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VwGH zur Frage des Vorliegens eines durchlaufenden Postens iZm der Vermittlung von Personenbetreuungsdienstleistungen

Bearbeiter: Dominik Hemmelmeyer

UStG: §§ 1, 4

Abstract

Der VwGH hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob eine (Vermittlungs-)Agentur im Bereich der häuslichen 24-Stunden-Personenbetreuung die Entgelte für Personenbetreuungsleistungen zu Recht als durchlaufende Posten behandelte. Ein durchlaufender Posten kann dann nicht angenommen werden, wenn der Unternehmer selbst in einen bestimmten Leistungsaustausch eingeschaltet ist. Aufgrund des Inhalts der zwischen der Agentur und den Pflegekräften abgeschlossenen Organisationsverträge kam es zu einem „Auseinanderklaffen“ des Kundenpreises und der tatsächlich an die Pflegekräfte ausbezahlten Honorarbeträge. Darin sah der VwGH eine Einmischung in den Leistungsaustausch zwischen den Pflegekräften und den betreuten Personen. Das Vorliegen eines durchlaufenden Postens wurde vom VwGH daher verneint.

VwGH 6. 9. 2023, Ro 2020/15/0018

Sachverhalt

Die mitbeteiligte Partei (eine GmbH) betreibt eine Agentur im Bereich der häuslichen 24-Stunden-Personenbetreuung für pflegebedürftige Personen. Mit den betreuten Personen schloss sie schriftliche Vermittlungsverträge und mit den Pflegekräften schriftliche Organisationsverträge. Schriftliche Verträge zwischen den Pflegekräften und den betreuten Personen wurden nicht abgeschlossen. Die mitbeteiligte Partei unterzog die Vermittlungsprovisionen und gesonderten Entgelte für Verwaltung und Organisation der Umsatzsteuer, während sie die Entgelte für die Personenbetreuungsdienstleistungen als durchlaufende Posten behandelte. Das im Vermittlungsvertrag einerseits und im Organisationsvertrag andererseits vereinbarte Betreuungsentgelt ist nicht identisch gewesen. Den sich daraus ergebenden Differenzbetrag hat die mitbeteiligte Partei vereinnahmt. Im Organisationsvertrag fand sich auch eine „Exklusivklausel“, die den Pflegekräften verboten hat, den betreuten Personen Auskunft über die Höhe ihres Entgelts zu geben. Darüber hinaus erfolgte die Auszahlung des Honorars an die Pflegekräfte nach dem Organisationsvertrag unabhängig vom Zahlungseingang der betreuten Person, die mitbeteiligte Partei hat also das Bonitätsrisiko getragen. Der Geschäftsführer der mitbeteiligten Partei hat überdies von 2011–2014 einen Differenzbetrag iHv € 55.652,21, der sich aus dem Ableben einer betreuten Person vor Monatsende oder einer Kündigung ergab, widerrechtlich nicht zurückbezahlt, sondern in bar vom Bankkonto behoben.

Entscheidung des VwGH

Gem § 4 Abs 3 UStG gehören die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten) nicht zum Entgelt. Ist der Unternehmer selbst in einen Leistungsaustausch eingeschaltet, kann ein durchlaufender Posten nicht angenommen werden.

Leistungen sind im Umsatzsteuerrecht demjenigen zuzurechnen, der sie im eigenen Namen erbringt. Leistender ist dabei derjenige, der im Außenverhältnis zur Leistungserbringung verpflichtet ist. Ist ein Dritter beteiligt, ist sorgfältig zu prüfen, ob dieser Dritte nur ausführendes Organ bei einem „fremden“ Leistungsaustausch ist oder ob zwischen ihm und dem Leistungsempfänger eine eigene Leistungsbeziehung entsteht, die unter Umständen zu einem zweiten Leistungsaustausch führt.

Eine „Vermittlung“ kann unter anderem darin bestehen, der Vertragspartei die Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrags nachzuweisen, mit der anderen Partei in Kontakt zu treten oder im Namen und für Rechnung des Kunden über Details der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln. Zweck der Vermittlung ist also, zwei Parteien dazu zu bringen, einen Vertrag abzuschließen, ohne dass der Vermittler am Inhalt des Vertrags ein Eigeninteresse hat. Bedient sich eine der Vertragsparteien zur Erfüllung ihrer Pflichten eines Subunternehmers, handelt es sich nicht um eine Vermittlungstätigkeit.

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob die von den Pflegekräften erbrachten Leistungen der mitbeteiligten Partei zuzurechnen sind. In der Amtsrevision wird vorgebracht, dass sich die mitbeteiligte Partei nicht nur bei Ableben der betreuten Personen oder Vertragskündigung, sondern in Bezug auf sämtliche Betreuungsfälle in den Leistungsaustausch zwischen den Pflegekräften und den betreuten Personen eingemengt habe. Begründet wird dies damit, dass es in jedem einzelnen Fall zu einem aufgrund der Vertragslage systemimmanenten Auseinanderklaffen des Kundenpreises und der tatsächlich an die Pflegekräfte ausbezahlten Honorarbeträge gekommen sei. Nach Ansicht des VwGH ist die Revision mit diesem Vorbringen im Recht.

Die Annahme des BFG im angefochtenen Beschluss, wonach es nur bei einem Teil der Betreuungsverhältnisse durch die Vereinnahmung von akontierten Zahlungen („Überzahlungen“) gegenüber den Kunden zu einem Einmischen in eine fremde Leistungsbeziehung durch die mitbeteiligte Partei gekommen sei, entbehrt – so der VwGH – einer nachvollziehbaren Begründung. Die Ausführungen des BFG, wonach eine Zurechnung sämtlicher auf die Leistungen der Pflegekräfte entfallenden Umsätze als Eigenleistungen der mitbeteiligten Partei „überschießend“ wäre, weil die tatsächlichen Leistungen nicht von ihr erbracht und die Pflegekräfte auch eigens dafür entlohnt worden seien, ist nach Ansicht des VwGH nicht geeignet, dem substanziierten Vorbringen des Finanzamts entgegenzutreten. Das BFG hat sich mit dem entscheidungswesentlichen Vorbringen, wonach in jedem einzelnen Fall Betreuungsentgelte in der Vermögenssphäre der mitbeteiligten Partei verblieben seien und diese sogar im Jahr 2016 das Risiko eines Zahlungsausfalls übernommen habe, wodurch jeweils umsatzsteuerliche Eigengeschäfte indiziert würden, nicht ausreichend auseinandergesetzt. Nach Ansicht des VwGH könnte in einer solchen Konstellation nicht gesagt werden, dass die mitbeteiligte Partei außerhalb eines nur zwischen den Pflegekräften und den betreuten Personen stattfindenden Leistungsaustausches stünde, um das Vorliegen von durchlaufenden Posten bejahen zu können.

Der VwGH weist schlussendlich noch darauf hin, dass die vom BFG vorgenommene Differenzierung der Betreuungsfälle bestehende Judikatur des VwGH übersieht. Nach dieser Judikatur steht es der Annahme eines durchlaufenden Postens entgegen, wenn den betreuten Personen die exakte Höhe jenes Betrages aus ihren laufenden Zahlungen, der an die betreuenden Pflegekräfte bezahlt wird, nicht bekannt ist (vgl zu durchlaufenden Posten bei Lotterievertriebsgesellschaften VwGH 29. 7. 2010, 2008/15/0272; 24. 10. 2013, 2011/15/0053).

Das BFG hat daher aus mehreren Gründen seinen Beschluss mit einer inhaltlichen (prävalierenden) Rechtswidrigkeit belastet, weshalb der VwGH diesen aufgehoben hat.

Conclusio

Der VwGH bezieht in dieser Entscheidung zum Thema durchlaufende Posten nach § 4 Abs 3 UStG klar Stellung. „Ist der Unternehmer selbst in den Leistungsaustausch eingeschaltet und vereinnahmt oder verausgabt er im Zusammenhang damit Beträge, liegen keine durchlaufenden Posten vor“ (Pernegger in Melhardt/Tumpel, UStG3 [2021] § 4 Rz 192). Der VwGH legt im vorliegenden Fall überzeugend dar, dass sich die (Vermittlungs-)Agentur aufgrund der konkreten Gestaltung der Vertragsverhältnisse – insbesondere aufgrund des „Auseinanderklaffens“ der Kundenpreise und der tatsächlich an die Pflegekräfte ausbezahlten Honorarbeträge – mit Blick auf die Leistungsbeziehung zwischen den betreuten Personen und den Pflegekräften „eingeschaltet“ sowie im Zusammenhang damit Beträge vereinnahmt hat. Einer Auffassung, wonach die (Vermittlungs-)Agentur in einer solchen Konstellation außerhalb der Leistungsbeziehung stünde, erteilt der VwGH eine Absage. Die Entgelte für die Personenbetreuungsleistungen wären daher ebenfalls in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer einzubeziehen gewesen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34836 vom 12.12.2023