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VwGH: Umsatzsteuerliche Behandlung des Outsourcings von Zahlungsdienstleistungen

Bearbeiter: Philipp Scharizer

UStG 1994: § 6 Abs 1 Z 8 lit e

MwStSySt-RL: Art 135 Abs 1 lit d

Abstract

Der VwGH erkannte, dass die nahezu vollständige Auslagerung der Abwicklung des Kreditkartengeschäfts einer Bank an einen ausländischen Zahlungsdienstleister zu einem umsatzsteuerbaren Umsatz führt.

VwGH 22. 3. 2023, Ra 2022/13/0084

Sachverhalt

Die mitbeteiligte Partei war eine Bank, die sich auf die Ausgabe und Verwaltung von Kreditkarten spezialisiert hatte. Den für das Kreditkartengeschäft erforderlichen Verarbeitungsprozess lagerte die mitbeteiligte Partei fast vollständig an die deutsche A GmbH aus. Die A GmbH fungierte als Zahlungsdienstleister, der selbst weder über eine eigene Banklizenz noch über eine Betriebsstätte in Österreich verfügte. Die mitbeteiligte Partei behandelte die von der A GmbH bezogenen Leistungen gem § 6 Abs 1 Z 8 lit e UStG als von der Umsatzsteuer befreit und führte dementsprechend keine Umsatzsteuer ab. Bereits bei der Beauftragung der A GmbH durch die mitbeteiligte Partei kam in der Präambel des Dienstleistungsvertrages zum Ausdruck, dass die A GmbH mit den Dienstleistungen des Kreditkartenmanagements und der „Issuing Processing Services“ (Abwicklung der vom Herausgeber einer Kreditkarte zu erbringenden Dienstleistungen) beauftragt worden sei. Ohne dieses Gesamtpaket wäre die mitbeteiligte Partei nicht in der Lage, ihre Bankdienstleistungen iZm dem Kreditkartengeschäft gegenüber dem Kunden zu erbringen. Im vorliegenden Fall bot die A GmbH ein umfassendes Leistungspaket an. Der Zahlungsdienstleister war für die zentralen Aufgaben in den Bereichen „Processing“, „Financial Accounting & Settlement Service“ sowie „Service Center“ eigenverantwortlich tätig und trug damit auch die entsprechenden Haftungs- und Risikobereiche. Seitens der A GmbH wurden „Datenfiles“ erstellt, in denen für die einzelnen Kreditkartenkunden verbindliche Buchungsanweisungen (Abbuchungsaufträge) enthalten waren, die nicht geändert werden konnten. Die mitbeteiligte Partei musste lediglich eine formelle Autorisierung durchführen. Daneben beschränkten sich die Tätigkeiten der mitbeteiligten Partei auf den Bereich des Marketings. Das FA verneinte die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung gem § 6 Abs 1 Z 8 lit e UStG und setzte die USt für die Streitjahre 2012–2017 mit Bescheid fest, da die mitbeteiligte Partei im gegenständlichen Fall nur eine Nebenleistung erbringe und diese nicht unter die Befreiung falle. Das BFG gab der dagegen erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei statt und erkannte, dass die Leistungen aufgrund der Befreiung nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Ferner schlussfolgerte das BFG, dass aufgrund der vorliegenden Rsp keine ordentliche Revision zulässig sei. Das FA erhob gegen die Entscheidung des BFG eine außerordentliche Revision aufgrund der fehlenden Rsp zur Rechtsfrage, ob die Auslagerung des die Abwicklung des Kreditkartengeschäfts betreffenden „Processings“ sowie der damit verbundenen Serviceleistungen unter die Befreiung des § 6 Abs 1 Z 8 lit e UStG zu subsumieren sei.

Entscheidung des VwGH

Gemäß § 6 Abs 1 Z 8 lit e UStG sind Umsätze und die Vermittlung von Umsätzen im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr einschließlich des Zahlungs- und Überweisungsverkehrs steuerfrei. Die Vorschrift findet ihre unionsrechtliche Grundlage in Art 135 Abs 1 lit d MwStSySt-RL. Danach befreien die Mitgliedstaaten Umsätze – einschließlich der Vermittlung – im Einlagengeschäft und im Zahlungs- und Überweisungsverkehr. Damit wird auf den Anwendungsbereich des Bankgewerbes abgestellt. Die Befreiungsbestimmungen sind dementsprechend eng auszulegen. Die steuerbefreiten Umsätze werden durch die Art der erbrachten Dienstleistungen und nicht durch den Erbringer oder Empfänger der Dienstleistung definiert (EuGH 5. 6. 1997, C‑2/95, SDC, Rn 32; EuGH 25. 7. 2018, C-5/17, DPAS, Rn 31).

Im Mittelpunkt dieser Überlegungen steht die Überweisung, die in der Übertragung eines Geldbetrags besteht. Die Befreiungsvorschrift schließt nach ihrem Wortlaut grundsätzlich nicht aus, dass der Überweisungsvorgang in verschiedene Einzelleistungen aufgespalten wird, die dann „Umsätze im Überweisungsverkehr“ darstellen (EuGH 5. 6. 1997, C‑2/95, SDC, Rn 64). Die Steuerbefreiung kann sich jedoch nur auf Umsätze beziehen, die ein selbstständiges Ganzes bilden, das in seiner Gesamtheit die Erfüllung der spezifischen und wesentlichen Funktionen solcher Überweisungen bewirkt, indem es den Transfer von Geldern bewirkt und die rechtlichen und finanziellen Änderungen herbeiführt, die diesen Transfer verwirklichen (EuGH 25. 7. 2018, C-5/17, DPAS,Rn 34). Steuerbefreite Dienstleistungen sind von der Erbringung rein materieller, technischer oder administrativer Dienstleistungen abzugrenzen. Zu diesem Zweck ist insb der Umfang der Verantwortung des betreffenden Dienstleistungserbringers zu prüfen.

Wer die Überweisungen oder die Verbuchung auf den betreffenden Bankkonten nicht selbst vornimmt, sondern lediglich Kreditinstitute anweist diese Überweisungen oder Verbuchungen vorzunehmen, erbringt lediglich eine Vorstufe des Umsatzes im Überweisungs- oder Zahlungsverkehr. Die MwStSySt-RL befreit Umsätze, auch wenn sie nicht notwendigerweise von einer Bank oder einem Kreditinstitut ausgeführt werden, die ihrer Natur nach Finanzgeschäfte sind, während Dienstleistungen administrativer Art nicht befreit sind. (EuGH 25. 7. 2018, C-5/17, DPAS,Rn 40–45). Jedoch sind Leistungen als einheitlich anzusehen, wenn mehrere Einzelleistungen so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl EuGH 17. 12. 2020, C-801/19, Franck, Rn 23 und 25). Im vorliegenden Fall war vom Vorliegen einer komplexen einheitlichen Leistung auszugehen. Bei deren Beurteilung sind alle Umstände zu berücksichtigen, unter denen der Umsatz bewirkt wird, um seine charakteristischen Bestandteile zu ermitteln und unter diesen die dominierenden Bestandteile zu bestimmen. Der VwGH folgte dem BFG darin, dass der Hauptzweck des von der A GmbH erbrachten Leistungsbündels darin bestand, die reibungslose Abwicklung des Kreditkartengeschäftes zu ermöglichen. Für die mitbeteiligte Partei war die Erbringung der Gesamtheit der Leistungen durch die A GmbH für ihre eigenen Leistungen ausschlaggebend. Das Leistungsbündel war damit unverzichtbar, wobei der Kernbereich des Überweisungsvorganges nicht von der A GmbH erbracht wurde. Somit steht aber nicht die Überweisung im Vordergrund, sondern deren „Verarbeitungsprozess“, was die Nichtanwendbarkeit der Befreiungsbestimmung zur Folge hat. Auch der Zweck der Regelung gebietet es im vorliegenden Fall nicht, die von der A GmbH zu erbringenden Leistungen von der Umsatzsteuer zu befreien. Entgegen dem BFG erkannte der VwGH, dass der Grundsatz der Steuerneutralität nicht zu einer Ausweitung des Geltungsbereiches führen kann. Demnach ist das Leistungsbündel in Österreich steuerbar und steuerpflichtig.

Conclusio

Dieses Ergebnis steht grundsätzlich im Einklang mit der stRsp des VwGH und des EuGH. Fraglich ist jedoch, ob nicht aufgrund des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität von einer weiteren Auslegung der Einschränkung der Befreiungsbestimmung betreffend Bankgeschäfte auszugehen ist. Andernfalls käme es zu einer Einschränkung auf Banken, die von Finanzdienstleistern keine Vorbereitungsleistungen beziehen würden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34058 vom 24.05.2023