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VwGH: Voraussetzungen der Nichtbesteuerung von Tagesgeldern für Dienstreisen

Bearbeiter: Flavia Wiedemann

EStG: § 3 Abs 1 Z 16b, § 16 Abs 1 Z 9, § 26 Z 4

Abstract

Der VwGH beleuchtet die Voraussetzungen der Anwendung von § 3 Abs 1 Z 16b und § 26 Z 4 EStG auf Tagesgelder für Dienstreisen. § 3 Abs 1 Z 16b EStG normiert die Steuerfreiheit von vom Arbeitgeber als Reiseaufwandsentschädigungen gezahlten Tages- und Nächtigungsgeldern. § 26 Z 4 EStG betrifft die Nichtsteuerbarkeit dieser als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Anwendung der genannten Bestimmungen bedarf jeweils konkreter Aufzeichnungen bezüglich der Aufwendungen für eine bestimmte Dienstreise, die bereits der Leistung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer zugrunde liegen müssen. Nicht einzeln abgerechnete Leistungen des Arbeitgebers können lediglich als Werbungskosten gem § 16 Abs 1 Z 9 EStG geltend gemacht werden.

VwGH 11. 1. 2021, Ra 2019/15/0163

Sachverhalt

Seit 1. Mai 2015 betätigt sich der Mitbeteiligte in Österreich als Regional-Verkaufsleiter für ein in Deutschland ansässiges Unternehmen, woraus er lohnsteuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit bezieht. Der Arbeitgeber zahlt dem Mitbeteiligten Reiseaufwandsentschädigungen pauschal aus. Im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung für 2016 begehrte der Mitbeteiligte ua die Steuerfreistellung von 5.477,10 € als Tagesgelder, wobei das Finanzamt lediglich 1.069,70 € festsetzte. In zweiter Instanz wurden vom BFG hingegen Tagesgelder iHv 4.756,20 € mit der Begründung anerkannt, dass sämtliche Reisevergütungen innerhalb der vom Arbeitgeber gewährten monatlichen Pauschalvergütungsbeträge gelegen seien und für jede einzelne Dienstreise nachträgliche und zeitnahe Aufzeichnungen vorgelegt wurden. Die Revision wurde als nicht zulässig erklärt. Es wurde außerordentliche Amtsrevision erhoben.

Entscheidung des VwGH

Nach ständiger Rsp des VwGH können pauschale Reiseaufwandsentschädigungen nicht unter § 3 Abs 1 Z 16b oder § 26 Z 4 EStG subsumiert werden. Im Falle von nach § 26 EStG nicht steuerbaren Arbeitgeberleistungen müssen diese nämlich einzeln abgerechnet und durch vom Arbeitnehmer zu erbringende Nachweise für Dienstreisen belegt werden (vgl VwGH 30. 1. 2003, 99/15/0215; VwGH 27. 11. 2017, 2015/15/0026). Die Leistung des Arbeitgebers stellt den Ersatz einer konkreten Dienstreise dar. Diese hat bereits auf Basis entsprechender Berechnungsunterlagen zu erfolgen (vgl VwGH 19. 9. 1989, 89/14/0121). Pauschal ausbezahlte Leistungen zählen hingegen nach ständiger Rsp zum steuerpflichtigen Arbeitslohn iSd § 25 EStG (vgl VwGH 25. 5. 2016, 2013/15/0185; 28. 10. 2006, 2006/15/0295).

Auch § 3 Abs 1 Z 16b EStG kann zu keiner Steuerfreiheit pauschal ausgezahlter Reiseaufwandsentschädigungen führen. Diese Bestimmung stellt die Nachfolgeregelung zu § 24 Z 4 vierter Satz EStG dar. Dieser wurde bereits 2006 vom VfGH als verfassungswidrig aufgehoben. § 24 Z 4 vierter Satz EStG erlaubte einen weiteren Dienstreisebegriff als jenen des § 26 Z 4 EStG und umfasste auch bei typisierender Betrachtungsweise Fälle, bei denen der Leistung des Arbeitgebers keine entsprechenden Verpflegungsmaßnahmen gegenüberstanden (vgl VfGH 22. 6. 2006, G 147/05 ua). Aus diesem Grund wurde die Bestimmung vom VfGH als verfassungswidrig aufgehoben. Die Nachfolgeregelung des § 3 Abs 1 Z 16b EStG erlaubt die steuerfreie Auszahlung von Tagesgeldern auf Grund eines weiter ausgelegten Dienstreisebegriffs hingegen nur mehr bei taxativ aufgezählten Tätigkeiten. Aus dem Wortlaut der Bestimmung („gezahlte Tagesgelder“) sowie dem Verweis auf § 26 Z 4 EStG ergibt sich – so der VwGH –, dass auch die Subsumtion unter § 3 Abs 1 Z 16b EStG nur für einzeln abgerechnete Reisebetätigungen möglich ist.

Somit bedarf es sowohl bei § 26 Z 4, als auch § 3 Abs 1 Z 16b EStG der Konkretisierung der einzelnen dienstreisebezogenen Leistung des Arbeitgebers. Im vorliegenden Fall wurden jedoch Pauschalbeträge ausbezahlt. Soweit keine einzelne Abrechnung erfolgt, steht dem Mitbeteiligten nur die Geltendmachung als Werbungskosten gem § 16 Abs 1 Z 9 EStG offen. Aus den genannten Gründen hob der VwGH das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Pauschale Abrechnungen können auch deshalb nicht von § 3 Abs 1 Z 16b oder § 26 Z 4 EStG erfasst sein, da dem Arbeitgeber eine teilweise Kontrollfunktion zukommt. Für die Finanzverwaltung muss die Überprüfung des vorgenommenen Lohnsteuerabzuges daher zwingenderweise jederzeit und leicht möglich sein (vgl VwGH 27. 11. 2017, 2015/15/0026; VwGH 20. 6. 2000, 98/15/0068).

Conclusio

Im Einklang mit der ständigen Rsp verneinte der VwGH im vorliegenden Sachverhalt die Anwendung von § 3 Abs 1 Z 16b und § 26 Z 4 EStG. Um unter die genannten Bestimmungen fallen zu können, müssen Reiseaufwandsentschädigungen vom Arbeitgeber einzeln abgerechnet werden. Erfolgt eine pauschale Auszahlung, steht dem Arbeitnehmer nur die Berücksichtigung als Werbungskosten im Veranlagungsverfahren offen. Dies stellt dahingehend eine Schlechterstellung des Arbeitnehmers dar, als im Gegensatz zur sofortigen Auszahlung steuerfreier Reisekosten durch den Arbeitgeber, die Reiseaufwandentschädigungen erst iRd Arbeitnehmerveranlagung geltend gemacht werden können.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31090 vom 24.06.2021