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VwGH zur Behaltefrist bei der Übertragung stiller Reserven

Bearbeiter: Vera Hellebrandt

EStG 1988: § 6 Z 9 lit a, § 12 Abs 3 Z 1, § 12 Abs 8

Abstract

Der VwGH bejahte, dass bei einer unentgeltlichen Übertragung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes und der damit einhergehenden Buchwertfortführung für die Behaltefrist nach § 12 Abs 3 EStG der ununterbrochene Zeitraum maßgeblich ist, während dem ein Wirtschaftsgut zum Anlagevermögen gehört hat.

VwGH vom 18. 2. 2021, Ra 2019/15/0052

Sachverhalt

Im Februar 2005 übernahmen die miteinander verheirateten Revisionswerber je zur Hälfte einen land- und forstwirtschaftlichen Familienbetrieb und führten diesen in Form einer GesBR fort. Bereits seit 1971 hatten zuvor die Eltern eines der beiden Revisionswerber diesen Betrieb mitsamt einem Waldgrundstück und einem „Milchkontingent“ geführt. Zur Finanzierung der Modernisierung des übernommenen Betriebs veräußerten die Revisionswerber im Juli 2005 einen Teil dieses Anlagevermögens. Die aufgedeckten stillen Reserven wurden auf neu angeschaffte Wirtschaftsgüter übertragen und im Übrigen einer Rücklage nach § 12 Abs 8 EStG zugeführt. Die Finanzverwaltung verweigerte die Übertragung der stillen Reserven, weil die Siebenjahresfrist nach § 12 Abs 3 Z 1 EStG für die Zugehörigkeit der veräußerten Wirtschaftsgüter zum Betrieb der Revisionswerber im Zeitpunkt der Veräußerung noch nicht abgelaufen war. Die Revisionswerber erhoben Beschwerde an das BFG mit der Argumentation, dass im Zuge der Buchwertfortführung nach § 6 Z 9 lit a EStG bei der siebenjährigen Behaltefrist auch die Zeit der Zugehörigkeit der veräußerten Wirtschaftsgüter zum elterlichen Betrieb maßgeblich wäre. Das BFG wies die Beschwerde als unbegründet ab, weil es dem VwGH zufolge auch bei Identität der Betriebe nicht auf die Betriebszugehörigkeit alleine ankäme, sondern darauf, dass die veräußerten Wirtschaftsgüter während der Behaltefrist demselben Steuerpflichtigen gehört hätten (VwGH 6. 3. 1973, 200/73). Die Revisionswerber erhoben gegen die Entscheidung des BFG eine außerordentliche Revision.

Entscheidung des VwGH

Bei landwirtschaftlichen Übernahmeverträgen handelt es sich aus steuerrechtlicher Sicht zumeist um gemischte Schenkungen, wobei jedoch stets die Umstände des Einzelfalls Berücksichtigung finden müssen (vgl zB VwGH 19. 10. 1995, 95/16/0133). Eine gemischte Schenkung liegt dann nahe, wenn ein offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, also sich für den einen Teil auf jeden Fall eine Vermögenseinbuße und für den anderen Teil auf jeden Fall eine Bereicherung ergibt (vgl zB VwGH 23. 4. 2014, 2010/13/0139). Das subjektive Element des „Bereichernwollens“ des Geschenkgebers zugunsten des Geschenknehmers wird im Verhältnis zwischen nahen Angehörigen grundsätzlich im Zweifelsfall angenommen.

Wenn ein Betrieb unentgeltlich übergeben wird, kommt es gem § 6 Z 9 lit a zur Fortführung der Buchwerte des bisherigen Betriebsinhabers durch den Rechtsnachfolger. Die stillen Reserven, die in den Wirtschaftsgütern des übertragenen Betriebes enthalten sind, gehen auf den Rechtsnachfolger über. Folglich ist für die Behaltefrist des § 12 Abs 3 EStG der ununterbrochene Zeitraum maßgeblich, während dem ein Wirtschaftsgut zum Anlagevermögen beim bisherigen Betriebsinhaber und beim Rechtsnachfolger gehört hat. Das Vorliegen von Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge hat keinerlei Auswirkungen.

Die Revisionswerber brachten im Verwaltungsverfahren vor, dass der land- und forstwirtschaftliche Betrieb unentgeltlich erworben wurde. Jedoch unterließ es das BFG Feststellungen zum Vorliegen einer entgeltlichen oder unentgeltlichen Betriebsübernahme zu treffen, weil es die Rechtslage verkannt hatte. Daher hob der VwGH das Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

Conclusio

Im Ergebnis schloss sich der VwGH damit der von den Revisionswerbern und in der Literatur vertretenen Ansicht an, dass das BFG, gestützt auf das veraltete Erkenntnis VwGH 6. 3. 1973, 200/73, die Rechtslage verkannt hatte (vgl zB Sulz/Hirschler, Die Übertragung stiller Reserven gem § 12 EStG nach unentgeltlichem Erwerb des Betriebes, immolex 2019, 260). Dieses zu § 6 Abs 2 EStG 1967 ergangene Erkenntnis ist für die Auslegung des geltenden § 6 Z 9 lit a EStG 1988 mitsamt den Folgen der Buchwertfortführung nicht mehr zweckdienlich. Daher ist es zu begrüßen, dass nach der unentgeltlichen Übergabe des Betriebs der ununterbrochene Zeitraum maßgeblich ist, während dem ein Wirtschaftsgut zum Anlagevermögen gehört hat, weil oftmals im Zusammenhang mit der Übernahme eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs Modernisierungsmaßnahmen getroffen werden. Ferner entspricht das Weiterlaufen der Behaltefrist des Rechtsvorgängers im Falle der Buchwertfortführung auch der in Rz 3978, EStR 2000 geäußerten Rechtsansicht der FinVw.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30774 vom 20.04.2021