilitätsabgabe wurde von der mitbeteiligten Partei so berechnet, dass das übergegangene Vermögen der übertragenden Bankbetriebe erst mit Eintragung der Verschmelzung im Firmenbuch bei der Rechtsnachfolgerin berücksichtigt wurde. Nach Ansicht des Finanzamts erfolge der Vermögensübergang aber bereits mit dem Folgetag des Verschmelzungsstichtags. In der vorliegenden ordentlichen Amtsrevision gegen das BFG-Erk (BFG 1. 2. 2023, RV/6100061/2022) war somit der Zeitpunkt des Vermögensübergangs strittig, der relevant für die Berechnung der Stabilitätsabgabe ist.

Entscheidung des VwGH

In zeitlicher Hinsicht wird bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Stabilitätsabgabe auf die Höhe der unkonsolidierten Bilanzsumme des jeweiligen vorangehenden Wirtschaftsjahres abgestellt. Für die Stabilitätsabgabe des Jahres 2016 sind somit die Werte aus dem Wirtschaftsjahr, das im Jahr 2015 endet, heranzuziehen. Es kann somit bei Umgründungen die Frage auftreten, wann die Vermögenswerte beim Rechtsnachfolger zur Berechnung der Stabilitätsabgabe zu erfassen sind.

Im Rahmen von Umgründungen erfolgt die Berechnung der Stabilitätsabgabe gem § 2 Abs 5 StabAbgG in der Art, dass die Vermögenswerte der übertragenden Bankbetriebe beim Rechtsnachfolger zu erfassen sind, sofern dieser ebenfalls ein Kreditinstitut ist. Zudem muss ein Zeitraum zwischen dem Bilanzstichtag und dem Kalenderjahr, für das die Stabilitätsabgabe anfällt, liegen. Dann erfolgt ein entsprechender Abzug der übergegangenen Werte beim Rechtsvorgänger.

Nach Ansicht des VwGH gilt § 2 Abs 5 StabAbG nicht nur für die in § 2 Abs 1 Satz 1 StabAbgG aufgezählten Übergangsjahre 2011–2013, sondern vielmehr für alle Jahre (§ 2 Abs 1 letzter Satz StabAbgG). § 2 Abs 5 StabAbgG sieht unter bestimmten Voraussetzungen vor, dass bei einem Vermögensübergang durch eine Umgründung von Kreditinstituten eine Erfassung des übertragenen Vermögens beim übernehmenden Kreditinstitut als Rechtsnachfolger zu erfassen ist. Dies setzt allerdings einen Vermögensübergang in einem „Zeitraum“ zwischen dem „maßgeblichen Bilanzstichtag“ gem § 2 Abs 1 StabAbgG und dem „Jahr, für das die Stabilitätsabgabe zu entrichten ist“ voraus. Als maßgeblicher Bilanzstichtag ist der Stichtag des Jahresabschlusses gemeint. Ein „Zeitraum“ iSd § 2 Abs 5 StabAbgG zwischen Bilanzstichtag und dem Jahr, für das die Stabilitätsabgabe zu entrichten ist, liegt nach Ansicht des VwGH jedenfalls dann vor, wenn ein vom 31.12. abweichender Bilanzstichtag vorliegt. Bei einem Bilanzstichtag 31.12. ist ein solcher „Zeitraum“ nicht denkbar, so der VwGH.

Daher hatte der VwGH zu prüfen, wann ein solcher Vermögensübergang iSd § 2 Abs 5 StabAbgG vorliegt. Das BFG ging davon aus, dass aufgrund der Anknüpfung des StabAbG an unternehmensrechtliche Bestimmungen ein Vermögensübergang durch Verschmelzung erst mit der Eintragung der Verschmelzung im Firmenbuch erfolgt (§ 225a Abs 3 Z 1 AktG). Nach Ansicht des VwGH ist allerdings dem StabAbgG eine zeitliche Anknüpfung an das Unternehmensrecht für Zwecke des Vermögensübergangs nicht zu entnehmen. Somit ist der entscheidende Zeitpunkt, zu dem Vermögen durch eine Umgründung für Zwecke der Stabilitätsabgabe übergegangen ist, nach den Bestimmungen des UmgrStG zu beurteilen.

Gem § 2 Abs 3 UmgrStG ist das Einkommen der übertragenden Körperschaft so zu ermitteln, als ob der Vermögensübergang mit Ablauf des Verschmelzungsstichtags erfolgt wäre. Mit Beginn des Folgetags des Verschmelzungsstichtags gilt dieser Vermögensübergang gem § 3 Abs 1 Z 4 UmgrStG für die übernehmende Körperschaft. Zweck dieser beiden Bestimmungen ist ein nahtloser Vermögensübergang in körperschaftsteuerlicher Hinsicht (VwGH 8. 4. 2022, Ro 2021/13/0015). Da zwischen dem Ende des 31.12. und dem Beginn des 1.1. des Folgejahres kein „Zeitraum“ iSd § 2 Abs 5 StabAbgG – und auch keine „juristische Sekunde“ – liegt, erfolgte der Vermögensübergang mit dem 1.1. des Folgejahres des Verschmelzungsstichtags.

Bei einem Verschmelzungsstichtag 31. 12. 2015 bedeutet dies, dass das Vermögen mit 1. 1. 2016 übergeht. Das führt in weiterer Folge dazu, dass dieses übergegangene Vermögen nicht mehr für die Stabilitätsabgabe 2016 herangezogen werden kann, weil dafür auf die unkonsolidierte Bilanzsumme des vorangegangenen Wirtschaftsjahres abgestellt wird.

Conclusio

Das vorliegende Erkenntnis ist insofern interessant, als der VwGH ausdrücklich von der Rechtsansicht des BFG abgegangen ist und als maßgeblichen Zeitpunkt des Vermögensübergangs den Folgetag des Verschmelzungsstichtags angesehen hat. Trotzdem gelangen sowohl BFG als auch VwGH rechnerisch zu demselben Ergebnis, weshalb die Amtsrevision abzuweisen war. Dies deshalb, weil beim Verschmelzungsstichtag zum 31. 12. 2015 ein Vermögensübergang mit dem Folgetag erfolgt (allgemein zur Rückwirkung siehe Kofler/Six in Kofler (Hrsg), UmgrStG12 [2023] § 2 Rz 57). Das Vermögen des übertragenden Kreditinstituts ist somit steuerlich erst im Jahr 2016 zu erfassen. Maßgebliche Vermögenswerte zur Berechnung der Stabilitätsabgabe 2016 sind allerdings die des vorangegangenen Wirtschaftsjahres (hier: 2015). Daher sind die übergegangenen Werte mit 1. 1. 2016 erst für die Stabilitätsabgabe 2017 heranzuziehen.

Zu demselben rechnerischen Ergebnis – nur mit einer anderen Rechtsansicht – gelangte auch das BFG. Es zog als maßgeblichen Zeitpunkt für den Übergang des Vermögens nicht den Folgetag des Verschmelzungsstichtags heran, sondern die Eintragung im Firmenbuch. Begründet wurde diese Ansicht mit der besonderen Anknüpfung des StabAbgG an das Bilanzrecht. Diese Anknüpfung müsse zu dem Ergebnis führen, dass auch ein Übergang des Vermögens für Zwecke der Stabilitätsabgabe erst mit dem bilanziellen Vermögensübergang – also mit dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums – zu erfolgen hat (Hristov/Kirchmayr, taxlex 2012, 81 [82]). Diese Ansicht führt aber ebenfalls dazu, dass im Fall des Verschmelzungsstichtags 31. 12. 2015 ein Vermögensübergang erst im Jahr 2016 erfolgt, weil die Eintragung der Verschmelzung im Jahr 2016 stattfand. Somit ist dieses übergegangene Vermögen erst für die Stabilitätsabgabe 2017 heranzuziehen, weshalb sowohl VwGH als auch BFG zu demselben rechnerischen Ergebnis kamen.

Unterschiedliche rechnerische Ergebnisse ergäben sich nur dann, wenn ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr vorliegt. Bei einem Bilanzstichtag vor dem 31.12. wäre nach dem VwGH-Erk ein Vermögensübergang in einem Zeitraum zwischen Bilanzstichtag und dem Jahr, für das die Stabilitätsabgabe zu berechnen ist, erfolgt und in diesem Jahr auf den Rechtsnachfolger für Zwecke der Stabilitätsabgabe übergegangen. Nach dem BFG-Erk käme es in einem solchen vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr aber darauf an, wann der bilanzielle Vermögensübergang erfolgt, der wiederum vom Übergang des wirtschaftlichen Eigentums abhängt (ausf dazu siehe Ludwig/Strimitzer in Hirschler (Hrsg), Bilanzrecht Band I2 [2019] § 202 Rz 49 ff). Geht das wirtschaftliche Eigentum in einem Zeitraum zwischen Bilanzstichtag und dem Jahr über, für das die Stabilitätsabgabe zu berechnen ist, so wäre die Rechtsfolge dieselbe wie nach dem VwGH-Erk. Erfolgt der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums allerdings erst nach dem Ende des Kalenderjahres (etwa mit Verschmelzungsbeschluss im Folgejahr), wäre das Vermögen für Zwecke der Berechnung der Stabilitätsabgabe erst im darauffolgenden Jahr heranzuziehen. Das würde ein abweichendes Ergebnis zum VwGH-Erk darstellen.

Fraglich könnte noch sein, ob die Rückwirkungsfiktion für Zwecke der Stabilitätsabgabe überhaupt anzuwenden ist, weil sich diese nur auf den Bereich der Ertragsteuern erstreckt (Staringer, ecolex 1998, 248 [248]). Ertragsteuern knüpfen an Einkünfte an. Die Höhe der Stabilitätsabgabe nimmt aber nicht unmittelbar Bezug auf die Einkünfte, sondern auf die durchschnittliche unkonsolidierte Bilanzsumme (§ 2 Abs 1 StabAbgG) des Kreditinstituts. Zudem stellt die zu leistende Sonderzahlung (§ 5 StabAbgG) gem § 10 Abs 2 StabAbgG eine abzugsfähige Betriebsausgabe dar. Daher stellt sich die Frage, wie diese Abgabe steuerlich einzuordnen ist und ob die ertragsteuerliche Rückwirkung überhaupt Anwendung finden kann. Mit dieser Frage hat sich der VwGH aber nicht auseinandergesetzt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35059 vom 12.02.2024