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Abstract
Der VwGH hatte sich mit der Verlängerung der Festsetzungsverjährungsfrist aufgrund einer potentiellen Abgabenhinterziehung gem § 207 Abs 2 BAO iVm § 33 FinStrG auseinanderzusetzen. Das BFG hatte eine Abgabenhinterziehung mangels Vorsatzes des Abgabepflichtigen verneint. Die Abgabenbehörde brachte in ihrer Revision allerdings vor, dass ein solcher Vorsatz auf Ebene des Steuerberaters vorliegen würde.
VwGH 17. 8. 2023 Ra 2023/13/0053-5
Sachverhalt
Der mitbeteiligte Steuerpflichtige (Stpfl) ist ein ehemaliger Leistungssportler und Gesellschafter einer nicht näher spezifizierten Gesellschaft. Im Jahr 2006 wurde vereinbart, dass die Gesellschaft ein auf dem Privatgrundstück des Stpfl liegendes Gebäude für 20 Jahre nutzen durfte. Im Gegenzug hatte die Gesellschaft die Baukosten iHv bis zu EUR 700.000 zu tragen. Der Stpfl vertrat, dass es sich bei den Zahlungen um Mieterinvestitionen handle, die dem Vermieter erst mit Beendigung des Mietverhältnisses zufließen würden und gab die Zahlung daher weder in der Einkommensteuererklärung im Jahr 2006 noch in den Folgejahren an.
Im Rahmen einer Prüfung gelangte die Abgabenbehörde zur Auffassung, dass die von der Gesellschaft zu tragenden Baukosten als Mietvorauszahlung an den Stpfl zu qualifizieren seien, sodass neue Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007–2014 erlassen wurden, wogegen der Stpfl Beschwerde erhob. Nach einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung und einem im Anschluss für längere Zeit nicht bearbeiteten Vorlageantrag zog der Stpfl die Beschwerde für die Jahre 2010 bis 2014 zurück, sodass sich das BFG nur mehr mit den Jahren 2007 bis 2009 zu befassen hatte.
Das BFG gab der Beschwerde statt (BFG 23. 3. 2023, RV/7100732/2019; Hellebrandt, BFG zur Verlängerung der Verjährungsfrist nach § 207 BAO, Rechtsnews 34142). Darin führte es aus, dass die Festsetzung der Abgabe gem § 207 Abs 2 BAO im Jahr 2016 bereits verjährt sei und eine für die Verlängerung der Verjährungsfrist auf zehn Jahre notwendige Abgabenhinterziehung nicht vorliege, weil dem Stpfl kein Vorsatz nachgewiesen werden könne. Er habe schließlich auf die Auskunft des steuerlichen Vertreters vertraut.
Gegen das Erkenntnis des BFG wurde außerordentliche Amtsrevision erhoben, in der die Abgabenbehörde vorbrachte, dass die Befassung eines Steuerberaters kein Freibrief dafür sein könne, steuerpflichtige Einnahmen der Abgabenbehörde gänzlich zu verschweigen. Das BFG hätte sich mit der Frage beschäftigen müssen, ob es nicht zumindest der Steuerberater „ernstlich für möglich halten hätte müssen und sich damit abgefunden hätte“, dass die Einkommensteuer beträchtlich verkürzt würde.
Entscheidung des VwGH
Der VwGH ruft zunächst in Erinnerung, dass die Verjährungsfrist für die Festsetzung der Abgabe zehn Jahre beträgt, soweit die Abgabe hinterzogen ist. Eine Abgabenhinterziehung setzt gem § 33 Abs 1 FinStrG Vorsatz voraus. Für den Vorsatz genügt es, dass der Täter die Verwirklichung der Abgabenhinterziehung ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet (§ 8 Abs 1 FinStrG). Vorsatz ist zwar ein nach außen nicht erkennbarer Willensvorgang, ist aber aus „dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen“, was im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu erfolgen hat (VwGH 31. 1. 2018, Ro 2017/15/0015). Die Behauptung der Revision, dass Ermittlungs- oder Begründungsmängel seitens des BFG vorliegen, kann nur dann zum Erfolg führen, wenn in der Revision die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler in konkreter Weise dargelegt werden.
Entgegen dem Vorbringen der Abgabenbehörde in der Amtsrevision hat das BFG eigene Feststellungen zum Vorsatz des Stpfl getroffen. Es ist aber nicht entscheidend, ob der Steuerberater eine Verkürzung ernstlich für möglich halten hätte müssen, da dies lediglich Fahrlässigkeit begründen würde (VwGH 20. 4. 1998, 97/17/0179). Ein vorsätzliches Handeln erfordert hingegen, dass die betreffende Person das Eintreten des Sachverhalts (tatsächlich) ernstlich für möglich gehalten hat. Dass der Steuerberater eine Abgabenverkürzung tatsächlich ernstlich für möglich gehalten hat und sich damit abgefunden hat, wird aber von der Abgabenbehörde in der Revision nicht behauptet.
Da keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen wurden, war die Revision mit Beschluss zurückzuweisen.
Conclusio
Gem § 207 Abs 2 BAO verlängert sich die Festsetzungsverjährungsfrist seit dem BetrugsbekämpfungsG 2010 (BGBl I 2010/105) auf zehn Jahre, wenn die Abgabe hinterzogen wurde. Für die Annahme der verlängerten Verjährungsfrist ist es nicht notwendig, dass tatsächlich ein Finanzstrafverfahren eingeleitet wurde (VwGH 15. 11. 2005, 2002/14/0154), es muss aber eine eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare Feststellung über die Abgabenhinterziehung erfolgen (VwGH 9. 4. 2020, Ra 2020/16/0023 mwN). Eine solche ist der Abgabenbehörde im vorliegenden Fall nicht gelungen, weswegen die Abgabe mangels Fristverlängerung im Jahr 2016 bereits als verjährt anzusehen war.
Anzumerken ist, dass die verlängerte Verjährungsfrist unabhängig davon eintritt, wer die Abgabe hinterzogen hat (Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 207 Rz 16). Begeht daher der Steuerberater eine vorsätzliche Abgabenverkürzung, kann dies für ihn nicht nur finanzstrafrechtliche Folgen nach sich ziehen (Köck in Köck/Judmaier/Kalcher/Schmitt FinStrG Band 15 [2018], § 33 Rz 5 ff), sondern auch die abgabenrechtliche Verjährungsfrist für seinen Mandanten verlängern. Im vorliegenden Fall dürfte der Stpfl auf seinen Steuerberater vertraut haben, weswegen es etwas überrascht, dass im Verfahren vor dem BFG die subjektive Tatseite nur auf Ebene des Abgabepflichtigen thematisiert wurde, nicht aber auf Ebene des Steuerberaters, der in die rechtliche Gestaltung involviert war. Der Versuch der Abgabenbehörde, dies im Rahmen der außerordentlichen Revision nachzuholen, war aufgrund der unachtsamen Formulierung („ernstlich für möglich halten hätte müssen“ statt „ernstlich für möglich gehalten hätte“) nicht erfolgreich, weil dies – wie der VwGH ausführte – eine bloße Fahrlässigkeit begründet.