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VwGH zur Anwendbarkeit von § 1 Abs 3 GrEStG auf Personengesellschaften

Bearbeiter: Valentin Bendlinger

GrEStG 1987: § 1 Abs 2a und Abs 3

Abstract

Die österreichische G F GmbH hält seit dem Jahr 2006 einen Kommanditanteil an der F KG iHv 80 %. Die F KG ist Eigentümerin eines inländischen Grundstücks, auf dem sich ein Hotel befindet. Im Jahr 2020 übernahm die G F GmbH im Zuge einer Einbringung den restlichen Komplementäranteil iHv 20 %. Strittig war im Wesentlichen, ob mangels Anwendbarkeit von § 1 Abs 2a GrEStG ein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs 3 GrEStG verwirklicht wurde und letztere Bestimmung auch auf Personengesellschaften Anwendung finden kann. Das BFG erkannte in einer Entscheidung vom 14. 9. 2021, RV/3100233/2021 (siehe bereits V. Bendlinger, LN Rechtsnews 31812 v 10. 12. 2021), dass die G F GmbH durch die Übernahme des restlichen Komplementäranteils eine steuerbare Anteilsvereinigung verwirklicht hat. Die G F GmbH bekämpfte die Entscheidung des BFG mit einer außerordentlichen Revision.

VwGH 13. 12. 2022, Ra 2021/16/0082-6

Sachverhalt

Die Revisionswerberin (G F GmbH) wurde im Jahr 2005 von G F als Alleingesellschafterin gegründet. In der Errichtungserklärung der G F GmbH wird festgehalten, dass die Stammeinlage – neben der Barzahlung von € 17.500 – durch Einbringung eines 80%igen Kommanditanteils an der F KG geleistet werde. Die F KG wurde ihrerseits 1997 gegründet und ist grundbücherliche Eigentümerin einer Liegenschaft, auf der sich ein Hotel befindet. Im Jahr 2020 trat eine weitere Gesellschafterin (J GmbH) mittels Zusammenschlussvertrag als Komplementärgesellschafterin in die KG ein. Dieser Eintritt erfolgte als reine Arbeitsgesellschafterin ohne Beteiligung am Vermögen oder an einem allfälligen Liquidationserlös. Am selben Tag brachte die bisherige Komplementärin, Frau C F, ihren Komplementäranteil iHv 20 % an der KG in die nunmehrige Revisionswerberin (Rw) ein und schied folglich aus der F KG aus; die Rw war somit ab diesem Zeitpunkt 100%ige Anteilsinhaberin an der F KG. Strittig ist, ob die Bf durch Einbringung des 20%igen Komplementäranteils den Tatbestand der Anteilsvereinigung iSd § 1 Abs 3 Z 1 GrEStG verwirklicht hat. Die G F GmbH argumentiert im Wesentlichen, dass eine Besteuerung auf Grundlage von § 1 Abs 3 GrEStG nicht in Betracht komme, da für Anteilsvereinigungen an Personengesellschaften nur § 1 Abs 2a GrEStG anwendbar sei. Auch der Tatbestand des § 1 Abs 2a GrEStG sei aber nicht ausgelöst worden, weil die nunmehrige Rw bereits seit mehr als fünf Jahren Gesellschafterin der F KG und sohin keine „neue Gesellschafterin“ iSd § 1 Abs 2a GrEStG gewesen sei. Überhaupt erfassten § 1 Abs 2a und Abs 3 GrEStG lediglich Anteilsvereinigungen an Gesellschaften mit Grundbesitz, jedoch nicht bloß mittelbare (indirekte) Anteilsvereinigungen über den Erwerb von Anteilen an anderen Gesellschaften mit inländischen Grundstücken. Dennoch setzte das FA die GrESt per Bescheid nach Maßgabe von § 1 Abs 3 GrEStG gegenüber der Rw fest, wogegen zunächst Beschwerde erhoben wurde. Das BFG teilte die Rechtsansicht des FA und verneinte die Zulässigkeit einer Revision. Daraufhin erhob die G F GmbH außerordentliche Revision beim VwGH.

Entscheidung des VwGH

Der VwGH hält zunächst fest, dass das Vorbringen der Rw zulässig ist. Der Gerichtshof betrachtet die Frage, ob § 1 Abs 3 GrEStG auch auf Personengesellschaften anwendbar ist, offensichtlich als eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, zu der noch keine Rsp vorliege. Nachdem § 1 Abs 2a GrEStG mangels „neuer“ Gesellschafterin unstrittig nicht anwendbar war, befasst sich der VwGH in seiner Entscheidung hauptsächlich mit der Normengenese und der Auslegung von § 1 Abs 3 GrEStG.

Nach der bisherigen Rsp des VwGH zu § 1 Abs 3 GrEStG BGBl 1987/309 (in der Stammfassung) kann dieser als Sondertatbestand der Verschaffung der wirtschaftlichen oder rechtlichen Verfügungsmacht über ein Grundstück verstanden werden. Der Tatbestand wird also nicht durch einen Grundstückserwerb verwirklicht, sondern durch eine Vereinigung von Gesellschaftsanteilen in einer Hand. Dadurch soll verhindert werden, dass bei einem völligen Wechsel aller Mitglieder einer Gesellschaft die Erhebung der GrESt vom Grundbesitz unterbliebe (vgl VwGH 18. 4. 2012, 2009/16/0247 mwN).

§ 1 Abs 3 GrEStG 1987 stellt darauf ab, dass zum „Vermögen einer Gesellschaft“ ein inländisches Grundstück gehört, und erfasst die Tatbestände der Anteilsvereinigung und der Übertragung von Anteilen. Der Begriff der „Gesellschaft“ in § 1 Abs 3 GrEStG 1987 ist dabei im weitesten Sinne zu verstehen. Jede Personenmehrheit, die sich zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks zusammenschließt und fähig ist, Eigentum an Grundstücken zu erwerben (Rechtsfähigkeit) ist als Gesellschaft iSd § 1 Abs 3 GrEStG 1987 zu qualifizieren (vgl Mechtler/Pinetz in Pinetz/Schragl/Siller/Stefaner, GrEStG § 1 Rz 868; N. Arnold in Arnold/Bodis, GrEStG [17. Lfg 2020] § 1 Rz 351). Nach der Rsp des VwGH zu § 1 Abs 3 GrEStG BGBl 1955/140 fielen unter den Begriff der „Gesellschaft“ iSd § 1 Abs 3 GrEStG 1955 nicht nur Kapitalgesellschaften, sondern auch Personenhandelsgesellschaften (vgl VwGH 29. 11. 1978, 2149/75 mwN). Angesichts der Weiterverwendung des Begriffes der „Gesellschaft“ in § 1 Abs 3 GrEStG 1987 ist dies auf Personengesellschaften iSd UGB unverändert zu übertragen. Für den VwGH ergibt sich daher schon aus dem Wortlaut des § 1 Abs 3 GrEStG 1987 und der bisherigen Rsp, dass die Bestimmung auf Personengesellschaften und somit – wie hier gegeben – auf die Übertragung von Anteilen am Gesellschaftsvermögen einer KG anwendbar ist. Zudem ist – so der VwGH – aus den zitierten Materialien zum StRefG 2015/2016 abzuleiten, dass es die Intention des Gesetzgebers war, dass die Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften sowohl den Tatbestand des § 1 Abs 2a GrEStG 1987 als auch jenen des § 1 Abs 3 GrEStG 1987 erfüllen kann. § 1 Abs 3 GrEStG 1987 ist dabei subsidiär zu § 1 Abs 2a GrEStG 1987 und kommt nur zur Anwendung, soweit nicht die speziell auf die Übertragung von Gesellschaftsanteilen an Personengesellschaften zugeschnittene Regelung des § 1 Abs 2a GrEStG 1987 anzuwenden ist (vgl Mechtler/Pinetz in Pinetz/Schragl/Siller/Stefaner, GrEStG § 1 Rz 866; N. Arnold in Arnold/Bodis, GrEStG [17. Lfg 2020] § 1 Rz 349b).

Das BFG ging somit zu Recht davon aus, dass die Einbringung des Anteiles am Gesellschaftsvermögen der F KG von C F in die Rw und die damit erfolgte Vereinigung aller Anteile am Gesellschaftsvermögen der F KG in der Hand der Rw den Tatbestand des § 1 Abs 3 Z 1 GrStG 1987 erfüllte. Da gleichzeitig die J GmbH als Komplementärgesellschafterin und Arbeitsgesellschafterin ohne Beteiligung am Gesellschaftsvermögen in die F KG eintrat, kam es nicht zu einem Übergang des Gesellschaftsvermögens gem § 142 UGB (Anwachsung), was die Anwendbarkeit des § 1 Abs 3 Z 1 GrStG 1987 ausgeschlossen hätte (vgl dazu VwGH 29. 11. 1978, 473/75; 29. 11. 1978, 2149/75; 21. 3. 1979, 1033/75; 27. 6. 1985, 84/16/0194). Steuerschuldnerin ist gem § 9 Abs 3 lit b GrEStG 1987 die Rw, zumal § 9 Ab 3 lit a GrEStG 1987 – wie sich schon aus der Anlehnung der Formulierung an § 1 Abs 2a GrEStG 1987 ergibt – nur Fälle erfasst, in denen die GrESt aufgrund der Änderung des Gesellschafterbestandes gem § 1 Abs 2a GrEStG 1987 ausgelöst wird (vgl Massoner/Stefaner in Pinetz/Schragl/Siller/Stefaner, GrEStG § 9 Rz 11).

Conclusio

Wie schon die Entscheidung des BFG ist auch die höchstgerichtliche Stellungnahme des VwGH vollends überzeugend. Wie der Autor schon zur zugrundeliegenden BFG-Entscheidung festgehalten hat (V. Bendlinger, LN Rechtsnews 31812 v 10. 12. 2021), deutet nichts im Wortlaut von § 1 Abs 3 GrEStG darauf hin, dass unter „Gesellschaft“ nur „Kapitalgesellschaften“ gemeint sein sollten. Denn hätte der Gesetzgeber den Anwendungsbereich auf Kapitalgesellschaften einschränken wollen, wäre statt dem Begriff „Gesellschaften“ der Terminus „Körperschaften“ oder „Kapitalgesellschaften“ verwendet worden. Überdies heißt es in den Materialien zum StRefG 2015/2016 (ErlRV 684 BlgNR 25. GP 34) ausdrücklich, „dass künftig Anteilsvereinigungen gemäß § 1 Abs. 3 auch bei Personengesellschaften denkbar sein sollen“. Durch die Einbringung des 20%igen Komplementäranteils in die Rw wurden die Anteile der F KG in der Hand der G F GmbH vereinigt. Der Eintritt der reinen Arbeitsgesellschafterin J GmbH änderte daran nichts, da diese am Kapital der F KG nicht beteiligt wurde. Aus steuerplanerischem Gesichtspunkt wäre es sinnvoll gewesen, den 20%igen Komplementäranteil in eine eigene Kapitalgesellschaft einzubringen (ausf zur steuerlichen Nichterfassung von mittelbaren Anteilsvereinigungen siehe Loser/Urtz, Neuerungen bei der GrESt durch das JStG 2018: Steuerfreiheit für doppelstöckige Anteilsübertragungen und -vereinigungen, ÖStZ 2018, 399 [405]), da dies die Anteilsvereinigung in der „Hand“ der G F GmbH verhindert hätte.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33757 vom 07.03.2023