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VwGH zum frühestmöglichen Anrechnungszeitpunkt einer verschmelzungsbedingt übergegangenen Mindestkörperschaftsteuer

Bearbeiter: Eric Coenen

KStG 1988: § 9, § 24, § 24a

UmgrStG: § 2, § 9 Abs 8

BAO: § 19 Abs 1

GmbHG: § 96 Abs 2

AktG: § 220

Abstract

Der VwGH hatte in der gegenständlichen Rechtssache über die Frage zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt die Mindestkörperschaftsteuer bei einer Verschmelzung auf die übernehmende Körperschaft übergeht. Dabei ist entgegen der Ansicht des BFG nicht etwa der Verschmelzungsstichtag selbst für den Übergang der Mindestkörperschaftsteuer entscheidend. Laut VwGH ist der frühestmögliche Zeitpunkt der Verrechnung bei der übernehmenden Gesellschaft vielmehr jener Veranlagungszeitraum, in dem das Wirtschaftsjahr endete, in welches der Tag nach dem Verschmelzungsstichtag fiel.

VwGH 8. 4. 2022, Ro 2021/13/0015

Sachverhalt

Die Revisionswerberin (Rw) war für den streitgegenständlichen Zeitraum Gruppenträgerin gem § 9 Abs 3 KStG. Mit Verschmelzungsstichtag 31. 12. 2011 wurde die H-GmbH mit einem weiteren Mitglied derselben Unternehmensgruppe verschmolzen. Im Rahmen der Verschmelzung sind Mindestkörperschaftsteuern iHv 12.000 € auf die übernehmende Körperschaft übergegangen. Während das Wirtschaftsjahr der übertragenden Gesellschaft am 31. 12. 2011 endete, endete das Wirtschaftsjahr der übernehmenden Gesellschaft bereits am 30. 10. 2011. Die Übernehmende wollte diese Mindeststeuern dennoch bereits in ihrer Veranlagung des Jahres 2011 verrechnen. Sie brachte vor, dass auch bei abweichendem Wirtschaftsjahr das Veranlagungsjahr das Kalenderjahr sei. Da der Verschmelzungsstichtag noch im Jahr 2011 liegt, sei das Mindestkörperschaftsteuerguthaben auch im Jahr 2011 auf Ebene der übernehmenden Gesellschaft verwertbar. Gegen das stattgebende Erkenntnis des BFG (BFG 5. 5. 2021, RV/7101072/2013) richtete sich die Amtsrevision, in der strittig war, zu welchem Zeitpunkt nach einer Verschmelzung die Mindestkörperschaftsteuer bei der Rechtsnachfolgerin anrechenbar ist.

Entscheidung des VwGH

Gem § 9 Abs 8 UmgrStG können im Fall einer Umwandlung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge die Mindeststeuerbeträge ab dem Wirtschaftsjahr verwendet werden, das auf den Umwandlungsstichtag folgt. Eine vergleichbare Regelung ist für die Verschmelzung in Art I UmgrStG jedoch nicht ausdrücklich gesetzlich normiert. Das BFG stellte daher den maßgeblichen Zeitpunkt für die Anrechnung aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge iSd § 19 Abs 1 BAO mit dem Verschmelzungsstichtag fest (siehe zum BFG Erk v 5. 5. 2021, RV/7101072/2013: Moldaschl, LexisNexis Rechtsnews 31310). Damit folgte das BFG der Rsp des UFS, welches ebenfalls eine Verrechnung der Mindestkörperschaftsteuer in dem Veranlagungsjahr vorsah, in dem der Verschmelzungsstichtag liegt (zB UFS 21. 2. 2011, RV/1435-L/07).

Beim Verschmelzungsstichtag handelt es sich um jenen Tag, „von dem an die Handlungen der übertragenden Gesellschaften als für Rechnung der übernehmenden Gesellschaft vorgenommen gelten“ (§ 220 Abs 2 Z 5 AktG iVm § 96 Abs 2 GmbHG). Dieser gesellschaftsrechtliche Verschmelzungsstichtag ist auch für das Steuerrecht maßgeblich (siehe dazu Brugger in Wundsam/Zöchling/Huber/Khun, UmgrStG6 [2022] § 2 Rz 11). Aus steuerrechtlicher Sicht kommt es aufgrund der Fiktion des § 2 Abs 3 UmgrStG mit Ablauf des Verschmelzungsstichtags zum Vermögensübergang. Daher erwirbt die übernehmende Körperschaft als Rechtsnachfolgerin erst mit Beginn des auf den Verschmelzungsstichtag folgenden Tages das Vermögen der übernommenen Körperschaft (vgl Hirschler/Sulz/Oberkleiner, Mindestkörperschaftsteuerguthaben – Übergang bei Abspaltungen zulässig, BFGjournal 2018, 443 [447]).

Nach Ansicht des VwGH darf für den Übergang des zu verrechnenden Mindestkörperschaftsteuerguthabens nichts anderes gelten als für den Übergang des restlichen Vermögens. Das bedeutet, dass die Mindeststeuern bis zum Ablauf des Verschmelzungsstichtags, mit dem auch das Wirtschaftsjahr der H-GmbH (übertragende Gesellschaft) endete, noch dieser zustanden. Mit dem diesem Verschmelzungsstichtag folgenden Tag waren die Mindeststeuern dann aber bei der Rechtsnachfolgerin (übernehmende Gesellschaft) zu berücksichtigen. Bei dieser waren die Mindeststeuern somit in dem Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen, in dem das Wirtschaftsjahr endete, in dem der Tag nach dem Verschmelzungsstichtag fiel, um eine doppelte Verrechnung der Mindeststeuern sowohl bei der übernehmenden als auch bei der übertragenden Gesellschaft zu verhindern. Dies ist für die Rechtsnachfolgerin erst im Jahr 2012 der Fall, weshalb die Revision zulässig war und die Verrechnung der Mindeststeuer im Jahr 2011 zu Unrecht erfolgte.

Conclusio

Das Erkenntnis des VwGH zeigt, dass die Verrechnung der Mindestkörperschaftsteuer bei der Rechtsnachfolgerin ab dem Veranlagungszeitraum möglich ist, in dem jenes Wirtschaftsjahr endete, in dem der Folgetag des Verschmelzungsstichtags liegt. Damit folgt er der hA, die sich va auf die Grundsätze des Umgründungssteuerrechts stützt, nach denen die Übernahme der Rechtspositionen erst mit dem Folgetag des Umgründungsstichtags eintritt (siehe ausführlich Hohenwarter-Mayr, Rechtsnachfolge im Unternehmenssteuerrecht [2019] 931 sowie Hirschler/Sulz/Oberkleiner,BFGJournal 2018, 443 [446]).

Demgegenüber können Verluste der übertragenden Körperschaft bei der übernehmenden gem § 4 UmgrStG erst „ab dem dem Verschmelzungsstichtag folgenden Veranlagungszeitraum der übernehmenden Körperschaft“ verrechnet werden, wobei dieser Veranlagungszeitraum stets das Kalenderjahr ist. Daraus ergibt sich insofern ein Unterschied beim Übergang von Mindeststeuern und Verlusten, als letztere immer erst im folgenden Kalenderjahr geltend gemacht werden können, Mindeststeuern jedoch bereits in dem Wirtschaftsjahr, in dem der Folgetag des Verschmelzungsstichtags liegt. Somit kann es uU bei vom Verschmelzungsstichtag abweichenden Bilanzstichtagen (zB bei einem Rumpfwirtschaftsjahr) zu unterschiedlichen zeitlichen Übergängen von Verlusten und Mindeststeuern kommen (vgl Kogler/Six in Kofler, UmgrStG10 [2021] § 4 Rz 26 ff).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32625 vom 02.06.2022