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VwGH zur Antragslegitimation einer Schweizer Privatbank auf Erlassung eines Gutschriftsbescheides gem § 202 BAO

Bearbeiter: Franz Wallig

BAO: § 202

Finstre: § 29

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt: Art 10, Art 13

Abstract

Im vorliegenden Fall entrichtete eine Schweizer Bank eine überhöhte Einmalzahlung nach dem Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt. Die Bank begehrte die Erlassung eines Gutschriftsbescheids gem § 202 BAO für die zu viel bezahlten Abgaben. Der VwGH hatte sich daher mit der Frage zu beschäftigen, ob die Schweizer Bank eine abgabenrechtliche Haftungspflichtige iSd § 202 Abs 1 BAO ist.

VwGH 19. 10. 2023, Ro 2021/13/0002

Sachverhalt und Verfahrensgang

Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt (idF Steuerabkommen) sollte im Jahr 2012 die Besteuerung von in Österreich bislang noch nicht versteuertem Kapitalvermögen, das sich auf Schweizer Konten befand, durch Erhebung einer pauschalen Steuer in Form einer Einmalzahlung für vergangene Zeiträume sicherstellen (s ErlRV 1770 BlgNR 24. GP 2). Dabei wurde die Meldung der Einmalzahlung gem Art 10 des Steuerabkommens als Selbstanzeige iSd § 29 Abs 1 FinStrG behandelt, wodurch es zur Strafbefreiung für in der Vergangenheit bewirkte Abgabenverkürzungen kam. In den Folgejahren wurden laufende Kapitalerträge durch eine jährliche Abzugssteuer mit Kapitalerträgen in Österreich gleichgestellt. Da in der Folge ein automatischer Informationsaustausch zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vereinbart wurde, wurde das Abkommen mit Wirkung ab 1. 1. 2017 aufgehoben.

Am 30. 11. 2016 beantragte die Mitbeteiligte (eine Schweizer Privatbank) einen Gutschriftsbescheid gem § 202 BAO und eine Rückerstattung des Abgeltungsbetrags gem Art 13 Abs 3 des Steuerabkommens. Grund dafür war, dass im Mai 2014 bei einer Abgabenprüfung der Eidgenössischen Steuerverwaltung festgestellt wurde, dass die Mitbeteiligte im Jahr 2013 aufgrund eines Berechnungsfehlers bei Fremdwährungen überhöhte Einmalzahlungen von insgesamt 555.826 € an die österreichische Abgabenbehörde geleistet hatte. Die Bank erstattete diese überhöhten Zahlungen an ihre Kunden zurück und wollte sich die Differenzbeträge durch einen Gutschriftsbescheid iSd § 202 BAO in Österreich rückerstatten lassen. Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass die Mitbeteiligte nicht zur Stellung des Antrags gem § 202 BAO legitimiert ist. Das BFG bestätigte jedoch die Meinung der Mitbeteiligten und befürwortete das Vorliegen der Antragslegitimation. Daraufhin erhob das Finanzamt Amtsrevision an den VwGH.

Entscheidung des VwGH

Nach Ansicht des VwGH kommt es bei der Frage, ob eine Person ein abgabenrechtlich Haftungspflichtiger iSd § 202 Abs 1 BAO ist, ausschließlich auf das Vorhandensein einer gesetzlich angeordneten Haftung einer bestimmten Person gegenüber dem Abgabengläubiger für (zunächst) fremde Abgaben an. Nur ein solcher Haftungspflichtiger könnte überhaupt einen Bescheid nach § 201 BAO für Abgaben einer anderen Person beantragen. Die Bestimmungen des Steuerabkommens sehen aber an keiner Stelle eine Haftung der schweizerischen Zahlstellen oder der schweizerischen Behörden gegenüber dem österreichischen Abgabengläubiger vor. Somit besteht keine Antragslegitimation der schweizerischen Zahlstelle nach § 202 BAO.

Wurde eine grundlose (zB überhöhte) Einmalzahlung nach dem Steuerabkommen geleistet, sieht Art 13 Abs 3 des Steuerabkommens vor, dass die betroffene Person gegenüber der zuständigen österreichischen Behörde einen Anspruch auf Erstattung der Einmalzahlung hat. Dieser Antrag steht nach dem eindeutigen Abkommenstext nur der betroffenen Person selbst, nicht hingegen der schweizerischen Zahlstelle zu. Das Steuerabkommen selbst enthält ein eigenes Verfahren für die Rückerstattung zu hoch abgeführter Einmalzahlungen. Dieses ist daher auch zu beschreiten, wenn eine Rückzahlung der zu viel bezahlten Beträge begehrt wird (siehe zur vorrangigen Inanspruchnahme der von einem Abkommen vorgesehenen Rechtschutzmöglichkeiten VwGH 2. 2. 2023, Ra 2020/13/0013, zu einem Abkommen mit Liechtenstein). Trotz der Rückzahlung der zu hoch abgeführten Beträge durch die schweizerische Zahlstelle an ihre Kunden gelten die Beträge weiterhin als ohne rechtlichen Grund bezahlt iSd Art 13 Abs 3 des Steuerabkommens und es kann daher noch von den betroffenen Personen ein Antrag auf Rückerstattung gestellt werden.

Conclusio

Im vorliegenden Fall beantragte die Mitbeteiligte einen Gutschriftsbescheid gem § 202 BAO. Ein solcher kann dann erlassen werden, wenn die Einbehaltung einer Abfuhrabgabe in richtiger Höhe erfolgte (dies war durch die Rückzahlung der zu viel abgeführten Beträge an die Betroffenen der Fall), jedoch ein überhöhter Betrag abgeführt wurde (vgl Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 202 Rz 7). Dieser Bescheid spricht nur über die Höhe der Gutschrift, nicht aber über die Höhe der Abgabe ab (Ritz, SWK 1999, 270 [271]). Die Festsetzung eines Gutschriftsbescheides gem § 202 BAO kann aber nur gegenüber dem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen erfolgen. Eine abgabenrechtliche Haftung (das potenzielle Einstehenmüssen für eine Abgabenschuld eines anderen) entsteht erst mit Verwirklichung eines Haftungstatbestandes durch einen Haftenden (vgl Stoll, Ermessen2 [2001] 365). Fehlt es bereits an einem Haftungstatbestand, kann daher auch kein abgabenrechtliche Haftungsanspruch entstehen. Da im Steuerabkommen keine Haftung der schweizerischen Zahlstellen vorgesehen ist, überzeugt die Ansicht des VwGH, wonach mangels Haftungspflicht kein Gutschriftsbescheid iSd § 202 BAO erlassen werden konnte. Auch das BFG schloss sich im fortgesetzten Verfahren (BFG 29. 4. 2024, RV/7103815/2023) der Meinung des VwGH an. Gegen diese Entscheidung ist eine Revision der Mitbeteiligten anhängig.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35821 vom 03.09.2024