News

VwGH zur Empfängerbenennung iZm Rechnungen von vermeintlichen Scheinfirmen

Bearbeiter: Mario Riedl

BAO: § 162

Abstract

Der VwGH hatte sich in der vorliegenden Entscheidung mit der Auslegung des § 162 BAO iZm vermeintlichen Scheinfirmen zu befassen. Die genannte Bestimmung sieht die Nichtanerkennung von Aufwendungen vor, sofern der Empfänger der abgesetzten Beträge nicht benannt wird. Wie das Höchstgericht feststellt, haben Steuerpflichtige bei der Gestaltung ihrer Geschäftsbeziehungen bestimmte Sorgfaltspflichten. Werden diese nicht eingehalten und lässt sich der Steuerpflichtige auf Geschäftsbeziehungen ein, nach deren Gestaltung ihm eine den Anforderungen nach § 162 BAO entsprechende Nennung der Zahlungsempfänger nicht möglich ist, geht dies nach § 162 BAO zu seinen Lasten. Die Sorgfaltspflichten reichen jedoch grundsätzlich nicht soweit, dass der Steuerpflichtige die Geschäftsräumlichkeiten von potenziellen Scheinfirmen aktiv aufsuchen muss, um sich von deren Geschäftsbetriebe zu überzeugen.

VwGH 3. 12. 2021, Ra 2019/13/0074

Sachverhalt

Bei der Revisionswerberin, einer in Österreich ansässigen und in der Baubranche tätige GmbH, fand für die Jahre 2010 und 2011 eine Außenprüfung statt. Es erfolgte gem § 162 BAO eine Aufforderung zur Empfängerbenennung im Zusammenhang mit Rechnungen von vier mutmaßlichen Scheinfirmen (B, N, S und U), deren offizielle Tätigkeit die Erbringung von Personaldienstleistungen war. Nach § 162 Abs 1 BAOkann die Abgabenbehörde verlangen, daß der Abgabepflichtige die Gläubiger oder Empfänger“ von geltend gemachten Aufwendungen genau bezeichnet. Soweit der Abgabepflichtige die Empfängerbenennung verweigert, „sind die beantragten Absetzungen nicht anzuerkennen“ (Abs 2 leg cit). In casu wurde nach Ansicht der Außenprüfung der Aufforderung iSd § 162 Abs 1 BAO nicht entsprochen, weshalb die damit in Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben nicht anerkannt wurden. Das Finanzamt nahm in weiterer Folge die Verfahren zur Körperschaftsteuer 2010 und 2011 wieder auf und erließ neue Sachbescheide. Gegen die Bescheide wurde erfolglos Beschwerde erhoben.

Entscheidung des VwGH

Der VwGH rezipiert eingangs die nicht veröffentliche Entscheidung des BFG, in der ua Folgendes festgestellt wurde: Die Revisionswerberin habe mit drei der genannten Firmen Personalüberlassungsverträge abgeschlossen, wobei sich die Unterschriften auf diesen Verträgen von den Musterzeichnungen der im Firmenbuch aufscheinenden Personen unterschieden. Dies hätte der Revisionswerberin auffallen und zu weiteren Prüfungshandlungen veranlassen müssen. Darüber hinaus hätten die Firmen B, N, S und U ihren (tatsächlichen) Sitz nicht in Österreich gehabt. Die Revisionswerberin verabsäumte es, die Firmenstandorte aufzusuchen, obwohl ihr dies aufgrund der geringen Entfernung möglich gewesen wäre. Etwaige geschäftliche Vereinbarungen zwischen der Revisionswerberin und den Firmen B, N, S und U seien im Wesentlichen mündlich erfolgt. Zur Dokumentation der Geschäftsbeziehungen legte die Revisionswerberin – in sich widersprüchliche – Rechnungen sowie die Arbeitskräfteüberlassungsvereinbarungen vor. Eine Namensliste hinsichtlich der auf den Baustellen eingesetzten Arbeitskräfte konnte durch die Revisionswerberin nicht vorgelegt werden. Mithin konnte nicht festgestellt werden, ob die Aufzeichnungspflichten des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG), demzufolge der Beschäftiger von aus dem EWR überlassenen Arbeitskräften Aufzeichnungen (wie persönliche Daten) zu führen hat, erfüllt wurden. Da auch die Geschäftsführer der vier Unternehmen B, N, S und U – aufgrund deren Wohnsitze außerhalb Österreichs – nicht greifbar sind, hätte die Revisionswerberin die sich draus ergebenden nachteiligen Folgen zu tragen. Im Ergebnis und unter Berücksichtigung aller Umstände handle es sich – so das BFG – bei den betreffenden Firmen B, N, S und U um Scheinfirmen; daher sei der Verweis auf die Benennung derselben als unzureichend zu werten und sei dem § 162 BAO nicht entsprochen worden. Das BFG wies folglich die Beschwerde als unbegründet ab.

Im Rahmen der außerordentlichen Revision brachte die Revisionswerberin ua vor, dass sie durch Vorlage sämtlicher Unterlagen, die sie von den Unternehmen B, N, S und U erhalten habe, dem § 162 BAO entsprochen hat. Dem VwGH zufolge beruht § 162 BAO auf dem Grundsatz, „dass das, was bei dem einen Abgabepflichtigen abzusetzen ist, bei dem anderen versteuert werden muss, wenn nicht steuerpflichtige Einnahmen unversteuert bleiben sollen. Es kann daher die Absetzung von Betriebsausgaben trotz feststehender sachlicher Berechtigung abgelehnt werden, solange nicht die Möglichkeit, die entsprechenden Einnahmen beim Empfänger zu besteuern, dadurch sichergestellt ist, dass der Steuerpflichtige den Empfänger konkret genannt hat“ (VwGH 3. 12. 2021, Ra 2019/13/0074, Rz 19). Nach der Rsp des VwGH „hat ein Abgabepflichtiger bei der Gestaltung seiner Geschäftsbeziehungen Sorgfaltspflichten einzuhalten [mit Verweis auf VwGH 27. 11. 2020, Ra 2018/13/0059]. Hat sich ein Abgabepflichtiger in Geschäftsbeziehungen eingelassen, nach deren Gestaltung ihm eine den Anforderungen nach § 162 BAO entsprechende Nennung der Zahlungsempfänger nicht möglich war, geht dies im Grunde des § 162 BAO zu seinen Lasten“ (VwGH 3. 12. 2021, Ra 2019/13/0074, Rz 20). Wenngleich der VwGH in casu dem Revisionswerber darin zugestimmt hat, dass eine aktive Pflicht zum Aufsuchen von Geschäftsräumlichkeiten vermeintlicher Scheinfirmen und zur Überprüfung deren Geschäftstätigkeit grundsätzlich nicht besteht, konnte das BFG aufgrund des Sachverhalts zu Recht davon ausgegangen, die Firmen B, N, S und U sind nicht die wahren Empfänger der abgesetzten Beträge iSd § 162 BAO. Die Argumentation der Revisionswerberin, die Feststellungen zum AÜG seien für Zwecke des § 162 BAO nicht von Belang, weil die Aufbewahrungspflicht für die Unterlagen betreffen die Arbeitskräfte nach dem AÜG im Zeitpunkt der Empfängerbenennung bereits abgelaufen ist, teilt der VwGH nicht. Denn der Steuerpflichtige ist bereits nach der BAO (§§ 124 ff) verpflichtet, Bücher und Aufzeichnungen zu führen und diese sowie sonstige Unterlagen, die für die Abgabenerhebung von Bedeutung sind, aufzubewahren. Da die Revisionswerberin keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen vermochte, war die Revision zurückzuweisen.

Conclusio

Die vorliegende Entscheidung fügt sich in die ständige Rsp des VwGH zu § 162 BAO nahtlos ein. Demzufolge hat der Steuerpflichtige bei der Gestaltung von Geschäftsbeziehungen seine Sorgfaltspflichten einzuhalten. Kann der Steuerpflichtige, der sich in eine Geschäftsbeziehung eingelassen hat, den Empfänger der Aufwendung nicht benennen, „geht dies im Grunde des § 162 BAO zu seinen Lasten“ (vgl VwGH 9. 3. 2005, 2002/13/0236; Ritz/Koran, BAO7 [2021] Rz 4, mwN). Dem Höchstgericht nach bezweckt § 162 BAO primär, steuermindernde Aufwendungen auf der Empfängerseite steuerlich zu erfassen. Eine solche Auslegung, die auf die BFH-Rsp zurückzuführen ist, wurde bereits von Stoll kritisch gesehen (vgl Stoll, BAO-Kommentar 1721 ff). Denn dadurch werde verkannt, „daß zur Sicherung der richtigen Besteuerung der Empfänger von Ausgaben und Gläubiger abgezogener Schulden die allgemeinen Verfahrensinstrumente wirksam zur Verfügung stehen, wie etwa das Auskunftsrecht nach § 143“ (Stoll, BAO-Kommentar 1722). Zudem bestünde bei sachwidriger Anwendung der Verfahrensbestimmung des § 162 BAO die Gefahr, dass formale Gründe zu „einer Verschiebung der persönlichen Steuerzahlungspflicht von dem vom materiellen Recht geprägten Steuersubjekt und Steuerschuldner (§ 4) auf einen anderen“ führen würden (Stoll, BAO-Kommentar 1724; vgl ebenfalls Ritz/Koran, BAO7 [2021] Rz 5). Das Ertragssteuerrecht folgt nämlich dem Grundsatz der Individualbesteuerung und kennt gerade kein Korrespondenzprinzip (Tipke/Lang, Steuerrecht23 § 8 Rz 24): Die Abzugsfähigkeit einer Zahlung beim Steuerpflichtigen bedingt nicht automatisch die Steuerbarkeit oder Steuerpflicht beim Zahlungsempfänger (so auch VwGH 19. 3. 2021, Ra 2019/13/0062; vgl weiters V. Bendlinger, LexisNews 31191). Die entsprechende Auslegung von § 162 BAO, die einen solchen Automatismus impliziert, ist daher bedenklich und im Einklang mit Stoll abzulehnen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32251 vom 23.03.2022