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VwGH: Umsatzsteuerbetrug im Drittland ist für die echte Ausfuhrbefreiung unbeachtlich

Bearbeiter: Bence Komár

UStG 1994: § 6 Abs 1 Z 1, § 12

Abstract

Im vorliegenden Erkenntnis setzte sich der VwGH mit der Frage auseinander, ob einem Steuerpflichtigen der VSt-Abzug verweigert und die Ausfuhrbefreiung versagt werden darf, wenn dieser von einer MwSt-Hinterziehung in der Lieferkette in einem Drittstaat wusste oder wissen hätte müssen.

VwGH 25. 1. 2025, Ra 2024/13/0109

Sachverhalt

Die Revisionswerberin (Rw) beteiligte sich am Handel mit CDs und Game Boy Zubehör. Dabei nahm sie an einem Vorsteuer-Betrugskarussell teil: Bestimmte Händler importierten die Waren in das Unionsgebiet. Im Unionsgebiet wurde deren Wert durch vorgetäuschte Leistungen (zB Veredelung, „Komplettierung“ oder einfach Einschaltung eines zusätzlichen Händlers in die Lieferkette) erhöht. Anschließend wurden die Waren in Drittstaaten (zurück-)exportiert. Die Frächter/Spediteure tauschten die Rechnungen während der Beförderung in die Drittländer aus. Beim Import der Ware im Drittland wurde eine Rechnung mit einem geringeren Rechnungsbetrag verwendet als bei der Rechnung, die beim Export verwendet wurde. Die Rw nahm an dieser Phase des Karussells teil, indem sie die Gegenstände von einem (österreichischen) Unternehmer angekauft hatte und mit einem Aufschlag an eine Drittstaatsgesellschaft (A) weiterverkaufte. Die Ausfuhrlieferungen an A erfolgten nach Tschechien und Ungarn (damals noch Drittstaaten). Dieselben Waren wurden anschließend wieder in das Unionsgebiet importiert und der oben beschriebene Vorgang (Lieferkette) wurde wiederholt. Das österreichische Finanzamt (FA) verweigerte der Rw den VSt-Abzug und in weiterer Instanz versagte das BFG auch die Befreiung der Ausfuhrlieferungen (s 2. 8. 2024, RV/7100602/2024). Die Rw hätte – nachweislich und unstrittig – wissen müssen, dass sie an einer Transaktion teilnahm, die zum Abgabenbetrug in den damaligen Drittländern führte. In ihrer Revision machte die Rw geltend, dass ihrerseits ein „Wissen-Müssen“ ausschließlich über eine im Drittland erfolgte Steuerhinterziehung vorlag. Ob sie wissen hätte müssen, dass sie an einem im Unionsgebiet stattgefundenen Karussellbetrug teilnahm, wurde vom FA und BFG nicht nachgewiesen.

Entscheidung des VwGH

Ein VSt-Abzug gem § 12 UStG ist unabhängig vom Vorliegen der materiellen Voraussetzungen ua dann zu verweigern, wenn dieses Recht in betrügerischer Weise geltend gemacht wird. Müsste ein Stpfl wissen, dass er mit seinem Erwerb an einem Umsatz teilnimmt, der in eine MwSt-Hinterziehung einbezogen wird, ist der VSt-Abzug zu versagen. Eine Steuerbefreiung ist ebenfalls ua dann zu versagen, wenn ein Stpfl wissen müsste, dass er sich mit seinem Umsatz an einer Lieferkette beteiligt, innerhalb derer eine MwSt-Hinterziehung begangen wird (vgl VwGH 18. 12. 2019, Ra 2019/15/0045). Die Rw macht geltend, dass das BFG im Rahmen seiner Erwägungen Indizien für das Vorliegen eines „Wissen-Müssens“ über beabsichtigte Steuerumgehungen im Drittland dem „Wissen-Müssen“ über einen Umsatzsteuerbetrug zulasten des gemeinsamen MwSt-Systems gleichsetze. Für die Versagung des VSt-Abzugs und der (Ausfuhr-)Befreiung ist jedoch nur entscheidend, ob die Rw wusste oder wissen musste, dass ein Betrug zum Nachteil des gemeinsamen MwSt-Systems vorliegt (vgl zur Befreiung von Ausfuhrlieferungen EuGH 17. 10. 2019, C-653/18, Unitel, Rn 37; zum Vorsteuerabzug EuGH 11. 1. 2024, C-537/22, Global Ink Trade, Rn 36).

Eines der wesentlichsten Argumente des BFG ist es, dass die Rw von dem Rechnungsaustausch hätte wissen müssen. Dies wird von der Rw auch nicht bestritten. Dieses Wissen-Müssen bezieht sich aber lediglich auf einen Steuerbetrug betreffend Eingangsabgaben eines Drittstaates. Ein für das vorliegende Verfahren entscheidendes Wissen-Müssen betreffend eine MwSt-Hinterziehung in einem Mitgliedstaat folgt daraus nicht ohne Weiteres. Vor diesem Hintergrund kann nicht abschließend beurteilt werden, ob aus den tatsächlich vorliegenden Umständen darauf zu schließen wäre, dass die Rw auch von der MwSt-Hinterziehung in einem Mitgliedstaat hätte wissen müssen und ihr daher der VSt-Abzug und die Ausfuhrbefreiung zu versagen wäre. Der VwGH hob das Erkenntnis des BFG daher auf. Das BFG muss nun eine Ersatzentscheidung treffen (vgl Fister in Fister/Fuchs/Sachs [Hrsg], Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 42 VwGG [Stand 1. 10. 2018, rdb.at] Anm 7).

Conclusio

Die vorliegende Entscheidung ist im Einklang mit der EuGH-Rsp zur Versagung der Ausfuhrbefreiung (EuGH 17. 12. 2020, C-656/19, BAKATI PLUS, Rn 82 ff). Das BFG muss nun eine Entscheidung in der Sache treffen, wobei dieses an die Rechtsanschauung des VwGH gebunden ist (Twardosz in Twardosz [Hrsg], Handbuch VwGH-Verfahren5 [2022] Rn 440 f). Gelingt es dem BFG, den Nachweis zu erbringen, dass die Rw auch von einer MwSt-Hinterziehung im Unionsgebiet hätte wissen müssen, können sowohl der VSt-Abzug als auch die Ausfuhrbefreiung versagt werden (Rn 30 des vorliegenden Erkenntnisses). Die MwSt-Hinterziehung im Unionsgebiet bestand nach der Sachverhaltsfeststellung des BFG darin, dass der Preis der Waren durch vorgetäuschte Leistungen in Form von Veredelungen, Lizenzen und Komplettierung durch „Missing Trader“ nach dem Import in die Europäische Union erhöht wurde. Über sog „Bufferfirmen“ wurden die Waren an exportierende Gesellschaften (ua die Rw) mit Aufschlägen verkauft. Die Rw verkaufte die so angeschafften Waren als Exporteurin in die (damaligen) Drittstaaten.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36729 vom 14.05.2025