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DBA-Deutschland: Art 15 Abs 4
Abstract
Im vorliegenden Fall war fraglich, ob auf eine Abfindung aus einem deutschen Dienstverhältnis nach österreichischem Recht die Tarifbegünstigung gem § 67 Abs 3 EStG anzuwenden ist. Der VwGH erkannte jedoch, dass in der Vorentscheidung des BFG Feststellungen zum Besteuerungsrecht Österreichs fehlten. Die Abfindung aus einem deutschen Arbeitsverhältnis ist nur dann in Österreich zu besteuern, wenn die Rückfallklausel gem Art 15 Abs 4 DBA-D anzuwenden ist. Aussagen zur Auslegung der Rückfallklausel, die das BFG in der Folgeentscheidung vorzunehmen hat, traf der VwGH hingegen nicht. Er entschied jedoch, dass die Tarifbegünstigung gem § 67 Abs 3 EStG für ausländische Abfindungen maximal in der Höhe zusteht, in der sie auch gem § 23 Angestelltengesetz (AngG) zu gewähren wäre.
VwGH 23. 10. 2024, Ra 2022/15/0076
Sachverhalt
Der an der Revision Mitbeteiligte war bis Jänner 2019 in Deutschland ansässig und verlegte seinen Wohnsitz im Februar 2019 nach Österreich. In Deutschland war er parallel für zwei deutsche Unternehmen desselben Konzerns tätig, die seine Dienstverhältnisse im Juni 2019 aufkündigten. Darauf kam es zu einem gerichtlichen Vergleich zwischen dem Mitbeteiligten und seinen Dienstgebern, der diese ua dazu verpflichtete, an den Mitbeteiligten eine Abfindung in Höhe von 500.000 € für den Verlust seiner Arbeitsplätze zu zahlen. Ein Teil der Abfindungszahlung (208.113 €) stand dem Mitbeteiligten aufgrund des § 10 deutsches Kündigungsschutzgesetz (dKSchG) zu. Für diesen Teil der Abfindung beantragte der Mitbeteiligte in Analogie zum Abfertigungsanspruch des österreichischen AngG eine Besteuerung nach dem begünstigten Steuersatz von 6 % gem § 67 Abs 3 EStG. Das Finanzamt erfasste im Einkommensteuerbescheid 2019 die Abfindung jedoch gar nicht, worauf der Mitbeteiligte Beschwerde beim BFG einreichte. Das BFG gab der Beschwerde statt, sprach Österreich das Besteuerungsrecht zu und wandte § 67 Abs 3 EStG auf die volle Höhe der nach deutschem Recht gesetzlich zu gewährenden Abfindung an. Gegen dieses Erkenntnis erhob das Finanzamt Amtsrevision.
Entscheidung des VwGH
Der VwGH stellt zunächst fest, dass der Mitbeteiligte gem § 1 Abs 2 EStG seit Februar 2019 in Österreich aufgrund seines Wohnsitzes im Inland unbeschränkt steuerpflichtig ist. Gem § 25 Abs 1 Z 1 lit a EStG zählen zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch Bezüge und Vorteile aus einem früheren oder bestehenden Arbeitsverhältnis. Dazu gehört auch die im vorliegenden Fall strittige Abfindung. In einem weiteren Schritt ist jedoch zu prüfen, ob das österreichische Besteuerungsrecht durch Art 15 DBA-Deutschland (DBA-D) eingeschränkt wird. Gem Art 15 Abs 1 DBA-D dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Art 15 Abs 1 DBA-D ist so auszulegen, dass die Zuordnung des Besteuerungsrechts für konkrete Zahlungen nach kausalen Gesichtspunkten beurteilt wird (VwGH 23. 2. 2017, Ro 2014/15/0050). Ein Besteuerungsrecht des Quellenstaats besteht, wenn die Zahlungen ihren Grund in der im Quellenstaat ausgeübten Tätigkeit haben. Der Zeitpunkt des Zuflusses oder die Form und Bezeichnung der einzelnen Zahlungen sind jedoch für die Zuordnung des Besteuerungsrechts unbeachtlich. Abfindungen haben ihren Grund in der vor Beendigung des Dienstverhältnisses ausgeübten Tätigkeit (vgl VwGH 23. 2. 2017, Ro 2014/15/0050; 26. 2. 2015, 2021/15/0128), weshalb das Besteuerungsrecht für die strittigen Zahlungen grundsätzlich Deutschland zuzusprechen ist.
Allerdings kann Österreich das Besteuerungsrecht nach Art 15 Abs 4 DBA-D zukommen, demgemäß die Arbeit für Zwecke des Art 15 DBA-D nur dann als im anderen Vertragsstaat ausgeübt gilt, wenn die Vergütungen in Übereinstimmung mit dem DBA-D im anderen Vertragsstaat besteuert worden sind. Das BFG geht in der angefochtenen Entscheidung zwar vom Besteuerungsrecht Österreichs aus, hat jedoch keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, „dass die Abfindungszahlungen in Deutschland erklärt und von der deutschen Abgabenbehörde dennoch nicht besteuert worden sind“ (VwGH 23. 10. 2024, Ra 2022/15/0076, Rz 33). Somit ist das BFG-Erkenntnis aufzuheben, weil nicht beurteilt werden kann, ob hier überhaupt ein Anwendungsfall des Art 15 Abs 4 DBA-D vorliegt. Darüber hinaus ist das BFG-Erkenntnis insoweit rechtswidrig, als es die Abfindung in der gesamten nach § 10 dKSchG vorgeschriebenen Höhe durch § 67 Abs 3 EStG begünstigt. § 10 dKschG sieht für den Mitbeteiligten eine Abfindung in Höhe von fünfzehn Monatsgehältern vor, gem § 23 AngG wäre dem Mitbeteiligten aber nur das Neunfache des monatlichen Entgelts zu gewähren. Diese Grenze ist auch gem § 67 Abs 3 EStG zu beachten.
Conclusio
Der VwGH trägt mit seiner Entscheidung dem BFG auf, weitere Feststellungen zum Sachverhalt dahingehend zu treffen, ob der Staat Deutschland das ihm zukommende Besteuerungsrecht ausgeübt hat. Dabei trifft er jedoch keine Aussagen darüber, wann die Vergütungen als besteuert im anderen Vertragsstaat iSd Art 15 Abs 4 DBA-D gelten. Die Rückfallklausel (auch „Subject-to-tax-Klausel“) soll der Vermeidung von doppelter Nichtbesteuerung dienen und gem Abs 7 des Protokolls zum DBA-D nur dann zur Anwendung kommen, wenn die Vergütungen im anderen Vertragsstaat steuerlich nicht erfasst worden sind. Die Klausel kommt nach der in der Literatur vertretenen Ansicht nicht zur Anwendung, wenn der Steuerpflichtige und andere Beteiligte allen Verpflichtungen nachgekommen sind. Das Fehlen einer tatsächlichen Besteuerung, etwa aufgrund einer Steuerbefreiung, schadet hingegen nicht, solange sichergestellt ist, dass der Tätigkeitsstaat Kenntnis von seiner Steuerbefugnis erlangt hat (vgl etwa Stefaner in Wassermayer, DBA Ö-D 2000 Art 15 Rz 8 ff [Stand 166 EL 2024]; Schilcher/Stefaner, Die Bedeutung des Tätigkeitsstaatsprinzips in Art. 15 DBA-Deutschland, SWI 2005, 5 [9 f]; Lang, Die Vermeidung der Nichtbesteuerung von Abfindungen im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, in Beiser/Hohenwarter-Mayr/Mayr/Kirchmayr-Schliesselberger [Hrsg], FS Zorn [2022] 369 [375]). Nach Loukota war die Bestimmung aus österreichischer Sicht zwar „unnötig“, konnte durch die Einschränkung im Schlussprotokoll aber entschärft werden (Loukota, Neues österreichisch-deutsches Doppelbesteuerungsabkommen in Sicht, SWI 1998, 255 [257]).
Während also im Schrifttum weitgehend Einigkeit über die Bedeutung der Rückfallklausel in Art 15 Abs 4 DBA-D herrscht, fehlt noch VwGH-Rechtsprechung zur Frage, welche Voraussetzungen für eine Erfassung der Steuer im Quellenstaat erfüllt sein müssen. In einer vorangegangen Entscheidungen wurde die oben geschilderte restriktive Auslegung nur im Zusammenhang mit dem Vorbringen des Revisionswerbers zitiert, nicht jedoch bestätigt (vgl VwGH 23. 2. 2017, Ro 2014/15/0050, Rz 35). Im vorliegenden Erkenntnis wurde auf die Stelle der vorangegangenen Entscheidung verwiesen, wo die hL wiedergegeben wird. Hievon geht jedoch wieder nicht klar hervor, dass der VwGH diese Ansicht selbst übernimmt. Fraglich ist auch die Bedeutung der Formulierung zur fehlenden Feststellung des BFG darüber, „dass die Abfindungszahlungen in Deutschland erklärt und von der deutschen Abgabenbehörde dennoch nicht besteuert worden sind“ (VwGH 23. 10. 2024, Ra 2022/15/0076, Rz 33). Eine Erklärung der Abfindungszahlungen in Deutschland würde laut Schrifttum für ein Besteuerungsrecht Deutschlands bereits ausreichen. Unklar ist daher, warum das BFG auch noch feststellen sollte, dass die deutsche Abgabenbehörde die Zahlungen dennoch nicht besteuert hat. Zur Beseitigung der Rechtsunsicherheit wäre daher eine klare Entscheidung des VwGH wünschenswert. Auch wenn die Interpretation der Rückfallklausel für den Spruch dieses Erkenntnisses nicht zwingend erforderlich war, hätte der VwGH die Gelegenheit dazu bereits nutzen können, wie er es hier auch in Bezug auf die Maßgeblichkeit des § 23 AngG für die Begünstigung gem § 67 Abs 3 EStG für ausländische Abfindungen getan hat.