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VwGH zum Begriff der mittelbaren Abhängigkeit iSd Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO

Bearbeiter: Michael Gleiss

BAO: § 212a

Abstract

Der VwGH hatte über eine ao Amtsrevision zu entscheiden. Fraglich war, ob zwischen der Höhe der auszusetzenden Abgaben und der Erledigung der eingebrachten Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung eine mittelbare Abhängigkeit iSd § 212a BAO bestand. In verfassungskonformer Interpretation bejahte der Gerichtshof das Vorliegen der mittelbaren Abhängigkeit, weshalb der Bewilligung der Aussetzung der Einhebung nicht entgegenzutreten war. Da das BFG jedoch nicht – wie von § 212a Abs 2 lit a BAO gefordert – auch die Erfolgsaussichten der Beschwerde beurteilt hatte, hob der VwGH das Erkenntnis dennoch auf.

VwGH 29. 3. 2023, Ra 2021/15/0110

Sachverhalt

Im Anschluss an eine Außenprüfung bei der mitbeteiligten Partei erließ das FA neue Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide. Im nachfolgenden Beschwerdeverfahren beantragte die mitbeteiligte Partei schließlich die Vorlage an das BFG. Das BFG wies die Beschwerde als verspätet zurück.

In der Folge begehrte die mitbeteiligte Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Außerdem wurde die Aussetzung der streitgegenständlichen Abgaben beantragt. Begründet wurde der Antrag auf Aussetzung damit, dass die Höhe der einzuhebenden Abgaben mittelbar von der Erledigung des Antrags auf Wiedereinsetzung abhänge. Das FA wies beide Anträge ab.

Die mitbeteiligte Partei erhob sodann Beschwerde gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags. Zudem wurde ein (weiterer) Antrag (5. 5. 2020) auf Aussetzung der Einhebung der zugrundeliegenden Abgaben gestellt. Begründet wurde der Antrag damit, dass die Einhebung der Abgaben mittelbar von der Erledigung der Beschwerde gegen den abweisenden Antrag auf Wiedereinsetzung abhänge.

Das FA wies die Beschwerde gegen die Abweisung des Wiederaufnahmeantrags mit Beschwerdevorentscheidung ab. Die mitbeteiligte Partei begehrte die Vorlage der Beschwerde an das BFG. Außerdem wurde ein weiterer Antrag (6. 10. 2020) auf Aussetzung der Einhebung gestellt.

Das FA wies sodann die beiden noch nicht erledigten Anträge auf Aussetzung der Einhebung als unbegründet ab. Gegen die Abweisung der Anträge erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde und beantragte – nach abweisender Beschwerdevorentscheidung – die Vorlage der Beschwerde an das BFG.

Das BFG gab der Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf Aussetzung der Einhebung vom 5. 5. 2020 Folge, die Revision wurde nicht zugelassen. Das FA erhob außerordentliche Revision. Die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung vom 6. 10. 2020 erklärte das BFG für gegenstandslos.

Entscheidung des VwGH

Die Aussetzung der Einhebung stellt sicher, dass Rechtsschutzsuchende nicht generell einseitig mit den Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung belastet werden, bis es zur endgültigen Erledigung des Rechtsmittels gekommen ist. Das rechtsstaatliche Prinzip verlangt, dass der Beschwerde ein Mindestmaß an faktischer Effizienz zukommt (VwGH 17. 12. 1998, 97/15/0085 mit Hinweis auf VfGH 11. 12. 1986, G 119/86).

Im Sinne der verfassungskonformen Interpretation ist somit davon auszugehen, dass § 212a BAO auch dann die Aussetzung der Einhebung im Hauptverfahren (mittels Beschwerde gegen den Abgabenbescheid) ermöglicht, während in einem Nebenverfahren geprüft wird, ob die Voraussetzungen einer Beschwerde vorliegen. Wird somit im Zusammenhang mit einer Beschwerde gegen einen Bescheid, der die den Gegenstand des Hauptverfahrens bildende Beschwerde ohne eine meritorische Entscheidung abschließend erledigt, der Antrag auf Aussetzung nach § 212a BAO gestellt, so müssen die Voraussetzungen für die Aussetzung unter Mitberücksichtigung der Gegebenheiten des Hauptverfahrens geprüft werden (VwGH 17. 12. 1998 97/15/0085).

Im vorliegenden Revisionsfall hat das BFG über einen Aussetzungsantrag abgesprochen, der mit der Beschwerde gegen die Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags verbunden war. Im Wiedereinsetzungsverfahren hat die Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist hinsichtlich Einkommen- und Umsatzsteuer beantragt. Die Höhe dieser Abgaben hängt somit „mittelbar“ von der Erledigung der Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung ab. Dem BFG ist sohin nicht entgegenzutreten, wenn es die Aussetzung der Einhebung als zulässig erachtet hat.

Jedoch ist zu beachten, dass die Aussetzung der Einhebung nach § 212a Abs 2 lit a BAO dann nicht zu bewilligen ist, wenn die Beschwerde nach der Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint. Dies ist im Hinblick auf das Hauptverfahren (Beschwerdeverfahren, nicht Wiedereinsetzungsverfahren) zu prüfen (VwGH 17. 12. 1998, 97/15/0085). Das BFG hatte es im vorliegenden Fall jedoch verabsäumt, die Erfolgsaussichten der Beschwerde zu beurteilen und dazu allenfalls erforderliche (ergänzende) Sachverhaltsfeststellungen zu treffen (VwGH 31. 1. 2018, Ro 2016/15/0020, VwGH 16. 5. 2002, 2000/13/0100 mwN). Das angefochtene Erkenntnis war sohin wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Conclusio

Mit der vorliegenden Entscheidung bekräftigt der VwGH seine Rsp zum Begriff der „mittelbaren Abhängigkeit“ im Zusammenhang mit der Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO. Zentral ist dabei die bereits in VwGH 17. 12. 1998, 97/15/0085 enthaltene Aussage, dass die Aussetzung der Einhebung im Hauptverfahren (mittels Beschwerde gegen den Abgabenbescheid) auch dann zulässig ist, wenn in einem Nebenverfahren (zB im Wiedereinsetzungsverfahren) geprüft wird, ob die Voraussetzungen einer Beschwerde vorliegen.

Fiala weist darauf hin, dass im vorliegenden Sachverhalt nicht geklärt ist, ob nicht auch die zurückgewiesene Beschwerde gegen die Sachbescheide das von § 212a BAO geforderte Tatbestandselement „von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängig“ erfüllt. Diese Frage wäre dann zu beantworten gewesen, wenn im vorliegenden Fall keine Beschwerde gegen den abweisenden Wiedereinsetzungsantrag erhoben worden wäre. Nach Fiala wäre aus systematischen und teleologischen Gründen auch in derartigen Fällen die Aussetzung der Einhebung zulässig, siehe im Detail Fiala, AVR 2023, 142 ff.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34428 vom 29.08.2023