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EStG 1988: § 25 Abs 1 Z 1 lit a und b; § 22 Abs 2 TS 2
Abstract
Der VwGH hatte sich einmal mehr mit der Qualifikation von Einkünften von Gesellschafter-Geschäftsführern auseinanderzusetzen. Fraglich war, ob die Einkünfte von nicht wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführern (mit 22,5 % bzw 23,5 %), die im Anstellungsvertrag für die ordentlichen Geschäftsführung weisungsfrei gestellt wurden und gesellschaftsvertraglich für die außerordentliche Geschäftsführung eine Sperrminorität besaßen, als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gem § 25 Abs 1 Z 1 lit b EStG einzustufen sind. Dafür bedarf es allgemein einer gesellschaftsvertraglichen Sonderbestimmung, die zu Weisungsfreiheit führt. Der VwGH kam zum Ergebnis, dass die gesellschaftsvertragliche Weisungsfreiheit jene des Anstellungsvertrags absichert, auch wenn sich diese auf einen anderen Teil der Geschäftsführung bezieht. Aus diesem Grund ist das Erfordernis der Weisungsfreiheit aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen Sonderbestimmung erfüllt und § 25 Abs 1 Z 1 lit b EStG kommt zur Anwendung.
VwGH 6. 9. 2023, Ra 2022/15/0002
Sachverhalt
Am Stammkapital der GmbH waren im Streitzeitraum zwei Gesellschafter-Geschäftsführer mit 23,5 %, zwei weitere Gesellschafter-Geschäftsführer mit 22,5 % und zwei Ehegattinnen zweier Gesellschafter-Geschäftsführer mit je 4 % beteiligt. Alle vier Gesellschafter-Geschäftsführer wurden im Geschäftsführungsvertrag für die laufende Geschäftsführung weisungsfrei gestellt. Die Weisungsfreiheit umfasste ua die Arbeitszeit, den Arbeitsort und die Auftragsannahme sowie -ablehnung. Daneben wurde im Gesellschaftsvertrag ein Beschlusserfordernis von 90 % für die außerordentliche Geschäftsführung festgelegt, zu der bspw die Änderung des Gesellschaftsvertrags oder auch die Änderung des Stammkapitals gehörten. Für diesen Bereich der Geschäftsführung bestand somit eine Sperrminorität, die in diesen Bereichen zur Weisungsfreiheit führte. In Folge einer GPLA erließ das FA Bescheide, in denen es die Einkünfte als solche aus nichtselbstständiger Arbeit gem § 25 Abs 1 Z 1 lit a EStG qualifizierte, weshalb das FA den Dienstgeberbeitrag (DB) und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (DZ) vorschrieb.
Dagegen erhob die GmbH Beschwerde an das BFG, in der sie ausführte, dass sich die gesellschaftsvertragliche Weisungsfreiheit nur auf die außerordentliche Geschäftsführung beziehe. Für den Bereich der laufenden Geschäftsführung konnten von der GmbH sehr wohl Weisungen erteilt werden, weil die Weisungsfreiheit in diesem Bereich nur durch einen schuldrechtlichen Anstellungsvertrag abgesichert wurde. § 25 Abs 1 Z 1 lit b EStG könne daher nicht zur Anwendung kommen. Das BFG folgte in seinem Erkenntnis den Ausführungen der GmbH. Gegen das Erkenntnis des BFG erhob das FA ao Revision.
Entscheidung des VwGH
Der VwGH befand die Revision für zulässig. Eingangs hielt der Gerichtshof fest, dass § 25 Abs 1 Z 1 lit b EStG 1988 auf die nahezu wortgleiche Bestimmung des § 25 Abs 1 Z 1 Satz 2 EStG 1972 idF des AbgÄG 1981 zurückgeht. Damit soll sichergestellt werden, dass nicht wesentlich Beteiligte, die einer gesellschaftsvertraglichen Sonderbestimmung unterliegen, Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit beziehen (mit Verweis auf ErläutRV 850 BlgNR 15. GP 18). Tatbestandsmerkmal des § 25 Abs 1 Z 1 lit b EStG ist somit, dass im Gesellschaftsvertrag eine entsprechende Regelung getroffen wird, mit der von der dispositiven Regelung des GmbHG abgewichen wird und Sonderrechte eingeräumt werden. Dies ist nach Ansicht des VwGH bspw dann der Fall, wenn die Generalversammlung Beschlüsse nur mit einer qualifizierten Mehrheit fassen kann; was dazu führt, dass ein in Höhe einer Sperrminorität am Stammkapital beteiligter Gesellschafter-Geschäftsführer Beschlüsse und damit allenfalls auch Weisungen gem § 20 Abs 1 GmbHG an ihn selbst verhindern kann. Resultiert die Weisungsfreiheit nicht aus dem Gesellschaftsvertrag, ist § 25 Abs 1 Z 1 lit b EStG jedoch nicht anwendbar (mit Verweis auf Zorn, Besteuerung der Geschäftsführung 19 f sowie Doralt, EStG21 § 25 Tz 26, jeweils mwN).
Im vorliegenden Fall findet sich im Gesellschaftsvertrag – der im Erkenntnis des VwGH abgedruckt ist – unter Pkt 9.1. eine Regelung, wonach für bestimmte Geschäftsführungstätigkeiten ein Beschlusserfordernis von 90 % festgelegt ist, weshalb allen Gesellschafter-Geschäftsführern eine Sperrminorität zukommt. Nach Ansicht des VwGH sichert diese gesellschaftsvertragliche Weisungsfreiheit die im Anstellungsvertrag festgelegte Weisungsfreiheit im Bereich der ordentlichen Geschäftsführung ab. Daraus leitet der VwGH ab, dass bei den Gesellschafter-Geschäftsführern Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gem § 25 Abs 1 Z 1 lit b EStG vorliegen, weil „die Verpflichtung, den Weisungen eines anderen zu folgen, auf Grund gesellschaftsvertraglicher Sonderbestimmung fehlt“. Der VwGH hob das Erkenntnis des BFG daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf.
Conclusio
Das Erkenntnis des VwGH überrascht und vermag nicht wirklich zu überzeugen. Die Anwendbarkeit von § 25 Abs 1 Z 1 lit b EStG setzt voraus, dass „die Verpflichtung, den Weisungen eines anderen zu folgen, auf Grund [einer] gesellschaftsvertragliche[n] Sonderbestimmung fehlt“. Es bedarf somit der Weisungsfreiheit, die im Gesellschaftsvertrag festgelegt sein muss. Resultiert die Weisungsfreiheit bloß aus dem Anstellungsvertrag, kommt § 25 Abs 1 Z 1 lit b EStG nicht zur Anwendung (VwGH 24. 11. 2016, Ro 2014/13/0040; siehe dazu im Detail Romstorfer/Stöcklinger, Never ending story – Lohnnebenkosten für Bezüge nicht wesentlich beteiligter Geschäftsführer, GES 2022, 32). In der Lit wird überwiegend die Meinung vertreten, dass sich die Weisungsfreiheit vor allem auf die laufende Geschäftsführung erstrecken muss (Blasina, Übersicht zum Gesellschafter-Geschäftsführer, ÖStZ 2006, 82 [83]; Romstorfer/Stöcklinger, GES 2022, 32 [35 ff]; Sedlacek, Nicht wesentlich beteiligte GmbH-Geschäftsführer: VwGH-Judikatur schafft weitgehende Rechtssicherheit, SWK 2018, 959 [964]; Shubshizky, Steuerliche Sonderregelung zur Ausblendung der Weisungsfreiheit aufgrund von Sperrminoritäten, ASok 2019, 73 [73]; Schima/Toscani, Handbuch Geschäftsführer2 [2020] 174). Auch der VwGH hat in einem früheren Erkenntnis festgehalten, dass die Weisungsfreiheit für die grundsätzliche Erfüllung der Leitungsaufgaben bestehen muss und von der Generalversammlung keine individuell-konkreten Anordnungen gesetzt werden können (VwGH 26. 1. 2017, Ra 2015/15/0064).
Im vorliegenden Fall resultiert die Weisungsfreiheit für die laufende bzw ordentliche Geschäftsführung jedoch gerade nur aus dem Anstellungsvertrag (siehe Pkt 2 Abs 1-4 des im VwGH-Erkenntnis abgedruckten Geschäftsführungsvertrages). Gesellschaftsvertragliche Weisungsfreiheit aufgrund der Sperrminorität besteht im Wesentlichen nur für Tätigkeiten der außerordentlichen Geschäftsführung (siehe Pkt 9 des Gesellschaftsvertrages). Der VwGH führt dazu in Rz 24 des Erkenntnisses aus, dass die Gesellschafter-Geschäftsführer ihre im Anstellungsvertrag vereinbarte Weisungsfreiheit damit gesellschaftsvertraglich absichern. Diese Ansicht überzeugt mE aber gerade nicht, denn durch die Sperrminorität können eben nur Weisungen unterbunden werden, die die außerordentliche Geschäftsführung betreffen. Wird einem Gesellschafter-Geschäftsführer von der Generalversammlung bspw eine Weisung zum Arbeitsort, zur Arbeitszeit oder zur Auftragsannahme bzw -ablehnung erteilt, so ist dieser gem § 20 Abs 1 GmbHG an die Weisung gebunden. Von einer gesellschaftsvertraglichen Weisungsfreiheit ist in einem solchen Fall daher nicht auszugehen. Im Ergebnis würde daher im vorliegenden Fall § 22 Z 1 lit b TS 1 EStG zur Anwendung kommen und es müsste weder der DB noch der DZ oder die Kommunalsteuer abgeführt werden (siehe für dasselbe Ergebnis Blasina, ÖStZ 2006, 82 [83]).