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GrEStG: § 4 Abs 2
Abstract
§ 4 Abs 2 GrEStG sieht für bestimmte Erwerbsvorgänge (etwa im Erbfall) von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken die Berechnung der GrESt anhand des Einheitswerts (§ 6 GrEStG) vor und nicht vom Wert der Gegenleistung (§ 5 GrEStG). Dafür ist notwendig, dass der Erbe Teil des begünstigten Personenkreises des § 26a Abs 1 Z 1 GGG ist, der unter anderem Stief-, Wahl- oder Pflegekinder einschließt. Über die Auslegung der Begriffe des Stief- und Pflegekinds iSd § 26a Abs 1 Z 1 GGG hatte der VwGH zu entscheiden.
VwGH 17. 6. 2024, Ra 2021/16/0098
Sachverhalt
Dem Mitbeteiligten, geboren am 7. 3. 1987, wurde mit Einantwortungsbeschluss vom 21. 3. 2019 der gesamte Nachlass des Erblassers eingeantwortet. Der Mitbeteiligte war der Stiefsohn des Erblassers und lebte seit seinem vierten Lebensjahr bei ihm. Im Jahr 2011 ließ sich die Mutter des Mitbeteiligten aber vom Erblasser (Stiefvater des Mitbeteiligten) scheiden. Der Nachlass umfasste unter anderem land- und forstwirtschaftliche Grundstücke. Mit Bescheid vom 28. 8. 2019 setzte das Finanzamt GrESt iHv 14.580,21 € fest. Dagegen erhob der Mitbeteiligte Beschwerde, weil er in den begünstigten Personenkreis gem § 26a Abs 1 Z 1 GGG falle und somit die Bestimmung des § 4 Abs 2 GrEStG (im vorliegenden Fall idF BGBl I 2015/163) zur Berechnung der GrESt Anwendung finden müsse. Dem folgte das BFG (19. 10. 2021, RV/5100781/2020) und setzte in weiterer Folge die GrESt mit 815,28 € fest, weil es von der Eigenschaft als Pflegekind des Mitbeteiligten ausgegangen ist und der Mitbeteiligte somit von § 26a Abs 1 Z 1 GGG erfasst sei. In der vorliegenden Amtsrevision brachte das Finanzamt (FA) zur Zulässigkeit im Wesentlichen vor, dass Rsp zur Auslegung der Begriffe des Stief-, Wahl- und Pflegekinds in § 26a Abs 1 Z 1 GGG fehle.
Entscheidung des VwGH
Im vorliegenden Fall ist fraglich, ob für die an den Mitbeteiligten vererbten land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke die Berechnung der GrESt gem § 4 Abs 2 GrEStG (idF BGBl I 2015/163) iVm § 26a Abs 1 Z 1 GGG (idF BGBl I 2015/19) anwendbar ist. Gem § 4 Abs 2 GrEStG wird unter anderem bei einem Erbfall die GrESt für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke vom Einheitswert iSd § 6 GrEStG berechnet. Dafür ist es aber notwendig, dass der Erbe eine von § 26a Abs 1 Z 1 GGG erfasste Person ist. Von diesem Personenkreis sind etwa Stief-, Wahl oder Pflegekinder umfasst. Der in § 26a Abs 1 Z 1 GGG genannte Personenkreis deckt sich im Wesentlichen mit jenem in § 364c ABGB (s ErlRV 1984 BlgNR 24. GP 7). Daraus zieht der VwGH den Schluss, dass auf die Rsp des OGH zur Auslegung der Begriffe des Stief-, Wahl und Pflegekinds sowie zur Frage, zu welchem Zeitpunkt diese Eigenschaft endet, zurückgegriffen werden kann.
Nach der Rsp des OGH endet das Schwägerschaftsverhältnis mit der Auflösung der dieses Verhältnis begründenden Ehe (RIS-Justiz RS0116994; zuletzt OGH 27. 9. 2021, 5 Ob 55/21f). Dies ist somit der Zeitpunkt, zu dem das Angehörigenverhältnis zwischen Stiefeltern und Stiefkindern endet. Anderes gilt hingegen für Pflegekinder: Diese können auch nach Beendigung der für das Schwägerschaftsverhältnis begründenden Ehe weiterhin Pflegekinder sein (OGH 16. 12. 2015, 2 Ob 34/15m). Die Pflegeelterneigenschaft bestimmt sich nach § 184 ABGB und liegt vor, wenn einerseits eine tatsächliche Betreuung sowie Eingliederung in Haushalt und Lebensablauf gegeben ist. Andererseits muss diese Betreuung auf Dauer angelegt sein, sodass eine zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahekommende Beziehung gegeben ist (s dazu Weitzenboeck in Schwimann/Kodek, ABGB: Praxiskommentar5 Rz 7-8).
Der maßgebliche Zeitpunkt für das Vorliegen der begünstigten Stellung nach § 26a Abs 1 Z 1 GGG iVm § 4 Abs 2 GrEStG ist die Entstehung der Steuerschuld. Diese entsteht gem § 8 Abs 4 GrEStG durch Erbanfall mit Rechtskraft des Beschlusses über die Einantwortung. Nach Ansicht des VwGH lag aufgrund der Feststellungen des BFG zu diesem Zeitpunkt weder ein Stiefkindverhältnis (wegen der Scheidung der Ehe) noch ein Pflegekindverhältnis (mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 184 ABGB) vor. Somit hat das BFG die Berechnung zu Unrecht auf § 4 Abs 2 GrEStG gestützt.
Conclusio
Im vorliegenden Fall war unstrittig, dass die Eigenschaft des Mitbeteiligten als Stiefkind aufgrund der 2011 eingetretenen Scheidung der Ehe nicht gegeben war, weshalb er insofern nicht unter den begünstigten Personenkreis nach § 26a Abs 1 Z 1 GGG fiel (s kürzlich auch BFG 22. 4. 2024, RV/5100063/2024). Fraglich war nur, ob der Mitbeteiligte eventuell als Pflegekind – und damit als in den begünstigten Personenkreis des § 26a Abs 1 Z 1 GGG fallende Person – dennoch von der Berechnungsmöglichkeit nach § 4 Abs 2 GrEStG Gebrauch machen kann. Nach Ansicht des BFG handelte es sich im vorliegenden Fall beim Mitbeteiligten zweifelsfrei um ein Pflegekind des Erblassers, weil er seit seinem vierten Lebensjahr in seinem Haushalt lebte und in den Lebensablauf des (damaligen) Stiefvaters eingegliedert war. Die Scheidung änderte daran nichts, so das BFG. Daran ist aber fraglich, ob die Eigenschaft des Mitbeteiligten als Pflegekind auch im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld (also im Zeitpunkt der Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses) vorlag. Dafür bedarf es gem § 184 ABGB der kumulativen Erfüllung der folgenden beiden Voraussetzungen: Es benötigt eine tatsächliche Betreuung und Eingliederung in den Haushalt, die auch auf Dauer angelegt ist (Weitzenboeck in Schwimann/Kodek, ABGB: Praxiskommentar5 Rz 7-8). Der VwGH sah diese Voraussetzungen nicht als erfüllt an und verneinte somit die Eigenschaft als Pflegekind. Somit war nach Ansicht des VwGH die Höhe der GrESt anhand des Grundstückswerts zu ermitteln.