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VwGH zur Bemessungsgrundlage von Zessionsgebühren bei unbestimmter Höhe der abgetretenen Forderung

Bearbeiter: Vera Hellebrandt

BewG 1955: § 14 Abs 1

GebG: § 17 Abs 2, § 26, § 33 TP 21

Abstract

Der VwGH entschied, dass bei Verträgen über unbestimmte Leistungen mit einer Begrenzung der Leistungshöhe nicht stets der höchstmögliche Betrag als Bemessungsgrundlage für die Gebührenberechnung herangezogen werden darf.

VwGH 4. 5. 2023, Ra 2020/16/0157

Sachverhalt

Im Jahr 2013 vereinbarte der Revisionswerber (Rw) als Zedent die Abtretung ungewisser Schadenersatzforderungen an die Zessionarin. Der Rw beantragte die vorläufige Festsetzung der nach § 33 TP 21 GebG vorgesehenen Zessionsgebühr mit 0 €, weil der Kauf- und Abtretungspreis bestimmbar, aber der Höhe nach ungewiss sei. Die FinVw folgte dieser Auffassung nicht und setzte die Zessionsgebühr, ausgehend vom höchstmöglichen (gedeckelten) Abtretungspreis, mit 17.500 € fest. Das BFG wies die Beschwerde als unbegründet ab. Der vom Rw bestrittenen Anwendbarkeit des § 26 GebG, wonach ua bedingte Leistungen als unbedingte zu behandeln sind, folgte das BFG nicht. Im streitgegenständlichen Fall läge eine Bedingung in Form der tatsächlichen Geltendmachung der Forderung durch die Zessionarin vor. Die im Zessionsvertrag vereinbarten gestaffelten Prozentsätze wären daher nur bei Geltendmachung der Forderung anwendbar. Zur vom Rw behaupteten Verfassungswidrigkeit des § 26 GebG führte das BFG aus, dass anders als bei der Anwendung des ursprünglich verfassungswidrigen § 22 GebG nicht stets der Höchstbetrag bei der Gebührenfestsetzung heranzuziehen wäre. Stattdessen stände es dem Rw gem § 17 Abs 2 GebG frei den Gegenbeweis durch Bekanntgabe des erzielten Nettoerlöses zu erbringen. Dieser Aufforderung konnte er allerdings nicht nachkommen, weil die tatsächliche Geltendmachung von Ansprüchen durch die Zessionarin auf dem Zivilrechtsweg nicht bekannt war. Daraufhin schloss sich das BFG der Auffassung der FinVw an und erkannte den Gebührenbescheid als rechtmäßig. Der VfGH lehnte die Behandlung der Beschwerde des Rw zur behaupteten Verfassungswidrigkeit des § 26 GebG mit Beschluss ab und überließ diese dem VwGH zur Entscheidung.

Entscheidung des VwGH

Bei der Bewertung gebührenpflichtiger Gegenstände ist gem § 26 GebG das BewG 1955 maßgeblich, wonach bedingte Leistungen als unbedingte zu behandeln sind. Im revisionsgegenständlichen Zessionsvertrag ist ein Entgelt für die Abtretung der Schadenersatzforderung nur im Fall der erfolgreichen Geltendmachung durch die Zessionarin vorgesehen. Es liegt damit eine Bedingung iSd § 26 GebG vor. Allerdings kann § 17 Abs 2 GebG nicht dafür herangezogen werden, dass der Rw einen Gegenbeweis erbringen muss, um die Gebührenberechnung auf Grundlage des Höchstbetrags abzuwenden. Diese Bestimmung dient zur Ermittlung des wahren Willens der Parteien, wenn eine Urkunde unklar oder mehrdeutig formuliert ist. Im Revisionsfall ist die für die Gebührenbemessung relevante Regelung über den Kauf- und Abtretungspreis weder unklar noch mehrdeutig.

Anschließend behandelt der VwGH die Aufhebung der früheren Fassung des § 22 GebG durch den VfGH (VfGH 20. 6. 2006, G-1/06). Die Verfassungswidrigkeit war auf eine unsachliche Differenzierung bei der Gebührenbemessung zurückzuführen, weil bei Vereinbarung einer unbestimmten Leistung mit Leistungsbegrenzung zwingend der Höchstbetrag als Gebührenbemessungsgrundlage heranzuziehen war. Wenn hingegen keine Leistungsbegrenzung vorlag, war der Wert der wahrscheinlichen Leistung als Bemessungsgrundlage ausschlaggebend. Die vom BFG vertretene Lesart würde § 26 GebG denselben verfassungswidrigen Inhalt unterstellen, weil bei der Höhe nach begrenzten Leistungen wiederum stets der Höchstbetrag maßgeblich für die Gebührenfestsetzung wäre.

Daher ist die Zessionsgebühr nicht ausgehend vom vereinbarten Höchstbetrag zu berechnen, sondern anhand des nach § 14 BewG ermittelten Werts der Gegenleistung. Im Revisionsfall ist die Forderung des Zedenten eine auf Zahlung von Geld gerichtete Kapitalforderung iSd § 14 Abs 1 BewG. Kapitalforderungen sind gem § 14 Abs 1 BewG grundsätzlich mit ihrem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände die Heranziehung eines höheren oder geringeren Werts rechtfertigen. Die im Zeitpunkt der Entstehung der Gebührenschuld noch ungewisse Höhe des Zessionsentgelts hätte das BFG zur Ermittlung oder Schätzung des gemeinen Werts des Zessionsentgelts verpflichtet. Im Anschluss hätte das BFG diesen gemeinen Wert der Gebührenbemessung zugrunde legen müssen. Der VwGH hob deswegen das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf.

Conclusio

Der VfGH folgte den Bedenken des Rw zur Verfassungswidrigkeit des § 26 GebG nicht (VfGH 25. 2. 2020, E 1852/2019). Der VwGH kam zum Schluss, dass die Zessionsgebühr nicht zwingend vom höchstmöglichen Betrag ausgehend berechnet werden darf, wenn die Höhe der abgetretenen Forderung noch ungewiss, aber mit einem Höchstbetrag gedeckelt ist. Die vom BFG vertretene Auffassung würde einer Wiedereinführung der vom VfGH als verfassungswidrig aufgehobenen Höchstbetragsregel im ehemaligen § 22 GebG gleichkommen (VfGH 20. 6. 2006, G-1/06). Ebenso wurde im Schrifttum vertreten, dass bei im Zeitpunkt der Entstehung der Gebührenschuld ihrer Höhe nach ungewissen Einmalleistungen die Bemessungsgrundlage anhand relevanter Faktoren zu schätzen ist (Glega/Marschner, VfGH zu Gebühren und Erbschaftssteuer, RdW 2006, 664 [664]). Eine solche Schätzung kann gerade dann durchgeführt werden, wenn – wie im Revisionsfall – „das Zessions­entgelt nach einer bestimmten Formel festgelegt, vereinbarungsgemäß aber der Höhe nach mit einem Eurobetrag limitiert wird“ (Arnold, Höchstbetragsregel des § 22 GebG verfassungswidrig, SWK 2006, S 639 [S 643]). Wenn eine Schätzung nicht möglich ist, kommt auch eine Festsetzung mit vorläufigem Bescheid gem § 200 Abs 1 BAO in Betracht. Ferner bestätigte der VwGH, dass die Vermutungsregel des § 17 Abs 2 GebG sich nach hA auf strittige Fragen zum Urkundeninhalt bezieht und nicht für andere gebührenrechtlich relevanten Umstände herangezogen werden kann (Twardosz, GebG7.00 § 17 Rz 40; Oberrader/Schweighofer, VfGH: Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 26 GebG, taxlex 2021, 85 [87]).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34197 vom 29.06.2023