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VwGH zur „Sache“ des Beschwerdeverfahrens betreffend die Abweisung eines Aufhebungsantrags iSd § 299 BAO

Bearbeiter: Michael Hubmann

BAO: §§ 279, 299

Abstract

Der VwGH hatte zu entscheiden, ob die Aufhebung eines Einkommensteuerbescheids im Zuge der Stattgabe einer Beschwerde gegen die Abweisung eines Aufhebungsantrags iSd § 299 BAO der Erlassung eines neuen Sachbescheids entgegensteht. Dabei war unklar, was genau die „Sache“ eines solchen Beschwerdeverfahrens ist und, ob überhaupt eine meritorische Sachentscheidung hinsichtlich des Einkommensteuerbescheids getroffen wurde.

VwGH 24. 5. 2023, Ra 2023/15/0021

Sachverhalt

Entsprechend den Feststellungen einer Außenprüfung erließ das FA gegenüber der mitbeteiligten Partei im Jahr 2017 einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013, mit dem es die Steuer für Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen festsetzte. Der Mitbeteiligte beantragte hieraufhin dessen ersatzlose Aufhebung gem § 299 BAO, weil der Spruch dieses Bescheids nicht richtig sei. Das FA wies den Aufhebungsantrag im Jahr 2018 mit Bescheid ab. Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das BFG im Jahr 2019 statt, weil das FA zu hohe Aufwendungen als Betriebsausgaben berücksichtigt hat. Dem Vorbringen des Mitbeteiligten wurde seitens des BFG dabei aber ausdrücklich nicht gefolgt. Das BFG sprach aus, dass der „Beschwerde […] gemäß § 279 BAO Folge gegeben“ wird und der den Antrag auf Aufhebung abweisende Bescheid aus dem Jahr 2018 „aufgehoben“ wird. Weiters wurde auch der Einkommensteuerbescheid 2013 „gemäß § 299 BAO aufgehoben“. Das FA erließ in weiterer Folge im Jahr 2020 einen neuen Einkommensteuerbescheid 2013. Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde hob das BFG mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis den neuen Einkommensteuerbescheid 2013 auf. Begründend führte es aus, dass dem neuen Einkommensteuerbescheid 2013 das Hindernis der entschiedenen Sache entgegensteht, weil die ersatzlose Aufhebung des alten Einkommensteuerbescheids 2013 durch das BFG im Jahr 2019 als Sachentscheidung iSd § 279 Abs 1 BAO zu interpretieren ist. Gegen dieses Erkenntnis wurde außerordentliche Amtsrevision erhoben.

Entscheidung des VwGH

Gemäß § 279 Abs 1 BAO hat das BFG außer in den Fällen des § 278 BAO immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Die Entscheidungsbefugnis des BFG ist dabei durch die Sache des Verfahrens begrenzt (vgl VwGH 29.9.2022, Ra 2021/15/0052). „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem BFG im Vorerkenntnis war, ob die Abweisung des Antrags auf Aufhebung iSd § 299 BAO rechtmäßig war. Der Einkommensteuerbescheid 2013 selbst war jedoch nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens (zu einer ähnlichen Sachverhaltskonstellation vgl VwGH 23.11.2016, Ra 2014/15/0056, mwN). Das BFG hat im nunmehr angefochtenen Erkenntnis die Rechtslage verkannt, indem es offenbar davon ausging, dass „Sache“ des früheren Beschwerdeverfahrens auch die Entscheidung über den Sachbescheid war und darüber gem § 279 Abs 1 BAO entschieden werden konnte.

Das BFG hat im Vorerkenntnis der Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid gem § 279 Abs1 BAO Folge gegeben und diesen aufgehoben. Zudem hat es den Einkommensteuerbescheid 2013 gem § 299 BAO – und nicht gem § 279 Abs 1 BAO – aufgehoben. Richtigerweise hätte das BFG nach der Rsp des VwGH eigentlich den abweisenden Bescheid des FA abändern müssen und im Zuge dieser Abänderung auszusprechen gehabt, dass der Bescheid, dessen Aufhebung beantragt wurde, aufgehoben wird. Allfällige neue Bescheide sind sodann vom FA zu erlassen (vgl VwGH 29.9.2022, Ra 2021/15/0052, mwN). Das bereits in Rechtskraft erwachsene Vorerkenntnis trägt dieser Rsp des VwGH aber insoweit Rechnung, als es zum gleichen Ergebnis führt.

Im Spruch des Vorerkenntnisses wird nicht ausgesprochen, dass die Aufhebung des Sachbescheids „ersatzlos“ erfolgen sollte. Der Spruch eines Erkenntnisses ist im Zweifel iSd angewendeten Gesetzes auszulegen. Bestehen Zweifel über den Inhalt des Spruches, so ist zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen (vgl VwGH 24.5.2012, 2009/15/0182, mwN). Aus der Begründung des Vorerkenntnisses ergibt sich eindeutig, dass das BFG davon ausgegangen ist, dass der Einkommensteuerbescheid 2013 rechtswidrig war, weil das FA zu hohe Betriebsausgaben anerkannt hatte. Es ist nach Ansicht des VwGH nicht nachvollziehbar aus welchem Grund das BFG im nunmehr angefochtenen Erkenntnis plötzlich davon ausgeht, dass im Vorerkenntnis – trotz der Annahme, dass die Einkommensteuer eigentlich zu niedrig bemessen wurde – eine meritorische Entscheidung hinsichtlich des Sachbescheids im Sinne einer ersatzlosen Behebung getroffen wurde. Das angefochtene Erkenntnis war daher aufzuheben.

Conclusio

Der VwGH präzisiert mit der gegenständlichen Entscheidung seine bisherige Rsp zur „Sache“ des Verfahrens bei einer Beschwerde gegen die Abweisung eines Antrages auf Aufhebung iSd § 299 BAO (VwGH 23.11.2016, Ra 2014/15/0056; VwGH 26.11.2014, 2012/13/0123; VwGH 26.4. 2012, 2009/15/0119). Die „Sache“, über die in der Beschwerde gegen die Abweisung eines Aufhebungsantrags zu entscheiden ist, wird durch die seitens der Partei im Aufhebungsantrag angeführten Aufhebungsgründe festgelegt. Es ist daher lediglich über die Frage abzusprechen, ob die Abweisung rechtmäßig war. Falls sich die Abweisung als unrechtmäßig herausstellen sollte, ist der abweisende Bescheid abzuändern und im Zuge dessen die beantrage Aufhebung auszusprechen (VwGH 29.9.2022, Ra 2021/15/0052, VwGH 12.5.2022, Ra 2021/13/0155, mwN).

Das BFG hat im Vorerkenntnis (BFG 19.12.2019, RV/3100359/2018) die „Sache“ des Beschwerdeverfahrens – entgegen der Annahme im gegenständlich angefochtenen Erkenntnis – nicht überschritten. Wie auch der VwGH feststellt, lässt sich dies schon allein mit dem Spruch des Vorerkenntnisses (und auch dessen Begründung) nicht in Einklang bringen. Hätte das BFG aber im Spruch ausgesprochen, dass die Aufhebung des Einkommensteuerbescheids 2013 „ersatzlos“ erfolgen sollte, dann wäre wohl eine – die „Sache“ überschreitende und damit rechtswidrige – meritorische Entscheidung vorgelegen. Wäre diese sodann mangels Amtsrevision in Rechtskraft erwachsen, dann würde sie der Erlassung eines neuen Sachbescheids entgegenstehen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34443 vom 31.08.2023