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Wiener Dienstgeberabgabegesetz (WDGAG): § 6a
Abstract
Im gegenständlichen Fall hatte der VwGH zu beurteilen, wie weit die Kontroll- und Überwachungspflichten eines Geschäftsführers gegenüber seinen Mitarbeitern im Zusammenhang mit der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten reichen. Konkret hat das Höchstgericht hierbei festgehalten, dass die Unterlassung von stichprobenartigen Überprüfungen mangels entgegenstehender Feststellungen Fahrlässigkeit begründet.
VwGH 21. 6. 2024, Ra 2023/13/0040.
Sachverhalt
Der Mitbeteiligte war von Jänner 2010 bis August 2018 Geschäftsführer der F GmbH. Er hat sich im Zuge seiner Tätigkeit einer Lohnverrechnerin bedient. Diese legte dem Mitbeteiligten die monatlichen Abgaben zur Unterschrift vor; er hat bei der Setzung der Unterschrift jeweils nie die Zusammensetzung der Beträge, sondern nur die Summe kontrolliert.
Bei einer Prüfung lohabhängiger Abgaben im Jahr 2018 wurde festgestellt, dass den Geschäftsführern Fahrzeuge für private Fahrten zur Verfügung gestellt worden waren und ua die Sachbezugswerte nicht in die Bemessungsgrundlage betreffend Kommunalsteuer einbezogen worden sind. Die dadurch verkürzten Abgaben waren allerdings bei der F GmbH uneinbringlich, weil über diese Konkurs eröffnet worden ist, der 2019 mit einer Quote von 1,46 % aufgehoben wurde. Die F GmbH wurde im März 2020 aus dem Firmenbuch gelöscht.
Im Jahr 2019 nahm das FA mit Bescheid den Mitbeteiligten für den Rückstand an Kommunalsteuer der F GmbH für den Zeitraum Jänner 2016 bis August 2018 und an der Wiener Dienstgeberabgabe für den Zeitraum Jänner bis August 2018 in Anspruch. Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde. Das BFG folgte der Beschwerde und hob den Bescheid des FA ersatzlos auf, weil dem Mitbeteiligten sein Verhalten nicht vorwerfbar ist. Dagegen richtet sich die gegenständliche Amtsrevision.
Entscheidung des VwGH
Nach § 6a Abs 1 KommStG und § 6a Abs 1 WDGAG haften die in §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Abgaben insoweit, als sie infolge schuldhafter Pflichtverletzung nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können. Das gilt insb für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Im vorliegenden Fall ist ausschließlich strittig, ob die Voraussetzungen der „schuldhaften Verletzung“ vorliegen.
Nach stRsp des VwGH kann die Abgabenbehörde bei einem Verstoß gegen die Abgabepflichten von einer schuldhaften Verletzung ausgehen, sofern der Vertreter nicht dartut, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung dieser Pflichten unmöglich gewesen ist (vgl etwa VwGH 27. 5. 2020, Ra 2020/13/0027, mwN). Schuldhaftigkeit beinhaltet jede Form des Verschuldens, also auch leichte Fahrlässigkeit (vgl etwa VwGH 2. 8. 1995, 93/13/0278).
Auch eine Übertragung der abgabenrechtlichen Pflichten auf eine andere Person befreit nicht von der Verantwortung. Ihn treffen entsprechende Auswahl- und Kontrollpflichten. Dabei müssen geeignete Aufsichts- und Überwachungsmaßnahmen getroffen werden, die sicherstellen, dass die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten tatsächlich erfolgt. Die Tätigkeit der beauftragten Personen muss in solchen Abständen überprüft werden, dass die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten nicht verborgen bleiben kann (vgl etwa VwGH 25. 11. 1980, 1383/80). Die Überwachungspflicht besteht auch dann, wenn es bisher noch zu keiner Fehlleistung gekommen ist (vgl VwGH 19. 6. 1999, 99/14/0128; 21. 10. 2003, 2001/14/0099, mwN).
Die Ausführungen des BFG erachtet der VwGH als widersprüchlich: Einerseits wird schuldhaftes Verhalten angenommen, andererseits wird es als nicht vorwerfbar bezeichnet, weil weder vorsätzliches noch fahrlässiges Verhalten vorliegt. Schuldhaftes Verhalten setzt allerdings Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraus. Das BFG führte dazu aus, der Mitbeteiligte sei seinen Pflichten in ausreichender Weise nachgekommen. Dabei handelt es sich um eine Frage der rechtlichen Beurteilung. Zwar trifft den Geschäftsführer nicht die Pflicht, jeden an Mitarbeiter delegierten Arbeitsablauf auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen. Er muss allerdings dafür Sorge tragen, dass durch eine innerbetriebliche Organisation etwa mittels Stichproben zu überprüfen ist, ob jener Aufgabenbereich ordnungsgemäß wahrgenommen wird, für den der Geschäftsführer verantwortlich ist (vgl VwGH 19. 4. 1988, 85/14/0055).
Im gegenständlichen Fall bezog sich die Prüfung allerdings nur auf die Summe, nicht auch auf die Zusammensetzung der Abgabenbeträge. Entsprechend kann von einer Prüfung der ordnungsgemäßen Wahrnehmung des delegierten Aufgabenbereichs nicht die Rede sein. Der Ansicht des BFG, dass die Ungereimtheiten aufgrund des geringen Betrags pro Monat nicht auffallen hätten können, liegen keine Feststellungen zu Grunde. Ob eine stichprobenartige Überprüfung den Schaden vermeiden hätte können (vgl dazu VwGH 2. 8. 1995, 93/13/0278, unter Hinweis auf VwGH 20. 12. 1982, 3092/80; vgl weiters VwGH 19. 12. 2002, 2002/15/0152; 20. 9. 2006, 2001/14/0202), kann somit nicht überprüft werden.
Conclusio
Im Ergebnis hat der VwGH – im Gegensatz zum BFG – die Auswahl einer Lohnverrechnerin und die Überprüfung der Gesamtsumme der monatlichen Abgaben durch den Geschäftsführer als nicht ausreichend erachtet, um eine Haftungsbefreiung zu erwirken. Spannend ist hierbei, dass das BFG eine Revision für unzulässig erklärt hat, weil es nach eigener Ansicht der stRsp des VwGH gefolgt ist: Wie sich nach dieser VwGH-Entscheidung zeigt, war das eindeutig nicht der Fall. Weder hat das BFG zumutbare Überwachungsmaßnahmen berücksichtigt (vgl VwGH 19. 4. 1988, 85/14/0055; vgl auch – betreffend Finanzvergehen - zB VwGH 17. 1. 1984, 83/14/0152) noch den Umstand, dass die Überwachungspflicht auch dann besteht, wenn es bisher noch zu keiner Fehlleistung gekommen ist (vgl VwGH 19. 6. 1999, 99/14/0128; 21. 10. 2003, 2001/14/0099, mwN).
Insgesamt ähnelt die Vertreterhaftung nach § 6a KommStG stark derjenigen des § 9 BAO, geht in manchen Bereichen allerdings darüber hinaus (Bieber/Pinetz in Bergmann/Pinetz/Spies, Kommunalsteuergesetz [2024], § 6a [in Druck]). Damit bedarf es auch hier Kontrollen des Personals in regelmäßigen Abständen (VwGH 16. 9. 2003, 2000/14/0106 mwN). Der beinahe idente Wortlaut des § 6a WDGAG lässt darauf schließen, dass hier ähnliches gelten muss. Bereits im Jahr 1988 (VwGH 19. 4. 1988, 85/14/0055) hat der VwGH festgehalten, dass die innerbetriebliche Organisation in geeigneter Weise – etwa durch Stichproben oder elektronische Datenverarbeitungsanlagen – zu überprüfen ist, widrigenfalls die Vertreterhaftung greift. Dass im gegenständlichen Fall aufgrund der lediglichen Überprüfung der Summe der Abgaben ebenjene Überprüfung nicht ausreichend stattgefunden hat, leuchtet daher ein.