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BAO: §§ 85, 278, 279
Abstract
Der VwGH hatte über eine Entscheidung des BFG zu entscheiden, in der auf ersatzlose Aufhebung eines Einkommensteuerbescheides erkannt wurde. Das BFG ging dabei wohl davon aus, nur über einen rechtswidrigen Mängelbehebungsauftrag und eine daraus resultierende Zurücknahmefiktion abschließend abzusprechen. Wenn das BFG aber vermeint, dass durch die Abgabenbehörde anschließend weiterhin ein (neuer) Einkommensteuerbescheid erlassen werden könne, liegt dem ein grundlegendes Fehlverständnis der Wirkungsweise einer Aufhebung nach § 279 Abs 1 BAO zugrunde.
VwGH 30. 10. 2024, Ra 2024/15/0055
Sachverhalt
Der Mitbeteiligte erhob gegen den Einkommensteuerbescheid des Jahres 2018 Beschwerde. Das Finanzamt (FA) erachtete diese Bescheidbeschwerde als mangelhaft und erteilte daher einen Mängelbehebungsauftrag nach § 85 Abs 2 BAO. Da der Mängelbehebungsauftrag nicht beantwortet wurde, erließ das FA einen Zurücknahmebescheid (wohl gem § 263 Abs 1 lit b BAO in Form einer Beschwerdevorentscheidung, wogegen sich dann vermutlich die Vorlage an das BFG richtete). Nach Ansicht des BFG war der Mängelbehebungsauftrag des FA jedoch rechtswidrig, sodass auch der Zurücknahmebescheid rechtswidrig erging. Das BFG gab daher der Beschwerde statt und hob den angefochtenen Einkommensteuerbescheid ersatzlos auf. In der dagegen erhobenen Amtsrevision wurde vorgebracht, dass eine ersatzlose Aufhebung (meritorische Entscheidung) des angefochtenen Bescheides durch das BFG nur dann erfolgen dürfte, wenn in der Sache keine weitere Entscheidung in Betracht kommt. Dies liege im Revisionsfall nicht vor. Das Vorliegen dieser Voraussetzung werde durch das BFG in seiner Entscheidungsbegründung auch in keiner Weise dargelegt. Allein der Umstand, dass das FA einen rechtswidrigen Mängelbehebungsauftrag (und darauf aufbauend einen Zurücknahmebescheid) erlassen habe, berechtige das BFG nicht dazu, den mit Beschwerde bekämpften Einkommensteuerbescheid durch eine auf § 279 BAO gestützte Sachentscheidung aufzuheben.
Entscheidung des VwGH
Gem § 279 Abs 1 BAO hat das BFG – außer in den Fällen des § 278 BAO – immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen. Sachentscheidungen des BFG können daher in einer ersatzlosen Aufhebung, in einer Abänderung des angefochtenen Abgabenbescheides oder in einer Abweisung der Beschwerde bestehen (vgl Ellinger/Sutter/Urtz, BAO § 279 Anm 2 [Stand 15. 4. 2018, rdb.at]). Eine ersatzlose Aufhebung (meritorische Entscheidung) darf nur dann erfolgen, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung in Betracht kommt (vgl VwGH 6. 11. 2023, Ra 2021/16/0085; 29. 4. 2019, Ra 2018/16/0055 mwN). Im vorliegenden Revisionsfall war eine ersatzlose Aufhebung des vom Mitbeteiligten angefochtenen Bescheides jedoch ausgeschlossen, weil dies zur Folge hätte, dass vom FA trotz durchgeführter Arbeitnehmerveranlagung kein Einkommensteuerbescheid 2018 mehr erlassen werden könnte. Wenn das BFG in seinem Vorlagebericht vermeint, dass keine ersatzlose Aufhebung erfolgt sei und das FA weiterhin einen Einkommensteuerbescheid 2018 erlassen könne, liegt dem ein grundlegendes Fehlverständnis der Wirkungsweise einer Aufhebung nach § 279 Abs 1 BAO zugrunde. Das angefochtene Erkenntnis erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig, weshalb es aufzuheben war. Im Übrigen enthält das Erkenntnis des BFG keinerlei Feststellungen und keine Sachverhaltsdarstellung. Das Erkenntnis genügt damit nicht einmal den Mindestanforderungen, die für eine (weitere) Überprüfung erforderlich wären.
Conclusio
Grundsätzlich kann ein von der Abgabenbehörde erlassener Zurücknahmebescheid selbstständig durch Beschwerde angefochten werden (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 85 Anm 17 [Stand 1. 9. 2020, rdb.at]). Da sich der vorliegende Mängelbehebungsauftrag aber auf die Bescheidbeschwerde gegen den ESt-Bescheid 2018 bezog, musste die Wirkung der Zurücknahmefiktion des § 85 Abs 2 BAO im Wege einer Beschwerdevorentscheidung nach § 263 Abs 1 lit b BAO ausgesprochen werden (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 85 Anm 15 [Stand 1. 9. 2020, rdb.at]). Aufgrund der fehlenden Sachverhaltsdarstellung im BFG-Erk ist der genaue Verfahrensgang unklar. Es ist aber anzunehmen, dass der Mitbeteiligte gegen diese – eine Zurücknahme der Beschwerde aussprechende Beschwerdevorentscheidung – die Vorlage an das BFG beantragte und damit das Beschwerdeverfahren in vollem Umfang (auch betreffend den ESt-Bescheid 2018 und nicht eingeschränkt auf das Mängelbehebungsverfahren) vor dem BFG landete. Sofern das BFG also von der Unrechtmäßigkeit der Zurücknahme ausging, wäre eine inhaltliche Entscheidung über die ESt 2018 geboten gewesen.
Die durch § 279 BAO dem BFG eingeräumte reformatorische Entscheidungsbefugnis bietet folgende Entscheidungsmöglichkeiten:
1.) Ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides,
2.) Abänderung des angefochtenen Bescheides oder
3.) Abweisung der Bescheidbeschwerde als unbegründet (vgl Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 279 Rz 4).
Eine meritorische Beschwerdeerledigung durch Aufhebung darf aber nur erfolgen, wenn in der Sache keine weitere Entscheidung in Betracht kommt, dies ist bspw der Fall, wenn der angefochtene Bescheid von einer hierfür unzuständigen Behörde erlassen wurde oder eine Abgabenfestsetzung trotz des Verjährungseintritts erfolgte (s mit weiteren Bsp Ritz/Koran, BAO7 § 279 Rz 6). Die ersatzlose Aufhebung eines Bescheides entfaltet im Rahmen seiner bisherigen Sache (hier die ESt 2018) Bindungswirkung, sodass der Abgabenbehörde ein neuerlicher Abspruch verwehrt ist (vgl VwGH 19. 5. 2021, Ra 2020/15/0065; Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 279 Rz 7 mwN). Im vorliegenden Fall hätte das BFG daher wohl zunächst selbst einen (nunmehr rechtmäßigen) Mängelbehebungsauftrag erlassen müssen (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 85 Anm 14 [Stand 1. 9. 2020, rdb.at]). Bliebe auch dieser unbeantwortet, dann wäre die Zurücknahme durch das BFG mit Beschluss auszusprechen.