News

VwGH zum Ansatz der fiktiven Anschaffungskosten gem § 16 Abs 1 Z 8 lit c EStG bei Altvermögen

Bearbeiter: Eric Coenen

EStG: §§ 16 Abs 1 Z 8 lit c, 30 Abs 4 und Abs 6

Abstract

Gem § 16 Abs 1 Z 8 lit c EStG können die fiktiven Anschaffungskosten für Zwecke der Absetzung für Abnutzung (AfA) für ein Gebäude des Altvermögens herangezogen werden, sofern dieses erstmalig zur Einkünfteerzielung genutzt wird. Nach Ansicht des VwGH bezieht sich die erstmalige Nutzung zur Einkünfteerzielung auf das Gebäude selbst und nicht auf die das Gebäude nutzende Person. Da das Gebäude im vorliegenden Fall jedoch nicht erstmalig zur Einkünfteerzielung genutzt wurde, schied der Ansatz der fiktiven Anschaffungskosten für Zwecke der AfA aus, was in weiterer Folge auch die Bemessungsgrundlage der ImmoESt veränderte. Daher waren anstelle des Veräußerungserlöses nicht die fiktiven Anschaffungskosten gem § 30 Abs 6 lit a TS 1 EStG für die Berechnung der ImmoESt anzusetzen, sondern der tatsächliche Veräußerungserlös.

VwGH 22. 2. 2024, Ra 2022/13/0086

Sachverhalt

Der Mitbeteiligte war mit seinem Bruder seit 1992 je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft. Im Jahr 2007 verstarb der Bruder, der bis zum Zeitpunkt des Todes die Liegenschaft gewerblich zur Einkünfteerzielung nutzte. Die Mutter war seine Alleinerbin. Im Jahr 2008 verkaufte die Mutter ihren Hälfteanteil zum Abtretungspreis von 70.000 EUR an den Mitbeteiligten. Diese Abtretung wurde als gemischte Schenkung und somit als unentgeltlich eingestuft. Ab 1. 1. 2014 vermietete der Mitbeteiligte die Liegenschaft. Nach Veräußerung der Liegenschaft im Jahr 2019 um 650.000 EUR führte das Finanzamt (FA) mit Bescheid aus, dass die ImmoESt unrichtig berechnet worden sei, weil der Mitbeteiligte zu Unrecht die fiktiven Anschaffungskosten als Bemessungsgrundlage für die AfA heranzog. In der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde bestätigte das BFG hingegen die vom Mitbeteiligten vorgelegten fiktiven Anschaffungskosten für Zwecke der Berechnung der ImmoESt. Im vorliegenden Fall war somit strittig, ob der Mitbeteiligte die fiktiven Anschaffungskosten für Zwecke der AfA heranziehen konnte.

Entscheidung des VwGH

Zu Beginn führt der VwGH aus, dass das BFG von einer unrichtigen Sachverhaltsannahme ausgegangen war. In der Beweiswürdigung ging das BFG nämlich davon aus, dass die Liegenschaft zwischen 2004 und 2013 nicht zur Einkünfteerzielung genutzt worden sei. Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich allerdings eindeutig, dass diese Liegenschaft bis zum Zeitpunkt des Todes des Bruders von diesem gewerblich zur Einkünfteerzielung in Form einer KFZ-Werkstatt verwendet wurde. Diese unrichtige Sachverhaltsannahme durch das BFG erweist sich nach Ansicht des VwGH auch als entscheidungserheblich, weil davon die Frage der AfA-Bemessungsgrundlage und in weiterer Folge die Höhe der ImmoESt abhängt.

Daran anschließend prüft der VwGH, ob die fiktiven Anschaffungskosten für die AfA heranzuziehen waren. Seit dem Abgabenänderungsgesetz 2012 ist es für Gebäude des Neuvermögens nicht mehr möglich, die fiktiven Anschaffungskosten für die AfA heranzuziehen. Als Anschaffungskosten für Zwecke der AfA sind seitdem gem § 16 Abs 1 Z 8 lit a EStG die tatsächlichen Anschaffungskosten anzusetzen oder es ist gem lit b leg cit die Abschreibung des Rechtsvorgängers fortzuführen. Bloß für Altvermögen iSd § 30 Abs 4 EStG gibt es eine Ausnahme in § 16 Abs 1 Z 8 lit c EStG: Demnach sind die fiktiven Anschaffungskosten zum Zeitpunkt der erstmaligen Nutzung zur Einkünfteerzielung für die AfA heranzuziehen. Im vorliegenden Fall war fraglich, ob die Voraussetzung der erstmaligen Nutzung zur Einkünfteerzielung personenbezogen oder gebäudebezogen zu verstehen ist. Nach Ansicht des VwGH spricht der Wortlaut der Bestimmung eindeutig für ein gebäudebezogenes Verständnis.

Da die fiktiven Anschaffungskosten nur bei Altvermögen für Zwecke der AfA heranzuziehen sind, musste in weiterer Folge auch die Altvermögenseigenschaft des Grundstücks geprüft werden. Im vorliegenden Fall erfolgten bloß unentgeltliche Übertragungen des Eigentums an der Liegenschaft. Das führt dazu, dass der Rechtsnachfolger (hier: der Mitbeteiligte) die Altvermögenseigenschaft des Rechtsvorgängers (hier: des Bruders) übernimmt (siehe Hohenwarter-Mayr, Rechtsnachfolge im Unternehmenssteuerrecht [2019] 412). Im Ergebnis handelt es sich somit zwar um Altvermögen. § 16 Abs 1 Z 8 lit c EStG war allerdings nicht anwendbar, weil der Bruder des Mitbeteiligten als vorheriger Hälfteeigentümer des Grundstücks das Gebäude bereits zur Einkünfteerzielung nutzte. Daher war die zweite Voraussetzung des § 16 Abs 1 Z 8 lit c EStG nicht erfüllt.

Die fehlende Anwendbarkeit des § 16 Abs 1 Z 8 lit c EStG hat in weiterer Folge auch Relevanz für die Höhe der ImmoESt. § 30 Abs 6 lit a TS 1 EStG erlaubt den Ansatz der fiktiven Anschaffungskosten anstelle des Veräußerungserlöses für Zwecke der Berechnung der ImmoESt. Allerdings ist es dafür auch notwendig, dass die fiktiven Anschaffungskosten für die AfA nach § 16 Abs 1 Z 8 lit c EStG herangezogen werden können. Da diese Bestimmung aber im vorliegenden Fall nicht einschlägig war, ist auch der Ansatz der fiktiven Anschaffungskosten anstelle des Veräußerungserlöses für die ImmoESt nicht möglich. Die ImmoESt war daher anhand des Unterschiedsbetrags zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 86 % anzusetzenden Anschaffungskosten gem § 30 Abs 4 Z 2 EStG zu berechnen.

Conclusio

Im vorliegenden Fall blieb die Eigenschaft des Grundstücks als Altvermögen iSd § 30 Abs 4 EStG nur deshalb gewahrt, weil der Erwerb des Hälfteanteils durch den Bruder im Jahr 2008 wegen gemischter Schenkung in Folge der Erbschaft als unentgeltlich eingestuft worden ist. Bei einem solchen unentgeltlichen Erwerb wird für Zwecke der Einordnung als Neu- oder Altvermögen gem § 30 Abs 1 3. Satz EStG auf den Anschaffungszeitpunkt durch den Rechtsvorgänger abgestellt. Da der Rechtsvorgänger das Eigentum am Grundstück bereits 1992 erwarb, war dieses zum 31. 3. 2012 nicht mehr steuerverfangen. Demnach war es als Altvermögen einzustufen, woran der unentgeltliche Erwerb durch den Mitbeteiligten nichts ändern konnte (Hohenwarter-Mayr, Rechtsnachfolge im Unternehmenssteuerrecht [2019] 412, FN 2140). Folglich scheiterte der für den Mitbeteiligten günstigere Ansatz der fiktiven Anschaffungskosten gem § 16 Abs 1 Z 8 lit c EStG für Zwecke der AfA bloß an der fehlenden „erstmaligen“ Nutzung zur Einkünfteerzielung, weil der verstorbene Bruder das Grundstück bereits als KFZ-Werkstatt verwendete. Eine erstmalige Nutzung zur Einkünfteerzielung wäre in weiterer Folge zwingende Voraussetzung für den Ansatz der fiktiven Anschaffungskosten anstelle des Veräußerungserlöses für die ImmoESt gem § 30 Abs 6 lit a TS 1 EStG gewesen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35701 vom 29.07.2024