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Abstract
Der VwGH hatte sich im vorliegenden Fall – neben anderen Fragen – mit der Frage zu beschäftigen, ob aus der Schweiz und aus Deutschland stammende Schauspieler im Rahmen eines Dienstverhältnisses zur Revisionswerberin (Rw) tätig wurden. Die Rw ist eine in der Filmproduktionsbranche tätige GmbH. Der VwGH leitet aus § 47 Abs 2 EStG zwei Kriterien ab, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses erforderlich sind: Zum einen die persönliche Weisungsgebundenheit und zum anderen die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. Weitere Kriterien wie das Unternehmerrisiko oder die Befugnis, sich vertreten zu lassen, sind nur heranzuziehen, wenn sich anhand der beiden § 47 Abs 2 EStG zu entnehmenden Kriterien kein klares Bild ergibt. Entscheidendes Gewicht für die Abgrenzung zwischen selbstständiger und unselbstständiger Tätigkeit hat bei Künstlern idR das Unternehmerrisiko, weil künstlerische Leistungen ihrer Natur nach grundsätzlich als unvertretbar anzusehen sind. Ein solches Unternehmerrisiko nimmt der VwGH dann an, wenn im Falle unverschuldeter Unmöglichkeit, die Leistung zu erbringen, kein Anspruch auf Entgelt besteht. Das BFG hat im vorliegenden Fall ein Unternehmerwagnis verneint und sich dabei auf die zwischen der Rw und den Schauspielern abgeschlossene Vereinbarung gestützt, wonach den Schauspielern eine Tagespauschale „garantiert worden“ sei. Für den VwGH war allerdings nicht erkennbar, auf welcher Grundlage das BFG zu dieser Annahme gekommen ist und hat die Entscheidung des BFG daher wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
VwGH 27. 3. 2024, Ra 2021/13/0122
Sachverhalt
Bei der Revisionswerberin (Rw) – einer in der Filmproduktionsbranche tätigen GmbH – hat 2015 eine gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben betreffend die Jahre 2011–2013 stattgefunden. Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung wurde festgehalten, dass die Rw steuerfreie Spesenersätze (Reise- und Hotelkosten) an beschränkt steuerpflichtige Künstler ausbezahlt hat. Allerdings sei laut dem Bericht von diesen Zahlungen gem § 70 Abs 2 Z 2 EStG „in Anlehnung“ an § 99 EStG eine Abzugsteuer iHv 20 % einzubehalten. Das FA folgte diesen Feststellungen und zog die Rw mit Bescheid zur Haftung für die Lohnsteuer heran und setzte zugleich dieser gegenüber den DG-Beitrag und den Zuschlag zum DG-Beitrag fest. Gegen diese Bescheide wurde Beschwerde erhoben, woraufhin das BFG diese als unbegründet abwies. Das BFG verneinte das Vorliegen eines Unternehmerwagnisses und kam zum Ergebnis, dass die Künstler im Rahmen eines Dienstverhältnisses gem § 47 Abs 2 EStG tätig wurden. Das BFG ging daher sowohl die darstellende Tätigkeit als auch die Urheberrechte betreffend von Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit und damit vom Vorliegen von Arbeitslohn aus. Eine Revision wurde vom BFG nicht zugelassen. Gegen das Erkenntnis des BFG wurde aoRevision erhoben. In der Revision wurde geltend gemacht, dass die Entscheidung des BFG von der Rsp des VwGH zur Frage des Unternehmerwagnisses von Künstlern und deren Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der sie beschäftigenden Institutionen abweicht.
Entscheidung des VwGH
Der Legaldefinition des § 47 Abs 2 EStG sind zwei Kriterien zu entnehmen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen. Dies ist einerseits die persönliche (nicht bloß sachliche) Weisungsgebundenheit ggü dem Arbeitgeber und andererseits die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. Auf weitere Abgrenzungskriterien (Unternehmerrisiko, Vertretungsbefugnis) ist nach der stRsp des VwGH zu § 47 Abs 2 EStG nur in jenen Fällen Bedacht zu nehmen, in denen die beiden vorhergenannten Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbstständigen und einer nichtselbstständigen Tätigkeit ermöglichen (vgl dazu ausf VwGH 12. 9. 2018, Ra 2017/13/0041, mwN).
Der VwGH hat sich bereits mehrfach mit der Tätigkeit reproduzierender Künstler beschäftigt. Dabei hat der VwGH auch festgehalten, dass bei einer derartigen Tätigkeit typischerweise eine verhältnismäßig starke organisatorische Eingliederung erforderlich ist. Folglich kommt der Bindung der Künstler an Zeit, Ort, Programm sowie an bestimmte Verhaltensvorgaben bei Proben und Aufführungen der jeweiligen Veranstaltung keine entscheidende Bedeutung zu. Die fehlende Möglichkeit, sich vertreten zu lassen, ist ebenso wenig entscheidend, da künstlerische Leistungen ihrer Natur nach grundsätzlich als unvertretbar anzusehen sind. Entscheidendes Gewicht für die Abgrenzung einer selbstständigen von einer unselbstständigen Tätigkeit hat in solchen Fällen daher in aller Regel das Unternehmerrisiko. Der VwGH nimmt ein solches Unternehmerrisiko bei künstlerischer Tätigkeit schon dann an, wenn im Falle unverschuldeter Unmöglichkeit, die Leistung zu erbringen, kein Anspruch auf Entgelt besteht (vgl dazu umfassend VwGH 25. 4. 2019, Ra 2018/13/0083).
Das BFG hat sich mit dieser Rsp nicht auseinandergesetzt, sondern sich nur auf das Erk v 10. 4. 1985, 84/13/0004 gestützt. Darin hat der VwGH ein Unternehmerwagnis der bei Burgfestspielen engagierten Schauspieler verneint, weil diese Anspruch auf Zahlung einer pauschalen Gage unabhängig davon hatten, ob und aus welchem Grund Vorstellungen durchgeführt oder abgesagt wurden. Das BFG hat in seiner Entscheidung ein Unternehmerwagnis der bei der Rw beschäftigten Schauspieler ebenso verneint, da diesen eine Tagespauschale „garantiert worden“ sei. Dazu bezieht sich das BFG auf eine zwischen der Rw und den Schauspielern abgeschlossene Vereinbarung. Es ist dem VwGH aber nicht erkennbar, warum das BFG annimmt, das Entgelt wäre den Schauspielern auch dann zugestanden, wenn sie unverschuldet (etwa bei Krankheit) ihre Leistung nicht erbringen hätten können oder wenn die Drehtage aus von diesen nicht zu vertretenden Gründen abgesagt worden wären. Aus diesem Grund war das Erk des BFG gem § 42 Abs 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Das BFG wird im weiteren Verfahren zu beurteilen haben, ob die Schauspieler ein Unternehmerwagnis getragen haben. Dabei wird es die getroffenen Vereinbarungen (insb Regelungen über die Tätigkeitsvergütung) auszulegen und den Parteiwillen zu erforschen haben.
Conclusio
Der VwGH hatte in diesem Erk die Gelegenheit, seine Rsp zu § 47 Abs 2 EStG iZm künstlerischen Tätigkeiten zu überprüfen. § 47 EStG normiert für den Bereich des Steuerrechts einen eigenständigen Dienstnehmerbegriff; die Beurteilung in anderen Rechtsgebieten ist unerheblich (Ebner in Jakom EStG17 [2024] § 47 Rz 5). Der VwGH legt überzeugend dar, dass bei künstlerischen Tätigkeiten bestimmte Eigenheiten berücksichtigt werden müssen, und kommt zum Ergebnis, dass in den allermeisten Fällen das Unternehmerrisiko entscheidend ist. Dieses liegt vor, „wenn der StPfl die Höhe seiner Einnahmen […] beeinflussen […] kann und für seine Ausgaben selbst aufkommen muss, sie also vom Auftraggeber nicht ersetzt werden.“ (Ebner in Jakom EStG17 [2024] § 47 Rz 8). Daher ist auch die Rsp des VwGH konsequent, wonach ein solches Unternehmerrisiko bei künstlerischer Tätigkeit schon dann vorliegt, wenn im Falle unverschuldeter Unmöglichkeit, die Leistung zu erbringen, kein Anspruch auf Entgelt besteht. Umgekehrt spricht es gegen ein Unternehmerrisiko, wenn „Anspruch auf Entgelt auch bei unverschuldeter Unmöglichkeit der Leistung“ besteht (Ebner in Jakom EStG17 [2024] § 47 Rz 8).