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VwGH zur doppelten Haushaltsführung bei erstmaliger Begründung eines Familienwohnsitzes

Bearbeiter: Michael Hubmann

EStG: §§ 16, 20 Abs 1 Z 1, 2

Abstract

Der VwGH hatte zu entscheiden, ob die Kosten einer doppelten Haushaltsführung abzugsfähig sind, wenn die erstmalige Begründung des gemeinsamen Familienwohnsitzes aus rein privaten Gründen an einem vom Beschäftigungsort weit entfernten Ort erfolgt. Während sowohl das FA als auch das BFG die Abzugsfähigkeit in einem solchen Fall verneinen, lässt der VwGH diese zu, sofern der Wohnsitz am Beschäftigungsort aus rein beruflichen Gründen beibehalten wird.

VwGH 29. 5. 2024, Ra 2023/15/0087

Sachverhalt

Die Rw hatte seit dem Jahr 1997 in der Steiermark ihren Hauptwohnsitz und war seit 2007 als Beamtin in der Steiermark beschäftigt. Im Jahr 2012 heiratete die Rw und hatte ab dann in Wien in einem gemeinsam mit ihrem Ehemann bewohnten Einfamilienhaus einen (als Nebenwohnsitz gemeldeten) Familienwohnsitz. In der Einkommensteuererklärung 2020 und 2021 machte die Rw – wie auch schon in den vorangegangenen Jahren – Kosten für doppelte Haushaltsführung, Familienheimfahrten sowie sonstige Werbungskosten geltend. Das FA versagte die Anerkennung der Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung sowie die Familienheimfahrten, weil der Ehemann der Rw seit 2018 in Pension ist und somit die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung nicht mehr vorlägen. Es sei jedoch eine angemessene Frist bei Eheleuten für einen Umzug einzuräumen, weshalb die Kosten der doppelten Haushaltsführung für die Veranlagungsjahre 2018 und 2019 noch berücksichtigt wurden. Gründe für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung aufgrund der Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes von Wien in die Steiermark lägen ab dem Jahr 2020 aber nicht (mehr) vor. In der dagegen eingebrachten Beschwerde brachte die Rw vor, eine Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes könne sich auch aus anderen Gründen als der Erwerbstätigkeit des Ehegatten ergeben. Mit BVE wies das FA die Beschwerde ab und fügte hinzu, dass bereits die Begründung des Hausstandes in Wien nicht beruflich, sondern privat veranlasst gewesen sei und die Abzugsfähigkeit damit von Anfang an nicht zustand. Daraufhin stellte die Rw einen Vorlageantrag. Das BFG stimmte zu, dass die doppelte Haushaltsführung nicht beruflich, sondern privat veranlasst war, weil die Familienwohnung aus privaten Gründen (nach Wien) weg verlegt wurde. Damit erübrige sich auch die Frage, ob nunmehr die Verlegung des Familienwohnsitzes von Wien in die Steiermark zumutbar sei. Hiergegen richtet sich die gegenständliche ao Revision.

Entscheidung des VwGH

Gem § 20 Abs 1 Z 1 EStG dürfen die für den Haushalt von Steuerpflichtigen und für den Unterhalt ihrer Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden. Dasselbe gilt nach § 20 Abs 1 Z 2 lit a EStG für Aufwendungen und Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung von Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit der Steuerpflichtigen erfolgen. Haushaltsaufwendungen oder Aufwendungen für die Lebensführung sind demnach grundsätzlich nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar. Lediglich unvermeidbare Mehraufwendungen, die Steuerpflichtigen dadurch erwachsen, dass sie am Beschäftigungsort wohnen müssen und ihnen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort ebenso wenig zugemutet werden kann wie die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz, können als beruflich oder betrieblich bedingte Mehraufwendungen bei jener Einkunftsart abgezogen werden, bei der sie erwachsen sind (vgl VwGH 21. 4. 2023, Ro 2021/15/0037; VwGH 26. 7. 2007, 2006/15/0047). Die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit seiner Ehegattin oder Partnerin einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft haben (vgl VwGH 28. 11. 2007, 2003/14/0104). Die Beurteilung hat aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu erfolgen (vgl VwGH 25. 2. 2022, Ra 2022/13/0010). Das BFG hat die Anerkennung der doppelten Haushaltsführung verneint, weil die Rw nach ihrer Eheschließung ihren Familienwohnsitz in Wien begründet habe und die Wohnsitzverlegung deshalb privat veranlasst gewesen sei, was eine Anerkennung der Aufwendungen auch zukünftig ausschließe. Damit hat das BFG aber die Rechtslage verkannt, weil es für die Beurteilung der Anerkennung der doppelten Haushaltsführung die den Streitjahren vorangehenden Jahre für wesentlich erachtet hat. Es hätte sich vielmehr mit den Umständen in den revisionsgegenständlichen Jahren 2020 und 2021 auseinandersetzen müssen und die Zumutbarkeit einer Verlegung des Familienwohnsitzes in den Nahbereich der Arbeitsstätte nach den Umständen des Einzelfalles des jeweiligen Streitjahres beurteilen müssen. Auch der Ansicht des BFG, dass im Jahr 2012 keine anzuerkennende doppelte Haushaltsführung vorgelegen habe, ist abzulehnen. Das BFG hat den Umstand, dass bis 2012 kein gemeinsamer Familienwohnsitz bestand, nicht ausreichend gewürdigt. Die Verlegung des Wohnsitzes nach Wien durch die erstmalige Begründung eines Familienwohnsitzes im Jahr 2012 erfolgte zwar privat, die Beibehaltung des Wohnsitzes am Beschäftigungsort war im Revisionsfall allerdings beruflich veranlasst (vgl VwGH 26. 7. 2007, 2006/15/0047). Das Erkenntnis des BFG war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Conclusio

Das BFG verkannte in seiner nun aufgehobenen Entscheidung (BFG 7. 7. 2023, RV/2100165/2023), dass bei erstmaliger (aus privaten Gründen erfolgender) Begründung eines Familienwohnsitzes die doppelte Haushaltsführung auch gerechtfertigt sein kann, wenn der bisherige Wohnsitz am Beschäftigungsort aus beruflichen Gründen aufrechterhalten wird. Die nun vom VwGH abgelehnte Ansicht des BFG würde dazu führen, dass Steuerpflichtige, die nach einer Eheschließung einen gemeinsamen Familienwohnsitz am bisherigen Hauptwohnsitz eines der Partner erst dann begründen, wenn schon beide berufstätig sind, und beide bis zu diesem Zeitpunkt in weit voneinander entfernten Orten ihren Wohnsitz am Beschäftigungsort hatten, niemals Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten geltend machen könnten. Es würde nämlich immer aus der jeweiligen Sicht des einen Steuerpflichtigen die Begründung des Familienwohnsitzes in Entfernung zum Beschäftigungsort als privat veranlasst angesehen werden. Das entspricht aber nicht der Rechtslage, was der VwGH in Übereinstimmung mit der bisherigen Rsp klarstellte (vgl hierzu auch VwGH 21. 6. 2007, 2005/15/0079). Die Abzugsfähigkeit könnte grundsätzlich aber dann ausgeschlossen sein, wenn der Wohnsitz am Beschäftigungsort nur aus privaten Gründen aufrechterhalten wurde oder ein ursprünglich schon länger bestehender gemeinsamer Familienwohnsitz am Beschäftigungsort weitgehend aus privaten Gründen von dort wegverlegt wird. Dies ist hier nicht der Fall. Im fortgesetzten Verfahren wird das BFG aber noch zu prüfen haben, ob in den Revisionsjahren 2020 und 2021 nach der Pensionierung des Ehemannes der Rw noch eine Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes in die Steiermark vorlag. Das vom FA ursprünglich vorgebrachte Argument könnte sich also noch erhärten, wobei auch private Gründe für die Unzumutbarkeit sprechen können; der Umstand der Pensionierung allein ist also noch nicht aussagekräftig (vgl Ebner in Jakom EStG17 [2024] § 16 Rz 56 mwN).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35828 vom 05.09.2024