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VwGH zur Berücksichtigung von behinderungsbedingten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen gem § 34 EStG 1988

Bearbeiter: Stefanie Stöcklinger

EStG 1988: § 34

Abstract

Der VwGH hatte zu entscheiden, ob die Rückbaukosten eines behindertengerechten Kfz sowie der bei potenziellem Verkauf des Kfz anfallende merkantile Minderwert als außergewöhnliche Belastungen iSd § 34 EStG 1988 berücksichtigt werden können. Grundsätzlich können Kosten für behindertengerechte Ein- und Umbauten als nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel gem § 4 Verordnung des BMF über außergewöhnliche Belastungen qualifiziert und als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden. Für die Geltendmachung der Aufwendungen nach § 34 EStG müssen die Kosten jedoch einen zwangsläufigen Charakter aufweisen und bereits getätigt worden sein. Dies trifft auf die bloß mittels eines Gutachtens im Schätzungswege ermittelten, noch nicht getätigten künftigen Aufwendungen der Revisionswerberin nicht zu. Das BFG-Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

VwGH 19. 10. 2022, Ra 2021/15/0029

Sachverhalt

Die Revisionswerberin (Rw) machte für das Jahr 2010 im Rahmen ihrer Arbeitnehmerveranlagung außergewöhnliche Belastungen aufgrund der Behinderung ihrer Tochter iHv ca 23.400 € geltend. Das FA erkannte davon Belastungen lediglich iHv ca 3.700 € an und begründete dies damit, dass der „Recaro-Sitz“, der Sicherheitsgurt sowie ein Wärmekissen gem § 20 EStG nicht abzugsfähig seien, weil es sich dabei nicht um spezielle Behindertenhilfsmittel handle. Auch Umbaukosten für ein Kfz können steuerlich nicht berücksichtigt werden, da diesen Aufwendungen der Wert des erworbenen Wirtschaftsgutes gegenüberstehe, sodass es zu keinem Vermögensabfluss kommt (Gegenwerttheorie).

Gegen diesen Einkommensteuerbescheid 2010 brachte die Rw Berufung (nunmehr Beschwerde) beim BFG ein. Das BFG gab der Beschwerde teilweise statt und änderte den angefochtenen Bescheid zugunsten der Rw dahingehend ab, dass nunmehr ca 7.000 € als außergewöhnliche Belastungen in Ansatz zu bringen seien.

Das BFG stellte fest, dass die Tochter der Rw seit ihrer Geburt unter einer schweren Krankheit leide, die zu einem progressiven Verlust der Muskelkraft führt und sich somit auf den gesamten Bewegungsapparat erstreckt. Aufgrund der Krankheit ist die Tochter auf einen Rollstuhl angewiesen. Dieser macht es ihr unmöglich, öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch zu nehmen, weshalb das Kfz der Rw umfangreich umgebaut wurde, um den Rollstuhl entsprechend transportieren zu können. Der im Rollstuhl fix verbaute „Recaro-Sitz“, das spezielle Gurtsystem zur ordnungsgemäßen Fixierung der Tochter während der Fahrt sowie die Kosten für ein handelsübliches Wärmekissen, das ein Unterkühlen des Körpers mangels Beweglichkeit verhindern soll, erkannte das FA wegen allgemeiner Nutzbarkeit nicht an.

Ein von der Rw eingeholtes Gutachten eines Sachverständigen für Fahrzeugtechnik zum Kostenaufwand für einen Rückbau des Kfz in den Serienzustand sowie zum entstehenden merkantilen Minderwert, der bei Annahme eines Verkaufes des Kfz berücksichtigt werden müsse, erachtete das BFG als ausreichenden Nachweis für die Geltendmachung der Aufwendungen. Dem BFG zufolge seien auch die Aufwendungen für den „Recaro-Sitz“ und das dazugehörige Sicherheitsgurtsystem steuermindernd zu berücksichtigen. Weiters seien auch die Kosten für das handelsübliche Wärmekissen steuerlich zu berücksichtigen, weil dieses als Hilfsmittel iSd § 4 Verordnung des BMF über außergewöhnliche Belastungen unmittelbar und ursächlich mit der Behinderung der Tochter zusammenhänge, absolut notwendig und daher behindertengerecht eingesetzt worden sei. Dies gelte auch für allfällig entstehende Aufwendungen beim Rückbau des Kfz und den bei allfälligem Verkauf des Kfz entstehenden merkantilen Minderwert. Zwar handelt es sich hierbei nicht direkt um Hilfsmittel iSd § 4 Verordnung des BMF über außergewöhnliche Belastungen, Vorrichtungen an einem Kfz, wie zum Beispiel Hebebühnen oder Rollstuhlrampen, gelten aber sehr wohl als entsprechende Hilfsmittel. Wenn nun der Einbau solcher Hilfsmittel steuerlich zu berücksichtigen ist, so müsse dies auch für den Rückbau des Kfz gelten. Gegen dieses Erkenntnis des BFG richtet sich die außerordentliche Amtsrevision an den VwGH.

Entscheidung des VwGH

Als außergewöhnliche Belastungen iSd § 34 EStG können nur solche Ausgaben angesetzt werden, die mit einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr einhergehen und zu einer Vermögensverminderung führen. Die Aufwendungen bei Erwerb eines Wirtschaftsgutes können daher insoweit keine Berücksichtigung finden, als es hierbei nur zu einer Vermögensumschichtung kommt (vgl VwGH 1. 9. 2015, 2012/15/0178; 27. 2. 2014, 2011/15/0145 mwN).

Anders ist dies jedoch zu beurteilen, wenn die Beschaffung von Wirtschaftsgütern für bestimmte individuelle Personen oder aufgrund deren spezifischer behindertengerechter Eigenschaft angeschafft werden müssen und nur einen sehr eingeschränkten allgemeinen Verkehrswert haben (vgl VwGH 27. 2. 2014, 2011/15/0145; 27. 6. 2018, Ra 2017/15/0006 mwN). Kann ein behindertengerechter Umbau eines Wirtschaftsgutes bei Annahme der Verwertung dieses Wirtschaftsgutes nicht abgegolten werden, kann nicht von einer Schaffung eines Gegenwertes ausgegangen werden. Behindertengerechte Ein- oder Umbauten sind daher gem § 4 Verordnung des BMF über außergewöhnliche Belastungen als nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel zu qualifizieren und zu berücksichtigen (VfGH 13. 3. 2003, B 785/02; VwGH 20. 5. 2010, 2007/15/0309).

Aufwendungen für einen behindertengerechten Umbau des Kfz wurden von der Rw weder geltend gemacht noch nachgewiesen. Vielmehr wurden die Aufwendungen für einen allfälligen Rückbau des Kfz und der sich im Falle einer Veräußerung ergebende merkantile Minderwert geltend gemacht und mittels Gutachten unterlegt. Die Berücksichtigung von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen iSd § 34 EStG erfordert jedoch einen tatsächlich aus dem Einkommen des betroffenen Jahres geleisteten Aufwand und dessen Zwangsläufigkeit (vgl VwGH 15. 7. 1988, 98/13/0083). Im Schätzungswege ermittelte, allfällig künftig entstehende Aufwendungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht.

Auch die für Wärmekissen getätigten Aufwendungen können mangels eines mit der Behinderung zusammenhängenden Mehraufwandes nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden. Das Erkenntnis des BFG war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gem § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Conclusio

Der hg Rsp zufolge erkannte der VwGH entgegen der Ansicht des FA zu Recht, dass ein behindertengerechter Umbau eines Wirtschaftsgutes bei einem Verkauf aufgrund des eingegrenzten allgemeinen Verkehrswertes nicht abgegolten werden und daher nicht von einer Schaffung eines Gegenwertes ausgegangen werden kann. Behindertengerechte Ein- oder Umbauten sind daher gem § 4 Verordnung des BMF über außergewöhnliche Belastungen als nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel zu qualifizieren und zu berücksichtigen (vgl VfGH 13. 3 .2003, B 785/02; VwGH 20. 5. 2010, 2007/15/0309). Grundlegende Voraussetzung für die Geltendmachung außergewöhnlicher Belastungen iSd § 34 EStG ist jedoch, dass diese dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen und dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Diese Voraussetzungen treffen bei noch nicht getätigten und lediglich in einem Gutachten errechneten, allfällig künftig anfallenden Aufwendungen jedenfalls nicht zu.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33606 vom 31.01.2023