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VwGH zur Gemeinnützigkeit von Kindergärten mit beschränkten Plätzen für Kinder betriebsexterner Personen

Bearbeiter: Kilian Posch

BAO: §§ 34 ff

Kommunalsteuergesetz 1993 (KommStG): § 8

Abstract

Im vorliegenden Fall hatte der VwGH zu entscheiden, ob ein Verein, der einen Kindergarten hauptsächlich für die Kinder von Mitarbeitern einer GmbH betreibt, jedoch nach Verfügbarkeit auch Kinder von „fremden“ Dritten aufnimmt, als gemeinnützig iSd § 35 BAO einzustufen ist. Die Gemeinnützigkeit hätte gem § 8 KommStG die Befreiung des Vereins von der Kommunalsteuerpflicht zufolge. Der VwGH sprach aus, dass eine Kinderbetreuungseinrichtung, die vorwiegend an Mitarbeiter eines bestimmten Unternehmens gerichtet ist, nicht die Allgemeinheit fördert und daher auch nicht für die Gemeinnützigkeit des betreibenden Vereins ausreicht. Allenfalls könnten in Einzelfällen die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit erfüllt sein, wenn stets mit einer „namhaften Anzahl an (Rest)Plätzen [für die Allgemeinheit] zu rechnen ist und die Vergabe dieser (Rest)Plätze nach objektiven und im Vorhinein festgelegten Kriterien erfolgt.

VwGH 11. 10. 2023, Ra 2021/15/0061

Sachverhalt

Der Bürgermeister der zuständigen Gemeinde setzte mit Bescheid die Kommunalsteuer für einen Verein, der ua eine Kinderbetreuungseinrichtung betreibt, für die Streitjahre 2016 und 2017 fest. Begründend wurde ausgeführt, dass dieser Verein nicht als gemeinnützig einzustufen und somit nicht nach § 8 KommStG steuerbefreit sei, da die Kinderbetreuungseinrichtung als Betriebskindergarten fungiere und daher nicht der Allgemeinheit diene. Dies sei ua daran zu erkennen, dass in den Streitjahren 2016 und 2017 lediglich drei von 67 bzw vier von 69 betreuten Kindern nicht von Mitarbeitern einer bestimmten GmbH & Co KG stammten, welche zudem die Betriebskosten des Kindergartens übernahm und das Grundstück für eine unüblich geringe Miete zur Verfügung stellte. Nach erfolgloser Berufung erhob der Verein Beschwerde vor dem LVwG und argumentierte im Wesentlichen, dass aufgrund der Aufnahme von Kindern, deren Eltern in keinem Arbeitsverhältnis zur besagten GmbH & Co KG stehen, die Gemeinnützigkeit gegeben sei. Das LVwG gab der Beschwerde statt, da der Verein unstrittig keine erwerbswirtschaftlichen Interessen verfolge und die Kinderbetreuungseinrichtung für die Allgemeinheit offen sei. Damit sei der Verein in den Streitjahren 2016 und 2017 gemeinnützig im Bereich der Kinderfürsorge iSd § 8 Z 2 KommStG tätig gewesen. Gegen dieses LVwG-Erkenntnis richtet sich die vorliegende ao Revision der betroffenen Gemeinde, für deren Zulässigkeit ua hervorgebracht wurde, dass noch keine hg Rsp dazu bestehe, ob die vereinzelte Aufnahme von betriebsfremden Kindern zu einer Gemeinnützigkeit iSd §§ 34 ff BAO führt.

Entscheidung des VwGH

§ 8 KommStG normiert, dass jene Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen steuerbefreit sind, die mildtätigen oder gemeinnützigen Zwecken im Bereich der Gesundheitspflege, der Kinder-, Jugend-, Familien-, Kranken-, Behinderten-, Blinden- und der Altenfürsorge dienen. Die Voraussetzungen richten sich dabei nach §§ 34 ff BAO. Gem § 34 BAO muss der Verein dem mildtätigen oder gemeinnützigen Zweck nach seiner Rechtsgrundlage und nach seiner tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar dienen. Für die Gemeinnützigkeit ist dabei erforderlich, dass durch die Zweckerfüllung die Allgemeinheit gefördert wird, wobei eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit im Bereich der Kinderfürsorge nach § 35 Abs 2 BAO jedenfalls als Förderung der Allgemeinheit zu verstehen ist. Der geförderte Personenkreis ist jedoch nicht als Allgemeinheit aufzufassen, wenn er durch ein engeres Band, wie etwa durch eine Anstellung in einer bestimmten Anstalt, fest abgeschlossen ist oder wenn infolge der Abgrenzung nach örtlichen, beruflichen oder sonstigen Merkmalen die Zahl der in Betracht kommenden Personen dauernd nur gering sein kann. Da sich im vorliegenden Fall das Angebot des vom Verein betriebenen Kindergartens vornehmlich an Kinder von Mitarbeitern eines bestimmten Unternehmens richtete, liegt laut VwGH keine Förderung der Allgemeinheit vor. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass unternehmensfremde Eltern nach Maßgabe freier Plätze die Kinderbetreuung durch den Verein ebenfalls in Anspruch nehmen können. Dies könnte allenfalls im Rahmen einer Einzelfallbeurteilung relevant sein, wenn aufgrund bestehender Kapazitäten immer mit einer „namhaften“ Anzahl an frei zu vergebenden Plätzen zu rechnen ist und diese (Rest-)Plätze nach objektiven und im Vorhinein festgelegten Kriterien vergeben werden. Der Verein ist daher in den Streitjahren 2016 und 2017 mangels Gemeinnützigkeit kommunalsteuerpflichtig. Der VwGH gab demnach der Revision der Gemeinde statt und hob das angefochtene LVwG-Erkenntnis auf.

Conclusio

Die Auslegung des Begriffs der Allgemeinheit iSd § 35 Abs 1 BAO bereitet trotz der Spezifizierung in § 36 BAO Schwierigkeiten in Theorie und Praxis (vgl Strauss, Dient die Vergabe von Forschungsstipendien und Wissenschaftspreisen der unmittelbaren Förderung der Allgemeinheit? ÖStZ 2018, 511). Als entscheidendes Kriterium dient die Möglichkeit der Förderung eines potenziell großen Personenkreises, auch wenn konkret nur ein Bruchteil davon tatsächlich gefördert wird. Kann die Anzahl an geförderten Personen dauerhaft nur sehr gering sein, wie etwa bei Förderungen von Betriebsmitarbeitern, ist das Merkmal der Allgemeinheit nicht erfüllt. Schlussendlich ist die Prüfung im Einzelfall vorzunehmen (vgl Ebner in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO: Stoll Kommentar – Digital First2.07 [2023] § 36 Rz 4 ff).

Da sich nach den Besonderheiten des vorliegenden Falls das Angebot der Kinderbetreuung nur subsidiär an unternehmensexterne Personen richtete, ist der Würdigung des VwGH zuzustimmen. Nach Ansicht des VwGH reicht es offenbar noch nicht für die Förderung der Allgemeinheit aus, dass vier der 69 bzw drei der 67 betreuten Kinder von „betriebsfremden“ Eltern stammen. Da der VwGH die Vergabe von Restplätzen an betriebsexterne Kinder als nicht gänzlich ungeeignet einstuft, um dem betreibenden Verein zur Gemeinnützigkeit zu verhelfen, bleibt weiterhin offen, ab welchem Aufnahmeverhältnis eine „namhafte“ Anzahl an frei zu vergebenden Plätzen erreicht ist. Zugleich schreibt der VwGH ein objektives Auswahlverfahren für die Kinderbetreuungsplätze vor: Dieses Erfordernis scheint dafür geeignet, um zwischen einerseits jenen Vereinen, die die Plätze nur nach Gelegenheit mit Kindern fremder Eltern auffüllen, und andererseits solchen Vereinen zu unterscheiden, deren Ziel von vornherein die Förderung der Allgemeinheit durch die freie Bereitstellung von Kinderbetreuungsplätzen ist.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35036 vom 02.02.2024