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Abstract
Der VwGH hatte zu entscheiden, ob der abgabenrechtliche Vertreter eines Vereins Steuerberatungskosten, die im Zuge einer Selbstanzeige für den Verein entstanden sind, in seiner eigenen Einkommensteuererklärung als Sonderausgaben gem § 18 Abs 1 Z 6 EStG geltend machen kann. Dabei war strittig, ob Steuerberatungskosten iZm einem Finanzstrafverfahren überhaupt Sonderausgaben darstellen können und, ob die Stellung als potenziell Haftender nach § 9 BAO für die Abzugsfähigkeit ausreichend ist.
VwGH 28. 6. 2023, Ro 2023/13/0002
Sachverhalt
Der Mitbeteiligte übte von 2014–2016 in einem Sportverein die Funktion des Schriftführers und ab 2015 auch jene des zweiten Obmann-Stellvertreters aus. In den Jahren 2016 und 2017 bekleidete er anschließend die Position des Sportvereinspräsidenten. Nach den Statuten des Vereins wird dieser nach außen vom Präsidenten und vom geschäftsführenden Obmann vertreten. 2017 erstattete der Mitbeteiligte für sich, für vier weitere Funktionäre und für den Verein Selbstanzeige, weil beim Verein angestellte Sportler in den Jahren 2011‒2017 Zahlungen erhalten hatten, ohne dass Lohnkonten geführt oder die Lohnsteuer und SV-Abgaben entrichtet wurden. Die Tragung der Abgabenrückstände im Rahmen der Selbstanzeige wurde zwischen dem Mitbeteiligten und den anderen Funktionären aufgeteilt. Die durch die Selbstanzeige anfallenden Steuerberatungskosten hat der Mitbeteiligte alleine getragen. Er unternahm weder für die Abgaben noch für die ihm erwachsenden Beratungskosten Regressanstrengungen gegenüber dem Verein. Im Anschluss an die Selbstanzeige wurde beim Verein eine GPLA durchgeführt, woraus weitere Steuerberatungskosten erwuchsen. Der Mitbeteiligte machte sodann in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2018 rd € 74.000 an Sonderausgaben für Steuerberatungskosten iZm der Selbstanzeige und GPLA des Vereins geltend. Das Finanzamt versagte deren Abzugsfähigkeit, weil es sich zum einen um Betriebsausgaben des Vereins handle und zum anderen Kosten einer finanzstrafrechtlichen Beratung nicht von § 18 Abs 1 Z 6 EStG erfasst seien. Dagegen erhob der Mitbeteiligte Beschwerde. Das BFG sprach aus, dass die Steuerberatungskosten dem Grunde nach Sonderausgaben darstellen, die dem Mitbeteiligten als potenziell für den Verein Haftungspflichtigem erwuchsen. Auch die Beratungskosten einer Selbstanzeige sind grundsätzlich voll abziehbar. Jedoch genügt die bloß abstrakte Stellung als potenziell nach § 9 BAO Haftender nicht, um fremde Steuerberatungskosten als eigene geltend zu machen, wenn grundlegende Tatbestandsmerkmale der Haftung nicht erfüllt sind. Da der Verein zwischen 2011 und 2014 über keine liquiden Mittel verfügte, scheidet für diesen Zeitraum eine Haftung gem § 9 BAO aus. Überdies wäre sowieso die Heranziehung des vorherigen Präsidenten zur Haftung für diesen Zeitraum im Rahmen des Ermessens weitaus eher geboten gewesen. Erst ab 2015 erscheint eine Haftung des Mitbeteiligten möglich. Daher könnten nur die Beratungskosten für den Zeitraum 2015‒2017 als eigene Steuerberatungskosten des Mitbeteiligten gewertet werden. Da der Mitbeteiligte sich um keinen Regress beim Verein bemühte, ist nach Abwägung des abgabenrechtlichen Interesses als Haftender und des persönlichen Interesses am Vereinserhalt nur die Hälfte der auf die Jahre 2015–2017 entfallenden Ausgaben als Sonderausgaben abzuziehen. Hiergegen wurde Amtsrevision erhoben.
Entscheidung des VwGH
Der Umstand, dass Steuerberatungskosten als Sonderausgaben zu berücksichtigen sind, geht bereits auf die 2. EStG-Novelle 1971 (BGBl 1971/370) zurück. Vom Begriff der Steuerberatungskosten sind allgemein die Beratung und Hilfeleistung in Abgabensachen umfasst. Es gibt dabei keine Beschränkung auf bestimmte Steuerarten (vgl VwGH 24. 10. 2002, 98/15/0094). Aus § 18 Abs 3 Z 1 EStG ergibt sich, dass nur die dort näher genannten Ausgaben vom Abgabenpflichtigen auch dann abgesetzt werden können, wenn sie nicht für ihn selbst, sondern für bestimmte nahestehende Personen geleistet werden. Steuerberatungskosten sind dort nicht genannt und können daher nur dann berücksichtigt werden, wenn es sich um eine Beratung des Abgabenpflichtigen in dessen Angelegenheiten (in dessen Interesse) handelt. Aus dem Gesetz ergibt sich aber keine Einschränkung dahin gehend, dass die Beratung nur materiell eigene Abgaben betreffen darf. Daher handelt es sich auch in Fällen einer drohenden persönlichen Haftung des Abgabenpflichtigen für Abgaben von Dritten, um eine „Angelegenheit dieses Abgabenpflichtigen“. Eine Beratung zur Vermeidung eines Strafverfahrens ist ebenfalls erfasst und kann zu Sonderausgaben führen. Der VwGH schließt sich im gegenständlichen Fall der Ansicht des BFG an, wonach Aufwendungen, die dadurch veranlasst sind, dass eine Selbstanzeige samt damit verbundener Ermittlung der Besteuerungsgrundlage erstellt wird, als Sonderausgaben zu berücksichtigen sind. Dies gilt aber nur für die mit der Selbstanzeige in Zusammenhang stehenden Kosten, nicht aber für die Kosten der Betreuung des Vereins während der auf die Selbstanzeige folgenden GPLA.
Der VwGH teilt nicht die Ansicht des BFG betreffend die zeitliche Einschränkung, wonach nur die Kosten für den Zeitraum ab 2015 abzugsfähig sind. Der Mitbeteiligte musste auch für die Jahre, in denen er noch nicht vertretungsbefugtes Organ des Vereins war, mit einer Heranziehung zur Haftung rechnen. Die Pflicht der Gesellschaft zur Abgabenentrichtung endet nämlich erst mit deren Abstattung. Eine etwaige sich durch die Heranziehung anderer Vertreter ergebende Minderung der Haftung des Mitbeteiligten ist nicht dazu geeignet den steuerlich zu berücksichtigenden Umfang der Beratungsaufwendungen zu mindern. Der Umstand, dass die Aufwendungen für die Steuerberatung auch im Interesse anderer Personen erfolgten, ist im gegenständlichen Fall nicht schädlich. Dem Mitbeteiligten hätte eine Haftung in voller Höhe der bisher nicht entrichteten Abgaben und nicht lediglich eine Haftung nach Köpfen gedroht. An der Höhe der Aufwendungen hätte sich auch dann nichts geändert, wenn die Beratungsleistungen ausschließlich im Interesse des Mitbeteiligten erbracht worden wären. Daher sind die Steuerberatungskosten für den gesamten haftungsrelevanten Zeitraum grundsätzlich abzugsfähig — und nicht nur für den Zeitraum ab 2015. Aus diesem Grund war das angefochtene Erkenntnis aufzuheben. Der VwGH stimmt dem BFG und auch der Amtsrevision aber zu, dass der Mitbeteiligte sich um eine Erstattung der Aufwendungen durch den Verein hätte bemühen sollen. Unstrittig ist, dass die Aufwendungen auch im abgabenrechtlichen Interesse des Vereins erfolgten. Der VwGH findet diesbezüglich daher keinen Anlass, der vom BFG vorgenommenen Hälfte-Teilung der Kosten entgegenzutreten.
Conclusio
Der VwGH stellt mit der gegenständlichen Entscheidung erstmals klar, dass die im Rahmen einer Selbstanzeige entstehenden Steuerberatungskosten nach § 18 Abs 1 Z 6 EStG als Sonderausgaben abzugsfähig sind. Dies gilt auch dann, wenn die Selbstanzeige nicht eigene Abgaben betrifft, sondern „nur“ der Vermeidung einer potenziellen Haftung iSd § 9 BAO dient. Dies dürfte auch mit den historischen Überlegungen zur Einführung der Abzugsfähigkeit von Steuerberatungskosten vereinbar sein. Bereits 1971 wurde nämlich angemerkt, dass man „die Abgabepflichtigen nicht unter Strafdrohung stellen und sie dann, wenn sie sich einer Steuerberatung bedienen, die Kosten dieser Steuerberatung nicht absetzen lassen [kann]“ (Sten ProtNR 51. Sitzung 12. GP 4104 ff [4112]). Anders als das BFG lässt der VwGH im gegenständlichen Fall den Abzug nunmehr sogar für den gesamten potenziell haftungsrelevanten Zeitraum zu (zur Problematik der zeitlichen Einschränkung siehe bereits Borns/Hubmann, SWK 2022, 1178 [1181 f]. Erst aufgrund der fehlenden Regressbemühungen spricht sich der VwGH – in Übereinstimmung mit dem BFG – für eine Einschränkung der Abzugsfähigkeit aus und bestätigt die Hälfte-Teilung des BFG. Im Ergebnis führt die Amtsrevision für den Mitbeteiligten nun aber trotzdem zu mehr als einer Verdopplung des abzugsfähigen Betrags (50 % statt 25,75 % der ursprünglich für die Selbstanzeige geltend gemachten Steuerberatungskosten). Zu beachten ist jedoch, dass die Abzugsfähigkeit nicht auch für die Kosten der Betreuung der GPLA-Prüfung des Vereins gilt. Da diese Kosten in den vom BFG berechneten Beträgen enthalten sind, wird es im fortgesetzten Verfahren insoweit zu einer Minderung kommen. Mangels genauer Kostenaufschlüsselung bleibt es daher noch offen, ob der Mitbeteiligte durch die Amtsrevision am Ende besser oder schlechter gestellt wird.