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Abstract
Mit § 241a BAO wurde im Jahr 2019 eine Bestimmung geschaffen, die die bescheidmäßige Rückforderung von Abgabenrückzahlungen oder -erstattungen ermöglichen soll, die „ohne Rechtsgrund“ erlangt wurden. Das FA nutzte diese Bestimmung insb zur Rückforderung von bescheidlos ausgezahlten KESt-Rückerstattungen im Zusammenhang mit Cum-/Ex-Gestaltungen. Der VwGH stellte nun fest, dass § 241a BAO nicht anwendbar ist, solange die Anträge auf KESt-Rückerstattung noch nicht durch Bescheid erledigt wurden.
VwGH 20. 9. 2023, Ro 2023/13/0012
Sachverhalt
Die Mitbeteiligte, eine in Großbritannien ansässige Bank, kaufte im Jahr 2011 rund um den Dividendenstichtag Aktien von österreichischen Aktiengesellschaften. Die im Rahmen der Dividendenausschüttung einbehaltene KESt wurde der Mitbeteiligten vom FA infolge entsprechender Anträge nach dem DBA-Großbritannien im Jahr 2012 erstattet. Gemäß der damals üblichen Verwaltungspraxis wurden derartige Anträge durch schlichte Überweisung des beantragten Erstattungsbetrags und ohne Bescheid erledigt. Im Jahr 2017 begann das FA sodann eine Außenprüfung bei der Mitbeteiligten, die bereits im Jahr 2018 mit der Begründung abgebrochen wurde, dass die Mitbeteiligte in Österreich keiner Buchführungs- oder Aufzeichnungspflicht unterliege. Nach dem Inkrafttreten von § 241a BAO im Oktober 2019 erließ das FA sodann auf § 241a BAO gestützte Bescheide, die die Rückforderung der erstatteten KESt zum Gegenstand hatten. Die Abgabenbehörde begründete dies damit, dass die Mitbeteiligte im für die Einkünftezurechnung der Dividenden relevanten Zeitpunkt nicht wirtschaftliche Eigentümerin der Aktien und somit auch nicht (KESt-)rückerstattungsberechtigt gewesen sei. Die Mitbeteiligte erhob gegen diese Bescheide Beschwerde und machte insb geltend, dass § 241a BAO nicht rückwirkend anwendbar und ohnedies bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Das BFG gab der Beschwerde Folge (BFG 9. 1. 2023, RV/7101097/2022). Es verneinte dabei schon im Grundsatz eine rückwirkende Anwendbarkeit des § 241a BAO und bejahte zudem den Eintritt der Verjährung. Gegen das Erkenntnis des BFG wurde Amtsrevision erhoben.
Entscheidung des VwGH
Bei einem Antrag auf „Rückerstattung“ der entrichteten Quellensteuern aufgrund von Bestimmungen eines DBA handelt es sich um „Erstattungen“ iSd § 2 lit a Z 2 BAO (Verweis auf Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 2 Rz 2) oder „Rückzahlungen“ (der VwGH verweist betreffend die terminologischen Mängel auf Stoll, BAO-Kommentar 28 f). Gemäß § 241a BAO sind derartige „Rückzahlungen“ oder „Erstattungen“ zurückzuzahlen, wenn sie ohne Rechtsgrund erlangt wurden. Die Gesetzesmaterialien zu § 241a BAO verweisen insb auf § 26 FLAG (IA 983/A BlgNR 26. GP 53; AB 686 BlgNR 26. GP 34). Dem § 26 FLAG liegt zugrunde, dass die Familienbeihilfe nicht mit Bescheid zuerkannt wird, sondern lediglich eine Mitteilung erfolgt. Eine spätere Aberkennung der Familienbeihilfe erfordert daher auch keine Durchbrechung der Rechtskraft eines Bescheids. Über einen Antrag auf „Erstattung“ oder „Rückzahlung“ der einbehaltenen KESt ist demgegenüber aber unbestritten mit Bescheid zu entscheiden. Liegt ein derartiger Bescheid vor, so steht dieser einer Rückforderung nach § 241a BAO schon deswegen entgegen, weil die „Rückzahlung“ oder „Erstattung“ nicht ohne Rechtsgrund erfolgte. Zwar verweist die Lit darauf, dass § 241a BAO eine Reaktion auf jahrelange Gesetzesverletzungen des FA gewesen sein dürfte (Ritz/Koran, BAO7 § 241a Rz 8 mwN), jedoch wird dies in den Gesetzesmaterialien nicht angeführt. Es kann daher nicht abgeleitet werden, dass § 241a BAO auf einen Fall anwendbar wäre, in dem eine gebotene Festsetzung der Abgabe unterlassen wurde.
Neben § 26 FLAG verweisen die Gesetzesmaterialien auch auf § 37 Abs 2 deutsche Abgabenordnung (dAO) (IA 983/A BlgNR 26. GP 53; AB 686 BlgNR 26. GP 34). Es ist aber nicht ohne Weiteres erkennbar, wie eine konkrete Bestimmung einer in vielen Einzelheiten abweichenden Verfahrensordnung in die BAO eingeordnet werden kann. Zudem wird auch zu § 37 Abs 2 dAO vertreten, dass die Frage, ob ein Steueranspruch materiell nicht bestanden hat und ob deshalb die Leistung ohne rechtlichen Grund erbracht worden ist, nur im Verfahren über die Festsetzung des Steueranspruchs geklärt werden kann (Verweis auf Ratschow in Klein/Orlopp, Abgabenordnung16 [2022] § 37 Rz 58).
Insgesamt kann daher nicht abgeleitet werden, dass die Bestimmung des § 241a BAO von der Notwendigkeit, eine Abgabenfestsetzung vorzunehmen, entbindet. Sofern die Festsetzung der Abgabe erforderlich ist, kann eine Rückforderung nicht nach § 241a BAO geltend gemacht werden. § 241a BAO ist nicht anwendbar, solange über den Rückerstattungsanspruch (noch) durch Bescheid zu entscheiden ist und die mitbeteiligte Partei den Antrag nicht zurückgezogen hat, sodass eine Festsetzung nicht mehr erfolgen kann. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen im vorliegenden Fall eine Abgabenfestsetzung noch rechtmäßig ist, war im vorliegenden Verfahren nicht zu klären. Der VwGH lehnte die Amtsrevision als unbegründet ab.
Conclusio
Der VwGH kam zum Ergebnis, dass § 241a BAO nicht anwendbar ist, solange noch ein unerledigter Antrag auf KESt-Rückerstattung vorliegt, über den die Abgabenbehörde mit Bescheid abzusprechen hat. Er ließ allerdings offen, ob solche Bescheide im vorliegenden Fall überhaupt noch ergehen können. Zumindest aus Sicht der Verjährung erscheint dies unproblematisch. Gemäß § 209a Abs 2 BAO steht der Eintritt der Verjährung der Bescheiderlassung nämlich nicht entgegen, sofern die Anträge vor Verjährungseintritt eingebracht wurden und noch unerledigt sind. Sobald in der Folge die antragserledigenden Bescheide ergangen sind und feststeht, dass keine KESt-Rückerstattung zugestanden wäre, stellen die geleisteten Zahlungen Rückerstattungen „ohne Rechtsgrund“ dar, die § 241a BAO tatbestandsmäßig voraussetzt.
Unbeantwortet ist jedoch, ob § 241a BAO in den beschriebenen Fällen wirklich zur erfolgreichen Rückforderung der ausgezahlten KESt-Rückerstattung führen kann. Die Rückwirkungsfrage zu § 241a BAO ließ der VwGH nämlich noch offen. Unklar ist außerdem, wie es mit der Verjährung der Rückforderungsansprüche aussieht (siehe zu beiden Fragen Gleiss/Hubmann, AVR 2023, 78 [81 ff]). Es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie die Abgabenbehörde auf die vorliegende Entscheidung reagieren wird.