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VwGH zur Abgrenzung von Einkünften von Gesellschafter-Geschäftsführern

Bearbeiter: Franz Wallig

EStG 1988: § 22 Z 2, § 25 Abs 1, § 47 Abs 2

Abstract

Der VwGH hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, welche Kriterien für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses gem § 47 Abs 2 EStG vorliegen müssen. Konkret war das Kriterium der Weisungsgebundenheit strittig. Das BFG leitete bereits aus dem Fehlen von diesbezüglichen Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag und der Nichterteilung von Weisungen im geschäftlichen Alltag ab, dass keine Weisungsbindung vorlag. Der VwGH entschied jedoch, dass für das Vorliegen einer Weisungsgebundenheit keine schriftliche Vereinbarung notwendig ist und bereits die abstrakte Möglichkeit zur Erteilung von Weisungen ausreicht. Daher wird das BFG dieses Kriterium im fortgesetzten Verfahren erneut zu prüfen haben.

VwGH 5. 3. 2025, Ra 2023/15/0074

Sachverhalt und Verfahrensgang

Die mitbeteiligte Partei (M GmbH) leistete in den Jahren 2008–2012 Vergütungen aufgrund eines Managementvertrages an die M OG. Da die Vergütungen das vertraglich vereinbarte Ausmaß deutlich überstiegen, lag keine klare, nach außen in Erscheinung tretende Vereinbarung über den Leistungsgegenstand vor. Der VwGH entschied daher bereits in einer Vorentscheidung (VwGH 22. 9. 2022, Ro 2021/15/0035), dass die Managementvergütungen direkt den Gesellschaftern der M OG zuzurechnen sind. Die Gesellschafter der M OG waren auch über eine Holding Gesellschaft an der M GmbH beteiligt. Daher lagen bei einem Beteiligungsausmaß von über 25 % Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer (GF) iSd § 22 Z 2 TS 2 EStG vor. Für den Zeitraum vom 1. 1. 2008 bis 26. 9. 2011 wurden die Einkünfte auch entsprechend vom BFG eingestuft und es wurden (die im Verfahren strittigen) DB und DZ festgesetzt.

Ab dem 27. 9. 2011 haben mehrere Gesellschafter-GF ihr Beteiligungsausmaß an der M GmbH auf unter 25 % verringert. Bei einer Beteiligung von unter 25 % liegen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit iSd § 25 Abs 1 Z 1 lit b EStG vor, wenn bei einer sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses aufweisenden Beschäftigung die Verpflichtung, den Weisungen eines anderen zu folgen, aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen Sonderbestimmung fehle. Nach den Feststellungen des BFG enthalte der Gesellschaftsvertrag „keine Aussage über eine nicht vorhandene Weisungsbindung“. Faktisch sei eine Weisungsbindung aber nicht feststellbar. Da eine Weisungsbindung fehlt, dieses Fehlen aber nicht auf eine gesellschaftsvertragliche Sonderbestimmung zurückzuführen ist, stufte das BFG die nicht wesentlich beteiligten Gesellschafter nicht als Dienstnehmer iSd § 47 Abs 2 EStG ein. Deren Einkünfte seien Einkünfte aus selbstständiger Arbeit iSd § 22 Z 2 TS 1 EStG, für die keine Pflicht zur Abfuhr von DB und DZ besteht. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Amtsrevision.

Entscheidung des VwGH

Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses iSd § 47 Abs 2 EStG sind die persönliche Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. Nur wenn die beiden Kriterien noch keine klare Einstufung ermöglichen, ist auf weitere Kriterien (etwa das Fehlen von Unternehmerrisiko) Bedacht zu nehmen (VwGH 10. 11. 2004, 2003/13/0018; 28. 6. 2017, Ra 2016/15/0074 mwN).

Die Weisungsunterworfenheit ist durch weitgehende Unterordnung gekennzeichnet und führt zu einer weitreichenden Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Dienstnehmers. Ein persönliches Weisungsrecht beschränkt die Entschlussfreiheit über die ausdrücklich übernommenen Vertragspflichten hinaus. Das völlige Fehlen einer Weisungsunterworfenheit schließt im Allgemeinen ein Dienstverhältnis aus. Allerdings reicht es bei leitenden Angestellten aus, wenn sich die Weisungsgebundenheit auf die grundsätzliche Erfüllung der Leitungsaufgaben beschränkt. Der Arbeitgeber muss durch individuell-konkrete Anordnungen das Tätigwerden des Dienstnehmers beeinflussen können (VwGH 28. 6. 2006, 2002/13/0175 mwN). Die Eingliederung in den Organismus des Betriebes der Gesellschaft wird durch jede nach außen hin als auf Dauer angelegt erkennbare Tätigkeit hergestellt, mit welcher der Unternehmenszweck der Gesellschaft verwirklicht wird (VwGH 4. 2. 2009, 2008/15/0260 mwN).

Das BFG hatte in der Vorentscheidung keine zusammenhängenden Sachverhaltsfeststellungen zur Ausprägung und Intensität der einzelnen Kriterien getroffen. Das Fehlen einer Weisungsgebundenheit wurde (unter Hinweis auf VwGH 24. 11. 2016, 2013/13/0046) bereits daraus abgeleitet, dass der Gesellschaftsvertrag keine Aussagen zur Weisungsbindung der Gesellschafter enthält und Verträge, die den Gesellschaftern eine Weisungsbindung auferlegen, nicht feststellbar sind. Die Aussagen des Erkenntnisses vom 24. 11. 2016, 2013/13/0046 sind auf den vorliegenden Fall aber nicht übertragbar, weil eine Weisungsbindung in den damals strittigen Werkverträgen explizit ausgeschlossen wurde. Auch der Umstand, dass die Gesellschafter der GmbH in Bezug auf ihre Managementtätigkeit nie Weisungen erhalten haben, schließt die grundsätzlich bestehende Möglichkeit, Weisungen zu erteilen, nicht aus und trägt das angefochtene Erkenntnis nicht. Daher wird das BFG die Weisungsgebundenheit und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der mitbeteiligten Partei erneut zu prüfen haben. Sollten diese Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbstständig und nichtselbstständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, wird auch auf weitere Kriterien (Vertretungsbefugnis, Unternehmerrisiko) einzugehen sein.

Conclusio

Der VwGH kommt im Ergebnis zum Schluss, dass eine persönliche Weisungsbindung nicht bereits deswegen ausgeschlossen werden kann, weil diese vertraglich nicht vereinbart und die Möglichkeit zur Erteilung von Weisungen nicht ausgeübt wurde. Vielmehr ist auch ohne explizite schriftliche Regelung zu prüfen, ob eine (abstrakte) Möglichkeit zur Erteilung von Weisungen bestanden hatte. Die Bindung eines Geschäftsführers an den Gesellschaftsvertrag und die Gesellschafterbeschlüsse stellt bloß eine sachliche Weisungsgebundenheit her und ist daher noch nicht ausreichend (VwGH 31. 1. 2018, Ra 2016/15/0014). Die „stille Autorität“ des Arbeitgebers kann als ein – durch Kontrollrechte des Arbeitgebers abgesichertes – Weisungsrecht verstanden werden, welches sich nicht in konkreter Form äußert, etwa weil der Arbeitnehmer von sich aus weiß, wie er sich „im Betrieb“ des Dienstgebers zu bewegen und zu verhalten hat. Umgekehrt kann aus der „stillen Autorität“ eines Weisungsberechtigten, der keine Weisungen erteilt, aber kein vertraglicher Verzicht auf das Weisungsrecht geschlossen werden (Ebner in Kanduth-Kristen/Marschner/Peyerl/Ebner/Ehgartner, Jakom EStG18 [2025] § 47 Rz 9 „Geschäftsführer“). Genau dieser Fehlschluss ist dem BFG im Vorverfahren unterlaufen: Es hat fehlende schriftliche Vereinbarung und die tatsächliche Abstandnahme der Gesellschafter von der Erteilung von Weisungen als einen Verzicht auf die Weisungsbefugnis gewertet. Im Ergebnis ist also im Folgeverfahren zu prüfen, ob der Arbeitgeber das Tätigwerden des Arbeitnehmers durch individuell-konkrete Anordnungen beeinflussen kann, nicht jedoch, ob er dieses Recht tatsächlich ausübt (so auch VwGH 26. 1. 2017, Ra 2015/15/0064; 12. 9. 2018, Ra 2017/13/0041).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36782 vom 30.05.2025