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FLAG 1967: § 43
Abstract
In der bisherigen Judikatur des VwGH mussten Arbeitgeber keinen Dienstgeberbeitrag für Erlöse aus Stock Options, die von dritter Seite gewährt wurden, leisten (vgl VwGH 28. 5. 1998, 96/15/0215). Mit der Änderung des § 78 Abs 1 EStG durch das 2. AbgÄG 2014 wurde dessen Haftung für die Lohnsteuer (LSt) gesetzlich auf „im Rahmen des Dienstverhältnisses von einem Dritten geleistete Vergütungen“ erweitert, wenn der Arbeitgeber von diesen weiß oder wissen muss. Im vorliegenden Fall hatte der VwGH zu klären, inwieweit sich diese Bestimmung auf die Einordnung von Stock Options, die von dritter Seite gewährt werden, auswirkt.
VwGH 26. 9. 2024, Ra 2023/15/0113
Sachverhalt
Die Mitbeteiligte ist eine österreichische GmbH, deren Anteile zur Gänze von einer deutschen Konzernmutter gehalten werden. Die Konzernmutter räumte den Arbeitnehmern der Mitbeteiligten Stock Options ein. Im Zuge einer Außenprüfung stellte der Prüfer fest, dass die Ausübung der Stock Options eine sonstige Vergütung der betroffenen Dienstnehmer darstellt, die der Bemessungsgrundlage für den Dienstgeberbeitrag und dem Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag hinzuzurechnen ist. Das FA schloss sich dieser Ansicht an und erließ entsprechende Bescheide für die Streitjahre 2017 und 2018.
Die Mitbeteiligte erhob Beschwerde gegen die Bescheide des FA mit der Begründung, dass die Stock Options nicht für die Bemessungsgrundlage für den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag heranzuziehen sind. Das BFG gab der Beschwerde Folge, worauf das FA Amtsrevision erhob.
Entscheidung des VwGH
§ 41 Abs 1 und 3 FLAG verpflichtet Dienstgeber, die Dienstnehmer im Bundesgebiet beschäftigen, einen Dienstgeberbeitrag zu leisten und von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen, die jeweils in einem Kalendermonat anfallen. Nach § 43 Abs 2 FLAG finden die Bestimmungen über die LSt sinngemäß Anwendung. Das gilt nach § 122 Abs 7 WKG idF vor BGBl I 2017/73 auch für den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag.
Werden dem Dienstnehmer Aktienoptionen eingeräumt und steht die Einräumung in einem Veranlassungszusammenhang mit dem Dienstverhältnis, sind die aus den Optionen resultierenden Vorteile als Lohnzahlung iSd § 78 Abs 1 EStG zu erfassen. Der Zufluss des Vorteils erfolgt mit der Ausübung der Option (vgl VwGH 19. 10. 2022, Ra 2021/15/0011; 15. 12. 2009, 2006/13/0136; vgl auch Kufner/Ruhdorfer-Grasl, Highlights aus dem Lohnsteuerrichtlinien-Wartungserlass 2023, RdW 2024/47, 49 (53) mVa LStR 2002 Rz 210a–213).
Grundsätzlich haftet der Arbeitgeber nach § 82 EStG dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der einzubehaltenden LSt. Zur Rechtslage vor dem 2. AbgÄG 2014 hat der VwGH die Rechtslage bereits in der E vom 24. 12. 2012, 2008/13/0106 geklärt. Das Höchstgericht hielt dabei fest, dass sich § 78 Abs 1 aF nicht auf jene Lohnzahlungen erstreckt, die nicht auf Veranlassung des Arbeitgebers, sondern ohne eine solche Veranlassung von dritter Seite geleistet werden. Diese Zahlungen müssen im Wege der Veranlagung durch den Arbeitnehmer erfasst werden. Entsprechend musste für diese Zahlungen weder der Dienstgeberbeitrag noch der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag vom Dienstgeber entrichtet werden. Nach der E des VwGH vom 1. 9. 2015, Ro 2014/15/0029, gilt dieser Grundsatz auch für die Kommunalsteuer (KommSt).
Der VwGH geht in der Folge auf die verfassungsrechtliche Ebene ein. Demnach vertritt der VfGH in seiner Rsp zur gleichheitsrechtlichen Beurteilung in abgaberechtlichen Angelegenheiten, dass nur diejenigen Personen zur Haftung herangezogen werden dürfen, bei denen eine Haftung sachlich begründet ist. Die Rechtfertigung wird aus einem durch eine Rechtsbeziehung begründeten sachlichen Zusammenhang zwischen der Person des Abgabepflichtigen und dem Haftungspflichtigen hergeleitet. Unsachlich erscheinen dabei insb Umstände, auf die die Person keinen Einfluss nehmen konnte, weil sie außerhalb ihrer Interessens- und Einflusssphäre liegen (vgl VfGH 15. 3. 2000, G 141/99; 16. 6. 2011, G 18/11).
Durch die Änderung des § 78 EStG im Zuge des 2. AbgÄG 2014 hat sich die Rechtslage dahin gehend verändert, dass der Arbeitgeber die LSt in Bezug auf Vergütungen Dritter einzubehalten hat, wenn diese Vergütungen in einem Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen und der Arbeitgeber von ihnen weiß oder wissen muss. Dadurch, dass der Arbeitgeber davon weiß oder wissen muss, werden nach der E des VwGH sämtliche verfassungsrechtliche Bedenken aus dem Weg geräumt.
Der undefinierte Begriff der Arbeitslöhne in § 41 FLAG wurde 1998 durch den VwGH näher konkretisiert: In VwGH 28. 5. 1998, 96/15/0215, wurde höchstgerichtlich festgehalten, dass die Beitragsschuld (nur) in Bezug auf jene Arbeitslöhne besteht, die dem Grunde nach für den Lohnsteuerabzug in Betracht kommen. Damit fallen nach § 78 Abs 1 EStG nF auch im Rahmen des Dienstverhältnisses von Dritten geleistete Arbeitslöhne, wenn der Arbeitgeber von diesen weiß oder wissen muss. Im vorliegenden Fall haben die Arbeitnehmer der Mitbeteiligten die ihnen gewährten Aktienoptionen unmittelbar dahin gehend ausgeübt, dass ihnen die Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem Verkaufspreis der Aktien ausbezahlt wurde. Diese Auszahlung stellt den Arbeitslohn dar. Sie erfolgt allerdings nicht durch die Konzernmutter an die Arbeitnehmer, sondern direkt von der Mitbeteiligten als Arbeitgeberin. Damit besteht auch die Verpflichtung für die Mitbeteiligte, den Dienstgeberbeitrag sowie den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Erlöse aus den Stock Options als Arbeitslohn abzuführen.
Conclusio
Mit der Erweiterung des Haftungskreises in § 78 Abs 1 EStG durch das 2. AbgÄG 2014 wurde die alte Rsp zur Lohnsteuerhaftung für Zuwendungen von dritter Seite, von denen der Dienstgeber weiß oder wissen muss, obsolet. Nunmehr müssen sich Dienstgeber darauf einstellen, auch dann den Dienstgeberbeitrag sowie den Zuschlag leisten zu müssen, wenn die Optionen von der (ausländischen) Konzernmutter vorgegeben werden.
Auch wenn sie nicht Gegenstand des vorliegenden Falles war, wird dasselbe für die KommSt gelten: Der VwGH hat in seiner Rsp zur aF festgehalten, dass die Vorteile aus der Ausübung von „Stock Options“ dem Lohnsteuerabzug nur dann unterliegen, wenn sie auf Veranlassung des Arbeitgebers – also nicht von Dritter Seite – geleistet wurden; sie müssen dabei ihre Wurzel im Dienstverhältnis der Mitarbeiter des Arbeitgebers haben und es sich demnach um Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit handeln. Entsprechend der Regelung im FLAG wird die im vorliegenden Fall geklärte Rechtslage auch auf die KommSt anwendbar sein.