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VwGH zur Berichtigung von „Rechenfehlern“ des BFG gem § 293 BAO

Bearbeiter: Eric Coenen

BAO: § 293

Abstract

Der VwGH hatte darüber zu entscheiden, ob das BFG eine zulässige Berichtigung nach § 293 BAO vorgenommen hat. Von der Möglichkeit einer solchen Berichtigung kann das BFG gem § 272 Abs 5 BAO dann Gebrauch machen, wenn sich im Erkenntnis ein Schreib- oder Rechenfehler oder eine Unrichtigkeit durch eine automationsunterstützte Datenverarbeitungsanlage ergeben hat. Wenn aber ein Fehler in der Willensbildung vorliegt, der sich etwa aus Subsumtionsfehlern ergeben kann, bleibt dem BFG der Zugang zur Berichtigungsmöglichkeit nach § 293 BAO verwehrt.

VwGH 1. 3. 2023, Ra 2022/13/0105

Sachverhalt und Verfahrensgang

Die Revisionswerberin (Rw) hat im Jahr 2010 ihren gesamten Betrieb sowie Beteiligungen veräußert. Die Höhe des Kaufpreises wurde pauschal mit 15 Mio € festgesetzt und umfasste einerseits die Betriebs- und Beteiligungsveräußerung und andererseits eine Schuldübernahme. Die Rw setzte die steuerfreie Beteiligungsveräußerung mit einem Wert von 6,3 Mio € (entspricht 42 % des Kaufpreises) an, die steuerpflichtige Betriebsveräußerung hingegen mit 8,7 Mio € (entspricht 58 % des Kaufpreises). Das Finanzamt (FA) konnte diese festgesetzten Werte im Rahmen einer Außenprüfung für die Jahre 2010–2015 allerdings nicht nachvollziehen. Daher schätze das FA anhand der Buchwerte die steuerpflichtige Betriebsveräußerung mit 10,05 Mio € (entspricht 67 % des Kaufpreises). Mit Bescheid nahm das FA in weiterer Folge das Verfahren betreffend Körperschaftsteuer 2011 und Feststellung Gruppenträger 2014 auf und setzte die Körperschaftsteuer 2011, das Einkommen Gruppenträger 2014 sowie die Körperschaftsteuer Gruppe 2015 neu fest. Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wurden vom BFG im Hinblick auf die Wiederaufnahme Körperschaftsteuer 2011 abgewiesen und im Hinblick auf den Feststellungsbescheid Gruppenträger 2014 als gegenstandslos erklärt. Die Körperschaftsteuerbescheide 2011 und 2015 hingegen wurden vom BFG zugunsten des Steuerpflichtigen mit Erkenntnis (BFG 9. 8. 2022, RV/7100256/2021) abgeändert. Daraufhin nahm das FA am 11. 8. 2022 per E-Mail Kontakt mit dem BFG auf, weil es die dem Erkenntnis zugrundeliegende Berechnung der Körperschaftsteuer 2011 und 2014 nicht nachvollziehen konnte. Am 25. 8. 2022 berichtigte das BFG mittels Beschlusses gem § 293 BAO das zuvor erlassene Erkenntnis aufgrund eines „Rechenfehlers“. Daraus ergab sich gegenüber dem Erkenntnis eine höhere Bemessungsgrundlage und somit auch eine höhere Körperschaftsteuer. Gegen diesen Beschluss (BFG 25. 8. 2022, RV/7100256/2021) richtet sich die gegenständliche Revision, in der vorgebracht wird, dass die Berichtigung gem § 293 BAO zu Unrecht vorgenommen worden sei.

Entscheidung des VwGH

§ 293 BAO erlaubt der Abgabenbehörde, in einem Bescheid unterlaufene Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche oder ausschließlich auf dem Einsatz einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten zu berichtigen. Für das BFG ergibt sich die Möglichkeit einer solchen Berichtigung aus § 272 Abs 5 BAO. Es sollen damit allerdings nur dann Berichtigungen erlaubt werden, wenn durch den Fehler ein erkennbares Abweichen vom tatsächlichen Entscheidungswillen und der formell ergangenen Entscheidung herbeigeführt wird. Nicht berichtigungsfähig sind hingegen solche Fehler der Behörde oder des BFG, die im Rahmen der Auslegung der Gesetze entstehen (VwGH 20. 5. 2010, 2008/15/0180; 23. 5. 2013, 2010/15/0076). Diese stellen vielmehr Fehler im Rahmen der Willensbildung dar, für die der Zugang des § 293 BAO verwehrt bleibt (VwGH 27. 8. 2020, Ra 2020/13/0020, mwN). Die Behebung eines Willensbildungsfehlers muss dann in weiterer Folge mittels Revision beim VwGH angefochten werden.

Im vorliegenden Fall hat das BFG das Erkenntnis mittels Beschlusses mit der Begründung berichtigt, dass ein bloßer „Rechenfehler“ vorliege. Da aber die wesentliche strittige Rechtsfrage im Verfahren betreffend Körperschaftsteuer 2011 die Aufteilungshöhe der steuerpflichtigen Betriebsveräußerung und der steuerfreien Beteiligungsveräußerung war, wozu nach Ansicht des VwGH keine Entscheidungsabsicht des BFG festgestellt werden konnte, liege hier ein Fehler in der Willensbildung, der keiner Berichtigung nach § 293 BAO zugänglich ist. Eine Berichtigung wäre nur dann möglich gewesen, wenn sich aus dem Akteninhalt ergeben hätte, dass infolge des Fehlers entgegen dem Willen des BFG die Entscheidungsabsicht vom tatsächlich ergangenen Erkenntnis abweicht (vgl VwGH 9. 7. 2008, 2005/13/0020). Auch die Berichtigung für die Körperschaftsteuer 2015 war nach Ansicht des VwGH unzulässig, weil in einem „Vergessen“ von verbrauchten Verlustvorträgen kein berichtigungsfähiger Fehler liegt, sondern ebenfalls ein Fehler im Rahmen der Willensbildung. Damit war der Berichtigungsbeschluss wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Conclusio

Der VwGH folgt mit diesem Erkenntnis der bisherigen Rsp zur Frage, wann berichtigungsfähige Fehler nach § 293 BAO vorliegen: Demnach sind Irrtümer in Form von Willensbildungsfehlern keiner Berichtigung zugänglich (etwa VwGH 20. 6. 1990, 89/13/0113; 26. 5. 2004, 2002/14/0015). Ziel dieser Bestimmung ist es, eine ungewollte Abweichung vom tatsächlichen Willen der Behörde oder dem Verwaltungsgericht von der formellen Erklärung durch eine Berichtigung mittels Beschlusses zu vermeiden und dadurch ein richtiges Besteuerungsergebnis herbeizuführen (vgl VwGH 20. 5. 2010, 2008/15/0280; 12. 6. 2020, Ra 2019/15/0123). Eine solche ungewollte Abweichung des Willens des BFG von dem ergangenen Erkenntnis war in der gegenständlichen Entscheidung nach Ansicht des VwGH allerdings nicht gegeben, weil nicht bloß ein „Rechenfehler“ vorlag, sondern vielmehr verbrauchte Verlustvorträge vergessen wurden und somit ein Fehler in der Willensbildung gegeben war.

Interessant erscheint darüber hinaus noch die Frage zu sein, wann die Frist für die Erhebung eines Rechtsmittels gegen das berichtigte Erkenntnis endet. Wird eine Berichtigung vorgenommen, ersetzt diese nicht das berichtigte Erkenntnis, sondern bildet vielmehr eine Einheit mit diesem (VwGH 24. 6. 2009, 2009/15/0104; 21. 3. 2012, 2012/16/0058). Die Frist für die Erhebung einer Revision gegen das berichtigte Erkenntnis wird von dem Berichtigungsbeschluss nach § 293 BAO dann nicht berührt, wenn dieser noch nicht formell rechtskräftig ist (Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 293 Rz 22; VwGH 22. 1. 1992, 91/13/0241). Anders verhält es sich hingegen, wenn es erst mit der Berichtigung – und nicht bereits mit dem berichtigten Erkenntnis selbst – zu einem Eingriff in die Rechte des Revisionswerbers kommt: In solchen Fällen ist die Rechtsmittelfrist von dem Zeitpunkt der Zustellung der Berichtigung an zu berechnen (Tanzer/Unger in Rzeszut/Tanzer/Unger [Hrsg], BAO: Stoll Kommentar2.06 [2023] § 293 Rz 37). Da im vorliegenden Fall erst mit der Berichtigung in die Rechte der Steuerpflichtigen eingegriffen wurde, begann die sechswöchige Frist zur Erhebung einer Revision (§ 26 VwGG) für diese erst ab der Zustellung des Beschlusses, mit dem das Erkenntnis berichtigt worden ist, zu laufen. Für das Finanzamt hingegen hat bereits mit der Zustellung des Erkenntnisses der Fristenlauf zur Erhebung einer Revision begonnen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34043 vom 19.05.2023