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VwGH zur Abzugsfähigkeit einer Schadensgutmachung im Rahmen der „Kronzeugenregelung“

Bearbeiter: Michael Hubmann

EStG 1988: § 20 Abs 1 Z 5

Abstract

Der VwGH hatte zu entscheiden, ob eine im Rahmen der Erfüllung der Kronzeugenregelung des § 209a StPO an den Geschädigten gezahlte Schadensgutmachung vom Abzugsverbot des § 20 Abs 1 Z 5 lit e EStG erfasst ist. Sowohl das FA als auch das BFG verneinten nämlich die Möglichkeit zur Geltendmachung einer Schadensgutmachung als Werbungskosten aufgrund dieses Abzugsverbots. Der VwGH differenziert jedoch zwischen an den Bund zu zahlenden Geldbeträgen und solchen Geldbeträgen, die als Schadenersatz an den Geschädigten fließen.

VwGH 29. 5. 2024, Ra 2023/15/0036

Sachverhalt

Der Rw war in den Jahren 2001–2007 als Prokurist bei der T AG beschäftigt. In den Jahren 2006 bis 2009 war er zudem als Vorstand der T1 AG tätig. Die StA Wien legte dem Rw für den Zeitraum 2002 bis 2009 mehrere strafbare Delikte iZm seinen Funktionen zur Last. Da der Rw als „Kronzeuge“ gem § 209a StPO fungierte, trat die StA aber von der Verfolgung unter der Bedingung zurück, dass gemeinnützige Leistungen im Ausmaß von 120 Stunden erbracht, binnen sechs Monaten ein Teil des entstandenen Schadens im Ausmaß von 300.000 € gegenüber der T AG wiedergutgemacht und ein Beitrag zu den Pauschalkosten iHv 250 € an die StA geleistet werden. In der Folge wurde das Verfahren durch die StA eingestellt. Anschließend machte der Rw im Jahr 2013 Werbungskosten iHv 300.000 € unter dem Titel Schadenersatz geltend. Diese Werbungskosten wurden vom FA nicht anerkannt, wogegen der Rw Beschwerde erhob. Auch das BFG verneinte jedoch die Abzugsfähigkeit und begründete dies damit, dass die Zahlung von 300.000 € an die durch das Verhalten des Rw geschädigte T AG als Leistung aus Anlass eines Rücktrittes von der Verfolgung iSd § 20 Abs 1 Z 5 lit e EStG anzusehen ist. Hiergegen richtete sich die ao Revision des Rw.

Entscheidung des VwGH

§ 20 Abs 1 Z 5 lit e EStG unterwirft Leistungen, die aus Anlass eines Rücktrittes von der Verfolgung nach der StPO oder dem VbVG (Diversion) gezahlt werden, einem Abzugsverbot. Diese sollen damit einer verhängten Strafe gleichgestellt werden (vgl RV 1212 BlgNR 24. GP 17). Die Diversion ist im 11. Hauptstück der StPO geregelt, worunter auch § 209a StPO – die „Kronzeugenregelung“ – fällt (vgl Kirchbacher, StPO15 [2024] § 209a Rz 1). Leistungen im Sinne des § 209a StPO fallen somit grundsätzlich unter das Abzugsverbot des § 20 Abs 1 Z 5 lit e EStG. § 209a Abs 2 StPO in der im Revisionsfall anzuwendenden Fassung (BGBl I Nr 2010/108) benennt als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Bestimmung, dass Leistungen iSd § 198 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO übernommen werden. Nach Erbringung dieser Leistungen ist das Strafverfahren unter dem Vorbehalt späterer Verfolgung einzustellen. Die in § 198 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO aufgezählten Leistungen umfassen einen Geldbetrag, der gem § 200 Abs 1 StPO zu Gunsten des Bundes zu entrichten ist, gemeinnützige Leistungen, die gem § 201 StPO in der Freizeit unentgeltlich zu erbringen sind und die Bestimmung einer Probezeit, in Verbindung mit Bewährungshilfe und der Erfüllung von Pflichten. Der Geldbetrag gem § 200 StPO ist – wie sich aus § 200 Abs 2 StPO ergibt – an eine Geldstrafe in einem Strafverfahren angelehnt (vgl Kirchbacher, StPO15 § 200 Rz 2). Darüber hinaus sehen § 200 Abs 3 StPO und § 201 Abs 3 StPO jeweils vor, dass der Rücktritt von der Verfolgung überdies davon abhängt, dass der Beschuldigte den aus der Tat entstandenen Schaden gutmacht oder nach § 201 Abs 3 StPO sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beiträgt. Bei ebendieser Schadensgutmachung handelt es sich aber nicht um eine Leistung iSd § 198 Abs 1 StPO, sondern um einen Schadenersatz, der dem Geschädigten zu leisten ist. Aus dem Zusammenspiel des § 20 Abs 1 Z 5 lit e EStG und den Regeln der StPO ergibt sich, dass nur ein zugunsten des Bundes gezahlter Geldbetrag iSd § 200 Abs 1 StPO unter das Abzugsverbot fällt, weil nur dieser eine Leistung ist, die mit einer Strafe in einem Strafverfahren vergleichbar ist und damit auch der Intention der einkommensteuerlichen Bestimmung, die Diversionsleistung einer Geldstrafe gleichzustellen, entspricht. Für diese Auslegung spricht auch, dass sich die geschädigte Partei bei einem Strafverfahren als Privatbeteiligte anschließen und einen Schadenersatz erhalten kann, der jedenfalls nicht unter das Abzugsverbot des § 20 Abs 1 Z 5 EStG fällt. Da bei einer Diversion nach § 209a StPO die Anklageerhebung und Hauptverhandlung entfallen, dient die Schadensgutmachung dazu, der geschädigten Partei im Wege des § 200 oder des § 201 Abs 3 StPO einen Schadenersatz zu ermöglichen. Bei der Zahlung des Rw iHv 300.000 € an die T AG handelt es sich somit um eine Schadenersatzleistung, die nicht unter § 20 Abs 1 Z 5 lit e EStG fällt. Im fortgesetzten Verfahren muss sich das BFG damit auseinandersetzen, ob die Schadenersatzzahlung beruflich veranlasst war. Es hat insbesondere auch Feststellungen zu treffen, ob dem Rw im Zuge der von der StA geprüften Delikte Einnahmen zugeflossen sind, die als steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassen gewesen wären. Das BFG-Erkenntnis war wegen prävalierender inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Conclusio

Nach der Intention des Gesetzgebers sollen Leistungen aus Anlass einer Diversion nicht abzugsfähig sein. Gleichsam ist auch ein die Straffreiheit vermittelnder Verkürzungszuschlag wie eine verhängte Strafe zu behandeln und daher nicht abzugsfähig (RV 1212 BlgNR 24. GP 17). Wie der VwGH hervorhebt, ist aber zwischen Leistungen, die dem Bund zufließen, und solchen, die an den durch die strafbare Handlung Geschädigten gerichtet sind, zu unterscheiden. Letztere Zahlungen erfolgen im Interesse des Opfers, ohne Bestrafungsfunktion und sollen daher auch grds nicht von der Abzugsfähigkeit ausgeschlossen sein. Anders zu behandeln ist der Geldbetrag iSd § 200 Abs 1 und 2 StPO, der mit seinem Signalcharakter – ähnlich wie eine Geldstrafe – präventiv wirkt (Schroll/Kert in Fuchs/Ratz, WK StPO § 200 Rz 1 [Stand 1. 8. 2019, rdb.at]). Davon zu trennen ist aber noch die Frage, ob denn in Bezug auf die gegenständliche Zahlung auch tatsächlich die Voraussetzungen für den Werbungskostenabzug (berufliche Veranlassung) gegeben sind. Dies wird das BFG im fortgesetzten Verfahren klären.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35776 vom 22.08.2024